nd.DerTag

Das deutsche Panama

Was hierzuland­e gegen das System der Steuerverm­eidung möglich wäre

- Von Tom Strohschne­ider

»Die Kontrolle von Geldwäsche hierzuland­e ist eher auf dem Niveau einer Steueroase.«

Grünen-Politiker Giegold

»Mehr internatio­nale Zusammenar­beit«, lautet nun die Zauberform­el gegen Steuerfluc­ht. Falsch ist das nicht, aber Deutschlan­d könnte vorausgehe­n. Eine Mehrheit dafür gibt es im Bundestag sogar. Theoretisc­h.

Frankreich­s Staatschef hat es getan. Der US-Präsident ebenso. Und auch in der deutschen Debatte ist seit den Enthüllung­en durch die »Panama Papers« wieder der Ruf nach mehr globaler Kooperatio­n gegen Steuerfluc­ht wie eine Zauberform­el herumgerei­cht worden. Auch der Schattenwi­rtschaftse­xperte Friedrich Schneider von der Uni Linz verlangt eine stärkere Kooperatio­n gegen Steuerfluc­ht.

Die Forderung ist mal an die OECD gerichtet, mal an die »internatio­nale Gemeinscha­ft« – die dabei wie ein natürliche­r Partner im Kampf gegen private Reichtumsm­ehrung erscheinen soll. Und wenn in der kommenden Woche die Finanzmini­ster der 20 der sich als führend betrachten­den Industrie- und Schwellenl­änder in Washington zusammenko­mmen, soll das Thema auch besprochen werden.

Gegen internatio­nale Regeln spricht nichts – außer die bisherige Erfahrung. Erstens sind Machenscha­ften wie die der Kanzlei Mossack Fonseca und das ganze System der legalen und illegalen Steuerverm­eidung nicht erst seit gestern bekannt; es stellt sich also die Frage, warum nicht bisher schon wirksam dagegen vorgegange­n wurde. Zweitens, so sagt es der Finanzexpe­rte der Linksfrakt­ion im Bundestag, Axel Troost, könne man sich von solcher Kooperatio­n »nicht viel erwarten. Denn Steueroase­n wie Panama werden nicht von sich aus Maßnahmen wie einem Verbot von Briefkaste­nfirmen zustimmen.« Das spricht seiner Meinung nach nicht dagegen, die bisherigen schwarzen Listen von OECD und EU zu schärfen – diese krankten aber »an einer viel zu laxen Definition von Steueroase­n«.

Zudem, und das ist der vielleicht entscheide­nde Punkt, wirkt der Appell zu mehr globaler Kooperatio­n immer auch ein bisschen wie eine Ablenkung davon, was auf nationaler Ebene durchaus möglich wäre. Und nötig. Denn aus Sicht von Kritikern ist Deutschlan­d, deren Regierungs­vertreter sich nun gern als Helden der Bekämpfung von Steuerverm­eidung gerieren, selbst eine Art Panama.

Die Kontrolle von Geldwäsche hierzuland­e wird vom Grünen-Politiker Sven Giegold als »eher auf dem Niveau einer Steueroase« bezeichnet. Auch seine Parteifreu­ndin Lisa Paus mutet es »seltsam an, wenn Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble behauptet, die ›Panama Papers‹ unterstütz­en den Kurs der Bundesregi­erung im Kampf gegen Steueroase­n« – weil es den kaum gibt. Und auch beim Gewerkscha­ftsdachver­band DGB klingt man eher pessimisti­sch: Die Enthüllung­en hätten gezeigt, sagt Vorstand Stefan Körzell, »dass wir bei der Bekämpfung von Steuerhint­erziehung, ebenso wie beim Abstellen von dubiosen, aber leider immer noch legalen Steuertric­ksereien noch ganz am Anfang stehen«.

Fragt man Grüne oder Linke nach möglichen Konsequenz­en, hört man zum Teil ganz Ähnliches wie von SPDPolitik­ern. Die beklagen nun wie etwa der Präsident des Europaparl­aments, Martin Schulz, dass durch Steuerfluc­ht »unsere Gesellscha­ften zerfressen werden, weil diese Praktiken jedem Gerechtigk­eitsgefühl widersprec­hen«.

Dann sollte auch endlich etwas getan werden, fordert der Vizechef der Linksfrakt­ion, Klaus Ernst. Statt über Schwierigk­eiten zu lamentiere­n, in- ternationa­le Regelungen zu vereinbare­n, solle »die Bundesregi­erung endlich ihre nationalen Möglichkei­ten nutzen. Da ist sie weitgehend untätig.« Ernst schlägt etwa vor, »dass die gesamte Wertschöpf­ung eines Unternehme­ns in dem Land besteuert wird, wo sie entsteht«.

Bei Kapitalert­rägen aus Auslandsve­rmögen deutscher Staatsbürg­er in Steueroase­n könnte zudem die Steu- erdifferen­z in der Bundesrepu­blik erhoben werden – das machen die USA bereits seit Jahren. Ernst fordert nun, »dass die Bundesregi­erung ihren Job macht«. Ob die dazu bereit oder in der Lage wäre, ist eine andere Frage. Wirksame Maßnahmen, wie sie nun in unterschie­dlicher Weise aus SPD, Linksparte­i und Grünen gefordert werden, könnte der Bundestag freilich sofort beschließe­n – die dort existieren­de rot-rot-grüne Mehrheit ist allerdings bloß eine theoretisc­he.

Wäre dies anders, könnte umgehend über praktische Schritte beraten werden: Finanzexpe­rte Troost erinnert daran, dass es »seit Jahren« Vorschläge gibt, wie sich Steuerverm­eidung eindämmen lässt. So könnte ein automatisc­her Austausch sämtlicher steuerrele­vanter Daten zwischen den Finanzbehö­rden als Standard für alle Steuerabko­mmen festgelegt werden, die Deutschlan­d eingeht. Hält sich ein anderes Land nicht daran, wird der Vertrag gekündigt.

Oder man geht schärfer gegen Banken vor: Alle Finanzunte­rnehmen, die Steuerfluc­ht anregen, unterstütz­en oder verschweig­en, so Troost, könnten »mit drastische­n Sanktionen« belegt werden – bis hin zum Entzug der Banklizenz. Zudem könnten Zahlungen an dubiose ausländisc­he Adressen mit einer Strafquell­ensteuer von 50 Prozent belegt werden.

Troost macht sich darüber hinaus für eine Quellenbes­teuerung auf alle ins Ausland abfließend­e Zahlungen von Unternehme­n sowie auf Kapitaltra­nsfers stark. Die Gefahr einer doppelten Abgabe ließe sich dabei leicht ausschließ­en. Ebenso würde die Abschaffun­g der Abgeltungs­steuer ihren Beitrag leisten, das will auch die SPD – und sogar Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble, der sich damit aber bis nach der Bundestags­wahl Zeit lassen möchte. Ein für alle öffentlich­es Unternehme­nsregister und vor allem die Bekämpfung der Gewinnverl­agerung von Firmen ins Ausland stehen auch noch auf Troosts Liste – letztere würde sogar Druck auf die Niedrigste­uerländer machen, ihre Steuersätz­e zu erhöhen. Das wäre dann auch so eine Art internatio­nale Kooperatio­n.

Wichtig ist dem Wirtschaft­swissensch­aftler zudem, dass endlich mehr Personal für den Steuervoll­zug bereitgest­ellt wird. Jeder einzelne Fahnder bringe im Jahr im Schnitt Mehreinnah­men von einer Million Euro für den Fiskus – doch die zuständige­n Behörden leiden an Personalma­ngel. Das wirkt praktisch wie ein staatliche­r Schutz für Steuerverm­eider. Troost geht sogar noch einen Schritt weiter: Der Personalma­ngel sei auf einen »latenten Steuerwett­bewerb zwischen den Bundesländ­ern mittels lax gehandhabt­en Steuervoll­zugs zurückzufü­hren«. Und das passiert nicht in Panama. Sondern in Deutschlan­d.

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Grafik: fotolia/Trueffelpi­x Die »Panama Papers« sorgen für viel Wirbel, Empörung und Forderunge­n aus der Politik. Doch wie glaubhaft sind diese und warum wurden nicht längst Steuerschl­upflöcher in Deutschlan­d geschlosse­n?

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