Wenn Schach die heilige Ruhe stört
Ein Schachturnier rief am Karfreitag – laut NRW-Gesetz ein »stiller Feiertag« und also vergnügungsfrei – in Herne die Behörden auf den Plan. Man jagte die Spieler von den Brettern. Das Buffet war hergerichtet, die Präsente für die besten Spieler türmten sich auf dem Tisch, die Paarungen der ersten Runde waren ausgelost. Doch dann trübte sich die Stimmung beim Schachverein »Unser Fritz« aus dem Herner Stadtteil Wanne-Eickel rasch ein und wurde recht unfröhlich. So wie es sich aus nordrhein-westfälischer Bürokratensicht geziemt für einen Karfreitag, also jenen Tag, an dem vor knapp 2000 Jahren der Stifter der christlichen Religion, Jesus von Nazareth, laut apostolischem Glaubensbekenntnis gekreuzigt wurde.
Der Karfreitag gilt auch in Nordrhein-Westfalen als stiller Feiertag, an dem unter anderem »sportliche und ähnliche Veranstaltungen einschließlich Pferderennen« zu unterbleiben haben. Also auch ein Schachturnier. So legt es das Feiertagsgesetz NRW fest, das haarklein normiert, wie die Freudlosigkeit konkret zu gestalten ist. Verboten sind insbesondere »Veranstaltungen, Theater- und musikalische Aufführungen, Filmvorführungen und Vorträge jeglicher Art, auch ernsten Charakters, während der Hauptzeit des Gottesdienstes«. Die »gewerbliche Annahme von Wetten« darf nur vor fünf Uhr morgens und nach 13 Uhr erfolgen. Die »Vorführung von Filmen, die nicht vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind«, ist bis Samstag, sechs Uhr früh, zu unterlassen.
Also kein Schach in Herne, weswegen das traditionelle »Osterblitzen« diesmal ausfallen musste. Kurz vor Beginn des Schnellschach-Turniers seien zwei Mitarbeiter des Ordnungsamtes »auf der Bildfläche erschienen«, heißt es auf der Webseite des SV »Unser Fritz«. »Sie teilten mit, dass sie aufgrund eines Hinweises hier seien und machten darauf aufmerksam, dass die Veranstaltung abgebrochen werden müsse und ein Bußgeld unvermeidlich sei.«
Die Verwaltungsmitarbeiter drohten demnach auch Kontrollen zur Durchsetzung des Verbots an: »Im Übrigen werde man in zwei bis drei Stunden erneut überprüfen, ob unser Osterblitzen tatsächlich abgebrochen wurde. Sollte das nicht der Fall sein, dann würde aus der fahrlässigen Handlung eine vorsätzliche, was den Preis nach oben treibt.«
»So haben wir dann die Kröte geschluckt und uns über das Buffet hergemacht«, so der Berichterstatter des SV »Unser Fritz«. Dem Vernehmen nach war die Kröte indes nicht Teil des Buffets. Das Turnier wurde um eine Woche vertagt. Offenbar hatte ein konkurrierender Verein die Schachspieler bei der Obrigkeit angeschwärzt.
In Hernes Nachbarstadt Bochum fand derweil aus Protest gegen das Feiertagsgesetz die gleichsam traditionelle, hochgradig illegale und äußerst medienwirksame Aufführung des satirischen Films »Das Leben des Brian« statt. 250 Menschen sahen sich den angestaubten Film an sowie zwei weitere an Karfreitag aus Behördensicht nicht zur Aufführung geeignete Kinowerke. Etliche Menschen mussten wegen Überfüllung der Halle abgewiesen werden.
Aufführungen in früheren Jahren führten zu einer juristischen Auseinandersetzung, die nach dem Willen des Aktivisten Martin Budich (»Religionsfrei im Revier«) vor dem Bundesverfassungsgericht enden wird. Budich will die Karfreitagsregelungen des Feiertagsgesetzes kippen, da sie aus seiner Sicht gegen die »negative Religionsfreiheit« verstießen und anachronistisch seien.