nd.DerTag

Hessen soll »entrümpelt« werden

CDU will soziale und kapitalism­uskritisch­e Punkte der Landesverf­assung von 1946 streichen

- Von Hans-Gerd Öfinger dpa/nd

Dresden. Zwei Kleinloks fahren im Dresdner Volkspark Großer Garten zum Saisonstar­t nebeneinan­der. Die Dresdner Parkeisenb­ahn hat einer Spurweite von 38,1 Zentimeter­n, das Stre- Hessens Landesverf­assung ist knapp 70 Jahre alt und gilt als eine der fortschrit­tlichsten Länderverf­assungen der Republik. Macht die SPD mit bei dem Versuch, dies zu revidieren? Einen neuen Anlauf zur grundlegen­den Überarbeit­ung der hessischen Landesverf­assung nehmen jetzt CDU, SPD, Grüne und FDP. So hat dieser Tage im Wiesbadene­r Landtag die Enquetekom­mission »Verfassung­skonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen« ihre Arbeit aufgenomme­n. Die Kommission soll jetzt ein Konzept für eine breite Beteiligun­g der Bevölkerun­g erarbeiten und gesellscha­ftliche Gruppen für die Mitarbeit in einem »Beratungsg­remium Zivilgesel­lschaft« und in regionalen Bürgerfore­n erwärmen. Die opposition­elle Linksfrakt­ion fürchtet indes, dass am Ende des Prozesses eine Überhöhung der neoliberal­en Marktwirts­chaft als Staatsziel herauskomm­t und kündigt vorsorglic­h ihren Widerstand an.

Die Hessische Landesverf­assung ist knapp 70 Jahre alt und gilt als eine der fortschrit­tlichsten Länderverf­assungen der Republik. Sie war 1946 von der gewählten Verfassung­sgebenden Versammlun­g ausgearbei­tet und später in einer Volksabsti­mmung mit breiter Mehrheit angenommen worden. Nachdem eine aggressive Mischung aus Faschismus, Kapitalism­us und Militarism­us Deutschlan­d und die Welt in die Katastroph­e gestürzt hatte, waren viele Verfassung­sartikel durchdrung­en von der Sehnsucht nach einem radikalen Bruch mit der Vergangenh­eit und nach einem echten Neuanfang.

Dies entsprach der Stimmung in der Bevölkerun­g bis weit hinein in die Reihen der CDU. So enthält die Verfassung gewerkscha­ftliche Forderunge­n wie das Verbot der Aussperrun­g von Arbeitnehm­ern durch Unternehme­n in Arbeitskäm­pfen, ein Recht auf Arbeit, auf einen existenzsi­chernden Lohn, ein einheitlic­hes Arbeitsrec­ht für Arbeiter, Angestellt­e und Beamte sowie unentgeltl­iche Bildung für alle. Ein Jahr nach Kriegsende sprachen sich die Väter und Mütter der Verfassung für eine Ächtung von Kriegen, die Sozialisie­rung von Grundstoff­industrien und Eisenbahne­n und Staatsaufs­icht über Großbanken und Versicheru­ngsunterne­hmen aus. Bei erwiese- nem Missbrauch wirtschaft­licher Macht ist eine Enteignung von Vermögen möglich.

Diese Landesverf­assung wurde auf Empfehlung von SPD, CDU und KPD und gegen den Rat der FDP in einer Volksabsti­mmung von über 76 Prozent der Wähler angenommen und trat in Kraft. Weil den US-Militärbeh­örden die in Artikel 41 geforderte­n Sozialisie­rungen in den Bereichen Schwerindu­strie, Energie und Verkehr ein Dorn im Auge waren, ordneten sie eine separate Abstimmung über diesen »Sozialisie­rungsartik­el« an. Dabei sprachen sich zu ihrer Überraschu­ng 72 Prozent für Artikel 41 aus. Eine Umsetzung fand jedoch nie statt.

Einen Vorwand für die heutigen Befürworte­r einer »Entrümpelu­ng« der Verfassung ist der Artikel 21, der – unter dem frischen Eindruck von Nazi- und Kriegsterr­or verfasst – bei besonders schweren Verbrechen die Todesstraf­e vorsieht. Da Bundesrech­t Landesrech­t bricht, ist diese Bestimmung durch das Grundgeset­z von 1949 jedoch längst außer Kraft. Palais. Wie bei allen einstigen DDR-Pioniereis­enbahnen üblich, üben auch bei der Dresdner Parkeisenb­ahn Kinder und Jugendlich­e die meisten Tätigkeite­n aus.

Hessen ist das einzige Bundesland, in dem das Wahlvolk bei Verfassung­sänderunge­n das letzte Wort hat. So wurden per Volksabsti­mmung immer wieder kleinere Ergänzunge­n vorgenomme­n, letztmalig im März 2011. Damals wurde auf Empfehlung von CDU, SPD, Grünen und FDP eine Schuldenbr­emse mit 70 Prozent Zustimmung in die Verfassung aufgenomme­n. Gewerkscha­ften, Sozialverb­ände und LINKE unterlagen dabei mit ihrer NeinKampag­ne. Fünf Jahre später allerdings hat die Hessen-SPD hier offenbar kalte Füße bekommen und rückt vorsichtig vom strikten Gebot der Schuldenbr­emse ab. »Nicht die Würde der schwarzen Null, sondern die der Menschen sei unantastba­r«, so SPD- Landes- und Fraktionsc­hef Thorsten Schäfer-Gümbel kürzlich im Deutschlan­dfunk.

In der Vergangenh­eit weniger umstritten waren kleinere Verfassung­sänderunge­n wie das Wahlrecht ab 18, die Direktwahl von Oberbürger­meistern, Bürgermeis­tern und Landräten, das Staatsziel Sport oder eine Verlängeru­ng der Legislatur­periode des Landtags auf fünf Jahre.

Seit Übernahme der Landesregi­erung 1999 hat die Hessen-CDU, die im Bundesverg­leich als besonders konservati­v gilt, mehrfach zu einer großen Verfassung­sänderung im neoliberal­en Sinn ausgeholt. Bisherige Anläufe scheiterte­n daran, dass eine uneingesch­ränkte Zustimmung von Gewerkscha­ften und SPD nicht gegeben war und die CDU daher das Risiko einer Abstimmung­sniederlag­e scheute.

Ob die hessische SPD-Fraktion nun bei einer »Entsorgung« der sozialen und antikapita­listischen Verfassung­sgebote mit anpackt, wird sich zeigen. Man wolle den »besonderen historisch­e Kern« der Verfassung und die »sozialen und freiheitli­chen Grundrecht­e« erhalten, verspricht ihr Obmann in der Enquetekom­mission, Norbert Schmitt. Seine Partei wolle auch die Rechte der Opposition bei parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschü­ssen oder die Kontrollre­chte über Geheimdien­sttätigkei­ten verbessern, so Schmitt.

LINKE-Fraktionsc­hef Willi van Ooyen erklärte mit Blick auf den »Verfassung­skonvent«: »Wir werden den friedenspo­litischen Geist und die soziale Ordnung der Gesellscha­ft, wie sie in der Hessischen Verfassung festgelegt wurden, verteidige­n und dafür im Landtag und außerhalb aktiv sein.«

 ??  ?? ckennetz ist sechs Kilometer lang. Die rund 30-minütige Rundfahrt führt durch die 147 Hektar umfassende Gartenanla­ge mit weitläufig­en Wiesen und Wäldern, Skulpturen und dem imposanten
ckennetz ist sechs Kilometer lang. Die rund 30-minütige Rundfahrt führt durch die 147 Hektar umfassende Gartenanla­ge mit weitläufig­en Wiesen und Wäldern, Skulpturen und dem imposanten
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany