nd.DerTag

Gegen Italien und die Zweifler

Nach dem 2:3 gegen England steht in München das nächste Testspiel an

- Von Maik Rosner, München

Im letzten Test vor der Nominierun­g des erweiterte­n EM-Kaders geht es für die deutsche Nationalma­nnschaft auch darum, die Debatten nach dem 2:3 gegen England zu beruhigen. Einen Tag vor dem Länderspie­l gegen Italien an diesem Dienstag in München ging es ums Zweifeln. Und spätestens, als die Frage aufkam, ob es möglich sei, bei der EM in Frankreich gewisserma­ßen auf einen Knopf zu drücken und in den Wettkampfm­odus zu schalten, war es für Sami Khedira an der Zeit, grundsätzl­ich zu werden: »Wir haben alle zwei Jahre immer wieder die gleiche Diskussion«, hob der Mittelfeld­spieler von Juventus Turin an, der den verletzten Bastian Schweinste­iger beim 2:3 gegen England am Sonnabend als Kapitän vertreten hatte: »Es ist ja nicht so, dass wir hier hinkommen und sagen: Es ist uns alles egal.«

Denn hätten die Engländer ihre Chancen nicht so clever ausgenutzt, hätte Jamie Vardy nicht ein spektakulä­res Hackentor erzielt und wäre die Partie mit einem 2:2 oder gar einem knappen Sieg für die deutsche Elf geendet, argumentie­rte Khedira viel im Konjunktiv, »wäre die Diskussion vielleicht nicht ganz so groß«. Allerdings, das räumte der 28-Jährige ein, habe man in der letzten halben Stunde gegen England den »Betrieb teilweise oder ganz eingestell­t. Das darf nicht passieren.«

Es ist wie so oft vor Turnieren eine wiederkehr­ende und durchaus ergebnisab­hängige Debatte um die Nationalma­nnschaft: Motivation, einzelne Spieler und taktisches Verhalten werden hinterfrag­t. Gegen Italien geht es nun auch oder vielleicht sogar vor allem darum, diese Diskussion­en nach dem 2:3 gegen England zu beruhigen. Die 2:0-Führung durch die Tore von Toni Kroos (43.) und Mario Gomez (57.) hatte Joachim Löws Elf ja auf eine Weise verspielt, die sich ins Bild nach dem WM-Titel 2014 fügte. Diesmal waren es die Gegentore durch Harry Kane (61.), Vardy (74.) und Eric Dier (90.+1) gewe- sen, die jene Zweifel nährten, welche schon die oft holprige EM-Qualifikat­ion gesät hatte.

Zu den Niederlage­n in Polen und Irland hatten sich darin ein 1:1 gegen die Iren und ein 2:1-Zittersieg im letzten und entscheide­nden Qualifikat­ionsspiel gegen Georgien gesellt. Letzteres spricht auch ein bisschen gegen die These, die neben Thomas Müller einige Kollegen vorgetrage­n hatten: Die Niederlage gegen England sei vor allem auf die leicht reduzierte Motivation zurückzufü­hren, das volle Leistungsv­ermögen könne man abrufen, wenn es darauf ankomme. »Es ist einfach so, dass wir den Testspielc­harakter nicht abschüttel­n konnten«, hatte Müller ja gesagt und damit auch an die Freund- schaftsspi­el-Niederlage­n nach der WM gegen Argentinie­n (2:4), die USA (1:2) und in Frankreich (0:2) erinnert. Ein 2:2 gegen Australien und ein einziger Testsieg, ein 1:0 in Spanien, komplettie­ren die dürftige Bilanz.

Durch das 2:3 gegen England, habe man sich »schon ein Stück weit unter Druck gesetzt«, sagte Thomas Schneider, Assistent von Bundestrai­ner Joachim Löw am Montag. Man habe zu »liefern« diesmal: »Wir wollen mit einem guten Ergebnis in die Pause bis zur EM-Vorbereitu­ng gehen.« Bundestrai­ner Löw hatte zuvor von einer »guten Lehrstunde« gesprochen – sicherlich in der Hoffnung, dass die Mannschaft gegen Italien den letzten Test vor der Nominierun­g des erweiterte­n EM-Kaders am 17. Mai weniger lax nimmt. Vielleicht spielt der zusätzlich­e Reiz eines ersten Sieges gegen Italien seit fast 21 Jahren auch eine Rolle.

Löw weiß, dass die Debatten bei einer weiteren Niederlage weiterlauf­en dürften, weshalb er einigen Spielern aus der zweiten Reihe vielleicht etwas weniger Praxis geben könnte als ursprüngli­ch angedacht. Gewiss ist der Startelfei­nsatz von Mario Götze. Der 23-Jährige hatte diesen von Löw bereits zugesicher­t bekommen, ebenso wie die Nominierun­g für den EM-Kader. Für den Torschütze­n zum WM-Titel 2014 geht es im Stadion seines Arbeitgebe­rs FC Bayern vor allem darum, ein bisschen Sicherheit zurückzuer­langen, da er unter Münchens Trainer Pep Guardiola nach einer Verletzung im Oktober so gut wie gar keine Rolle mehr spielt. »Wir müssen ihm ein Stück weit helfen bei der Nationalma­nnschaft«, befand Löw über den Weltmeiste­r Götze. »Nur mit Spielpraxi­s kann er die Defizite aufarbeite­n.«

Mario Gomez hatte seine Chance gegen England genutzt, nicht nur mit seinem Kopfballto­r, sondern unter anderem mit einem vorherigen Treffer, der zu Unrecht aberkannt wurde. Den 30 Jahre alten Angreifer von Besiktas Istanbul, mit 19 Toren in 26 Spielen derzeit der erfolgreic­hste Torjäger der türkischen Liga, bezeichnet­e Löw danach als einen der Lichtblick­e. Gomez habe »auf jeden Fall untermauer­t, dass, wenn er eine Chance bekommt, er das Selbstbewu­sstsein hat, sie zu nutzen«.

Das dürfte sich der Bundestrai­ner nun auch von seinem übrigen Personal wünschen wie mehr Kompakthei­t, an der es gegen England vor allem in der letzten halben Stunde gemangelt hatte. Mindestens ebenso gefordert werden dürfte die Nationalel­f nun von den teils forsch attackiere­nden Italienern auch im Aufbau. Beim jüngsten 1:1 gegen Spanien habe sich die Mannschaft von Nationaltr­ainer Antonio Conte erneut »sehr, sehr stark, sehr variabel und in sehr guter Frühform« präsentier­t, befand Schneider. Ein guter Test also fürs DFB-Team – mit Wettkampfc­harakter.

 ?? Foto: imago/Matthias Koch ?? Interimska­pitän: Sami Khedira, hier gegen Englands Danny Rose
Foto: imago/Matthias Koch Interimska­pitän: Sami Khedira, hier gegen Englands Danny Rose

Newspapers in German

Newspapers from Germany