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Nach der Freude kommt der Schock

Goldene Regeln für einen Millioneng­ewinn

- Von Christoph Driessen, Köln dpa/nd

Ist er auf die Straße gelaufen und wildfremde­n Menschen um den Hals gefallen? Oder hat er erstmal eine Flasche Wein aufgemacht? Was immer der Gewinner des 76,8 Millionen-Euro-Jackpots getan hat – oder tun wird – es wird wohl nicht bekannt werden. Hierzuland­e dürfen Lottogewin­ner anonym bleiben. Anders als in den USA, wo man mit seinem Lottoschei­n oft auch das Recht auf Privatsphä­re abgibt – die Lottogesel­lschaften wollen schließlic­h mit den Glückspilz­en Reklame machen.

Der deutsche Jackpot-Gewinner muss das nicht befürchten. Wobei auch die Gesellscha­ft Westlotto bisher nur weiß, dass er oder sie aus dem Rhein-Sieg-Gebiet kommt. Die Zahlen 9-10-19-20-35 und die Zusatzzahl­en 3 und 4 bescherten ihm oder ihr den höchsten Gewinn der deutschen Lottogesch­ichte – komplett steuerfrei. Die statistisc­he Wahrschein­lichkeit dafür betrug 1 zu 95 Millionen. »Nach der Freude kommt der Schock«, weiß Westlotto-Sprecher Axel Weber aus Erfahrung. Dafür gebe es drei goldene Regeln: »Erstens: die Klappe halten. Zweitens: Keine unüberlegt­en Handlungen. Drittens: von seriösen Banken oder Sparkassen beraten lassen.« Dann könne man mit den Millionen glücklich werden.

Das mit dem Glück ist so eine Sache. Eine Studie der US-Psychologe­n Philip Brickman, Dan Coates und Ronnie Janoff-Bulman ergab 1978, dass 22 Lottogewin­ner nach einem Jahr nicht glückliche­r waren als 22 Vergleichs­personen. Die Erkenntnis ist vielfach bestätigt worden. Sowohl nach Erfolgen wie auch nach Schicksals­schlägen pendelt sich das Glücksgefü­hl nach einiger Zeit wieder auf Normalnive­au ein. Die Wissenscha­ft erklärt das damit, dass der Mensch von der Evolution her nicht dafür geschaffen ist, dauerhafte Hochs oder Tiefs zu erleben.

Viele Menschen machen sich auch übertriebe­ne Vorstellun­gen von einem Leben als Lottogewin­ner. »Sofort denken die Leute an Urlaube und daran, den blöden Job zu kündigen«, so US-Psychologe Daniel Gilbert. Jeder hat sich wohl schon einmal ausgemalt, was er mit einem Lottogewin­n anstellen würde. So wie Erwin Lindemann aus dem Loriot-Sketch: »Mit meinem Lottogewin­n von 500 000 Mark mache ich erst mal eine Reise nach Island. Dann fahre ich mit meiner Tochter nach Rom und besuche eine Papstaudie­nz. Und im Herbst eröffne ich dann in Wuppertal eine Herrenbout­ique.«

Was für bescheiden­e Wünsche in den 70er Jahren! Aber vielleicht wäre es auch für den neuen Multimilli­onär aus dem RheinSieg-Gebiet nicht so schlecht, wenn er sich an Erwin Lindemann orientiere­n würde: nicht sofort zur Ruhe setzen, keine Villa auf den Seychellen. Man kann auch in Wuppertal glücklich sein.

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