Die Döbeln Papers
Schlechte Briefkästen, gute Briefkästen: Besuch bei Deutschlands ältestem Hersteller
Berlin. Dass der Bundestag sich mit den Praktiken von Briefkastenfirmen befassen wird – Thomas Kolbe kann es egal sein. Dabei führt er Deutschlands älteste Briefkastenfirma im sächsischen Döbeln, die Postbehälter für alle Gelegenheiten herstellt. Und das ziemlich erfolgreich; für dieses Jahr rechnet Kolbe mit zweistelligem Wachstum. Die Enthüllungen über weltweiten Steuerbetrug mit Hilfe von Scheinfirmen in Panama und anderswo kann Kolbe auch aus einem anderen Grund gelassen verfolgen: Er deponiert das Geld seiner Firma bei der Genossenschaftsbank, wie nd-Reporter Hendrik Lasch beim Besuch in Döbeln erfuhr.
Ziemlich unentspannt geht dagegen die Politik mit den sogenannten Panama Papers um. Deren Brisanz ist noch gar nicht vollständig bekannt, doch der politische Handlungsdruck ist schon enorm. In Island amtiert nun ein neuer Premier, weil der bisherige Amtsinhaber mit einer Firma in den »Panama Papers« auftauchte. Der argentinische Präsident wurde wegen Steuerflucht verklagt – er ist an zwei Offshore-Firmen beteiligt. Die Meldungen über dubiose Vermögensverschiebungen einflussreicher chinesischer Familien häufen sich.
In Deutschland steht die Regierung in der Kritik. Linksfraktionschefin Sahra Wagen- knecht wirft ihr vor, die »Geschäftspraktiken der Finanzmafia nicht wirkungsvoll unterbunden« zu haben. Und die Grünen-Politikerin Lisa Paus erklärte, Deutschland agiere »gegenüber ausländischen Anlegern in Teilen selbst wie eine Steueroase«.
Die Länderfinanzminister forderten am Donnerstag übrigens mehr Transparenz bei Briefkastenfirmen. Davon allerdings dürfte Briefkastenbauer Kolbe aus Döbeln bei seinen Produkten nichts halten. Denn was in den von ihm ausgelieferten Kästen landet, geht tatsächlich nur die Besitzer etwas an.
Die rechtsextreme Front National (FN), die sich gern als lauteres Gegengewicht zur korrupten Politikerkaste der traditionellen Parteien in Frankreich darstellt, kann ihren Saubermannnimbus schwerlich aufrechterhalten. Den »Panama Papers« zufolge haben mindestens zwei enge Mitarbeiter der Parteivorsitzenden Marine Le Pen über Panama eingerichtete Offshore-Firmen genutzt, um Geld am Fiskus vorbei ins Ausland zu schaffen.
Einer davon ist Frédéric Châtillon, der mit seiner Kommunikationsagentur Riwal seit 20 Jahren Propaganda für die FN macht. Der andere Beschuldigte ist der Steuerberater Nicolas Crochet. Beide sind keine unbeschriebenen Blätter, denn gegen sie und weitere sieben Personen aus dem engsten Kreis um Marine Le Pen laufen bei der französischen Justiz bereits seit Monaten Untersuchungsverfahren wegen Betruges und Urkundenfälschung im Zusammenhang mit der illegalen Finanzierung der Kampagne von Marine Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen 2012. Außerdem läuft ein Verfahren gegen die FNAbgeordnetengruppe im Europäischen Parlament. Sie soll Mitarbeiter der Pariser Parteizentrale dem Parlament gegenüber als persönliche Berater deklariert und dafür unrechtmäßig mehrere Millionen Euro kassiert haben.
In den Panama Papers taucht aber indirekt auch der Gründer und langjährige Vorsitzende der FN, Jean-Marie Le Pen, auf. Dessen Butler Gérald Gérin hat eingeräumt, dass die panamaische Anwaltskanzlei Mossack Fonseca für ihn die Offshore-Firma Balteron eingerichtet hat, bei der ein Vermögen von nahezu zwei Million Euro lagert. Auch wenn Le Pen Senior behauptet, davon nichts gewusst zu haben, kann man davon ausgehen, dass es sich in Wirklichkeit um sein Geld handelt, das er vor den französischen Steuerbehörden verstecken wollte.
Parteichefin Marine Le Pen und ihre engsten Mitarbeiter nutzen seit Dienstag jede Möglichkeit zur Äußerung in den Medien, um ihre Abwehrthese zu verbreiten: Es handele sich um eine Verleumdungskampagne, um die Chancen der FN-Vorsitzenden bei den Präsidentschaftswahlen 2017 zu schmälern. Ganz offensichtlich macht sich Marine Le Pen nicht erst seit den neuesten Enthüllungen ernsthafte Sorgen um ihre Zukunft und die ihrer Partei. Seit der Regionalwahl, bei der die FN zwar relativ hohe Stimmanteile erhielt, trotzdem aber keine Präsidentschaft des Regionalrates übernehmen konnte, macht sich in den eigenen Reihen Pessimismus breit.
Ein streng abgeschirmter Krisengipfel der Parteiführung hat sich kürzlich mit der Strategie für den Präsidentschaftswahlkampf 2017 befasst und festgelegt, dass sich Marine Le Pen bis auf weiteres mit öffentlichen Auftritten zurückhalten wird. Der Grund sind schlechte Umfragewerte. 67 Prozent der befragten Franzosen bezeichneten Marine Le Pen kürzlich als »sektiererisch« und 73 Prozent als »aggressiv«. »Das müssen wir schleunigst korrigieren«, schätzt ein Berater der Parteivorsitzenden ein.
Das Angstpotenzial der FN hat inzwischen auch die Regierung für sich erkannt. Premierminister Manuel Valls warnte unlängst davor, dass »die Front National einen Bürgerkrieg in Frankreich entfachen kann«. Um gegenzuhalten, hat die Partei ein Plakat herausgebracht, auf dem Marine Le Pen träumerisch in die Ferne schaut und die Losung »Frankreich beruhigt« prangt. In der Partei brodelt es aber weiter. Längst wird ein Namenswechsel diskutiert. Die Vorschläge »National-republikanische Front« und »Die Patrioten« lassen jedoch keine inhaltliche Neuausrichtung erkennen.