Gegen Italien und die Zweifler
Nach dem 2:3 gegen England steht in München das nächste Testspiel an
Im letzten Test vor der Nominierung des erweiterten EM-Kaders geht es für die deutsche Nationalmannschaft auch darum, die Debatten nach dem 2:3 gegen England zu beruhigen. Einen Tag vor dem Länderspiel gegen Italien an diesem Dienstag in München ging es ums Zweifeln. Und spätestens, als die Frage aufkam, ob es möglich sei, bei der EM in Frankreich gewissermaßen auf einen Knopf zu drücken und in den Wettkampfmodus zu schalten, war es für Sami Khedira an der Zeit, grundsätzlich zu werden: »Wir haben alle zwei Jahre immer wieder die gleiche Diskussion«, hob der Mittelfeldspieler von Juventus Turin an, der den verletzten Bastian Schweinsteiger beim 2:3 gegen England am Sonnabend als Kapitän vertreten hatte: »Es ist ja nicht so, dass wir hier hinkommen und sagen: Es ist uns alles egal.«
Denn hätten die Engländer ihre Chancen nicht so clever ausgenutzt, hätte Jamie Vardy nicht ein spektakuläres Hackentor erzielt und wäre die Partie mit einem 2:2 oder gar einem knappen Sieg für die deutsche Elf geendet, argumentierte Khedira viel im Konjunktiv, »wäre die Diskussion vielleicht nicht ganz so groß«. Allerdings, das räumte der 28-Jährige ein, habe man in der letzten halben Stunde gegen England den »Betrieb teilweise oder ganz eingestellt. Das darf nicht passieren.«
Es ist wie so oft vor Turnieren eine wiederkehrende und durchaus ergebnisabhängige Debatte um die Nationalmannschaft: Motivation, einzelne Spieler und taktisches Verhalten werden hinterfragt. Gegen Italien geht es nun auch oder vielleicht sogar vor allem darum, diese Diskussionen nach dem 2:3 gegen England zu beruhigen. Die 2:0-Führung durch die Tore von Toni Kroos (43.) und Mario Gomez (57.) hatte Joachim Löws Elf ja auf eine Weise verspielt, die sich ins Bild nach dem WM-Titel 2014 fügte. Diesmal waren es die Gegentore durch Harry Kane (61.), Vardy (74.) und Eric Dier (90.+1) gewe- sen, die jene Zweifel nährten, welche schon die oft holprige EM-Qualifikation gesät hatte.
Zu den Niederlagen in Polen und Irland hatten sich darin ein 1:1 gegen die Iren und ein 2:1-Zittersieg im letzten und entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Georgien gesellt. Letzteres spricht auch ein bisschen gegen die These, die neben Thomas Müller einige Kollegen vorgetragen hatten: Die Niederlage gegen England sei vor allem auf die leicht reduzierte Motivation zurückzuführen, das volle Leistungsvermögen könne man abrufen, wenn es darauf ankomme. »Es ist einfach so, dass wir den Testspielcharakter nicht abschütteln konnten«, hatte Müller ja gesagt und damit auch an die Freund- schaftsspiel-Niederlagen nach der WM gegen Argentinien (2:4), die USA (1:2) und in Frankreich (0:2) erinnert. Ein 2:2 gegen Australien und ein einziger Testsieg, ein 1:0 in Spanien, komplettieren die dürftige Bilanz.
Durch das 2:3 gegen England, habe man sich »schon ein Stück weit unter Druck gesetzt«, sagte Thomas Schneider, Assistent von Bundestrainer Joachim Löw am Montag. Man habe zu »liefern« diesmal: »Wir wollen mit einem guten Ergebnis in die Pause bis zur EM-Vorbereitung gehen.« Bundestrainer Löw hatte zuvor von einer »guten Lehrstunde« gesprochen – sicherlich in der Hoffnung, dass die Mannschaft gegen Italien den letzten Test vor der Nominierung des erweiterten EM-Kaders am 17. Mai weniger lax nimmt. Vielleicht spielt der zusätzliche Reiz eines ersten Sieges gegen Italien seit fast 21 Jahren auch eine Rolle.
Löw weiß, dass die Debatten bei einer weiteren Niederlage weiterlaufen dürften, weshalb er einigen Spielern aus der zweiten Reihe vielleicht etwas weniger Praxis geben könnte als ursprünglich angedacht. Gewiss ist der Startelfeinsatz von Mario Götze. Der 23-Jährige hatte diesen von Löw bereits zugesichert bekommen, ebenso wie die Nominierung für den EM-Kader. Für den Torschützen zum WM-Titel 2014 geht es im Stadion seines Arbeitgebers FC Bayern vor allem darum, ein bisschen Sicherheit zurückzuerlangen, da er unter Münchens Trainer Pep Guardiola nach einer Verletzung im Oktober so gut wie gar keine Rolle mehr spielt. »Wir müssen ihm ein Stück weit helfen bei der Nationalmannschaft«, befand Löw über den Weltmeister Götze. »Nur mit Spielpraxis kann er die Defizite aufarbeiten.«
Mario Gomez hatte seine Chance gegen England genutzt, nicht nur mit seinem Kopfballtor, sondern unter anderem mit einem vorherigen Treffer, der zu Unrecht aberkannt wurde. Den 30 Jahre alten Angreifer von Besiktas Istanbul, mit 19 Toren in 26 Spielen derzeit der erfolgreichste Torjäger der türkischen Liga, bezeichnete Löw danach als einen der Lichtblicke. Gomez habe »auf jeden Fall untermauert, dass, wenn er eine Chance bekommt, er das Selbstbewusstsein hat, sie zu nutzen«.
Das dürfte sich der Bundestrainer nun auch von seinem übrigen Personal wünschen wie mehr Kompaktheit, an der es gegen England vor allem in der letzten halben Stunde gemangelt hatte. Mindestens ebenso gefordert werden dürfte die Nationalelf nun von den teils forsch attackierenden Italienern auch im Aufbau. Beim jüngsten 1:1 gegen Spanien habe sich die Mannschaft von Nationaltrainer Antonio Conte erneut »sehr, sehr stark, sehr variabel und in sehr guter Frühform« präsentiert, befand Schneider. Ein guter Test also fürs DFB-Team – mit Wettkampfcharakter.