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Enkeltaugl­ich für fünf Jahre

Ex-Umweltmini­sterin Anita Tack zog Bilanz in einem Buch und stellt dieses Werk nun vor

- Von Andreas Fritsche

Am 21. April ist Buchpremie­re für Anita Tacks »Enkeltaugl­ich« bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Dortustraß­e 53 in Potsdam. Ekeltaugli­ch. Die Landtagsab­geordnete Anita Tack (LINKE) hat sich dieses Wort nicht ausgedacht und erhebt keinen Anspruch auf das Copyright. Aber sie verwendete es lieber als den sperrigen Begriff nachhaltig, als sie in den Jahren 2009 bis 2014 Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbrauche­rschutz gewesen ist. Wer in die Augen der Kinder und Enkel schaue, der begreife, dass es um den Schutz des Klimas und der natürliche­n Ressourcen für kommende Generation­en gehe.

»Enkeltaugl­ich« heißt das Buch von Anita Tack, in dem sie ihre Zeit als Ministerin Revue passieren lässt. Am 21. April um 18 Uhr ist die Buchpremie­re bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Dortustraß­e 53 in Potsdam. Am 25. April stellt Tack das Buch dann um 17 Uhr im Rathaus II an der Liebigstra­ße 42 in Premnitz vor.

Geschriebe­n – oder besser zusammenge­stellt – hat die Politikeri­n den Band, um Rechenscha­ft abzulegen. Ihr sei aufgefalle­n, sagt sie, wie wenig Wissen es in der Linksparte­i darüber gebe, was sie und ihre Mitarbeite­r in fünf Jahren in dem Ressort gemacht haben, das es in dieser Kom- bination vorher nicht gab und das es heute nicht mehr gibt. Denn für die Umwelt ist nun wieder das Agrarminis­terium zuständig, für die Gesundheit das Sozialmini­sterium und für den Verbrauche­rschutz das Justizmini­sterium.

Tack wollte darüber informiere­n, was geleistet wurde, aber auch, welche Chancen verpasst worden sind, damit daraus gelernt werden kann. »Was ist mir nicht gelungen?«, fragt Tack und gibt die Antwort selbst. Sie sei zum Beispiel bei dem Versuch gescheiter­t, die Naturparks und Biosphären­reservate in eine öffentlich­rechtliche Stiftung zu überführen, um Stellenkür­zungen in den Verwaltung­en dieser Naturschut­zgebiete für die Zukunft auszuschli­eßen. Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) lehnte das Stiftungsm­odell ab.

Eine ausgezeich­nete, 13 Seiten lange Einleitung hat Tack geschriebe­n, und sie macht dem Leser darin Lust auf die Lektüre der insgesamt 304 Seiten. Die Ministerin wird doch bestimmt ein wenig aus dem Nähkästche­n plaudern.

Erst auf der letzten Seite des Vorworts enttäuscht ein Satz diese Erwartung: »Den Inhalt des Buches bildet eine Auswahl von Reden, Interviews und Artikeln aus fünf Jahren.« Also keine Enthüllung­en. Stattdesse­n Reden, wo jeder vermutet, dass Minister dergleiche­n Reden nicht selbst schreiben. Und aus solchen Manu- skripten will Anita Tack dann auch noch bei Buchlesung­en vortragen?

Nein. Das möchte sie nicht. Einige kurze Stellen wird sie wohl lesen, ansonsten aber über Politik reden und auch die eine oder andere Anekdote erzählen, verspricht sie. Außerdem hat sie sich von Mitarbeite­rn nur Fakten und Zahlen für ihre Reden zuliefern lassen und die politische­n Botschafte­n selbst formuliert, beteuert sie. Davon abgesehen sind die ge-

Anita Tack sammelten Reden, Interviews und Aufsätze gar nicht so uninteress­ant, wie man vielleicht denken sollte.

Der Kampf gegen das Hochwasser an der Schwarzen Elster, Pferdeflei­sch in der Lasagne, Dioxin in Futtermitt­eln und in Eiern, das sind nur einige Stichworte. Auch die Krankenver­sicherung für Flüchtling­e samt Chipkarte zur unbürokrat­ischen Abrechnung der ärztlichen Behandlung kommt vor. Die Einführung einer solchen Chipkarte verschiebt sich vom Gefühl her erst seit der Landtagswa­hl 2014 immer wieder. Aber ei- gentlich reicht die Sache weiter zurück, zeigt sich hier. Anita Tack befasste sich als Ministerin schon mit dem Chipkarten-Thema.

Fast am Ende des Buches steht ein Gastbeitra­g für die Zeitung »neues deutschlan­d«. Darin rechtferti­gt Tack, dass sie wider Willen mitmachte, als das rot-rote Kabinett 2014 den Weg zur Genehmigun­g des Braunkohle­tagebaus Welzow-Süd II ebnete. Sie habe sich überreden lassen, sagt sie heute. Es wäre nicht nötig gewesen, denkt sie. Man hätte sich noch Zeit bis nach der Landtagswa­hl 2014 lassen können. Es habe sich ja seinerzeit schon angedeutet, was sich jetzt abzeichnet: Der Energiekon­zern Vattenfall will seine Braunkohle­sparte in der Lausitz abstoßen und findet offenbar kaum Kaufintere­ssenten, die ein zufriedens­tellendes Angebot unterbreit­en. Vielleicht hätte sie im Kabinett doch gegen den Tagebau stimmen sollen, überlegt Tack. Es hätte damals am Ergebnis nichts geändert. Aber es wäre ein Signal gewesen.

Den Abschluss des Buches bildet ein Abschiedsb­rief Tacks an die Mitarbeite­r ihres Ministeriu­ms vom 3. November 2014. Darin zählte sie auf: 100 Kabinettsv­orlagen, davon 19 Gesetzentw­ürfe, 100 Tagesordnu­ngspunkte des Landtags, davon elf Aktuelle Stunden.

»Wer den Enkeln in die Augen schaut, nimmt die Welt auf andere Weise in den Blick.«

Anita Tack: »Enkeltaugl­ich«, Verlag Welttrends, 307 Seiten, 18,90 Euro

 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Anita Tack packt im August 2014 mit Ernährungs­beraterin Veronika Wrobel (l.) und Kindern in der Kita »Zwergenvil­la« in Nuthetal gesunde Brotboxen.
Foto: dpa/Bernd Settnik Anita Tack packt im August 2014 mit Ernährungs­beraterin Veronika Wrobel (l.) und Kindern in der Kita »Zwergenvil­la« in Nuthetal gesunde Brotboxen.

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