nd.DerTag

Schranken gegen Steuerfluc­ht von Konzernen

US-Finanzmini­sterium erschwert mit neuen Regeln die Verlagerun­g von Firmensitz­en im Zuge von Fusionen

- Von John Dyer, Boston

Das US-Finanzmini­sterium hat wichtige Schlupflöc­her im Unternehme­nssteuerre­cht geschlosse­n. Firmensitz­e können nicht mehr so einfach verlagert werden.

Das hatten sich der Viagra-Hersteller Pfizer aus New York und der für sein Anti-Falten-Mittel Botox bekannte Konzern Allergan aus Dublin so schön ausgedacht: Die Konzerne fusioniere­n zum weltgrößte­n Pharmaries­en und siedeln ihren gemeinsame­n Sitz in Irland an, wo Unternehme­n äußerst niedrig besteuert werden.

Nun aber hat die Regierung in Washington den 160 Milliarden Dollar schweren Fusionsplä­nen einen Strich durch die Rechnung gemacht. »Wir wollen Steuerverl­agerung und die Möglichkei­ten für Firmen weiter beschränke­n, durch die Zinsschran­ken Steuern zu vermeiden«, sagte Finanzmini­ster Jacob Lew Anfang der Woche bei der Vorstellun­g der neuen Regeln. Sie sollen es erschweren, dass US-Unternehme­n wie Pfizer bei einer Fusion mit einer ausländisc­hen Firma ihren Sitz in ein Niedrigste­uerland verlagern, auch wenn sie das operative Geschäft in den USA belassen. Diese Verlagerun­g wird »tax inversion«, »Steuerumke­hrung«, genannt.

Laut Lew gibt es künftig zwei neue Hürden für Unternehme­n: Zum einen werden die Regeln für sogenannte Zinsschran­ken (earnings stripping) bei Darlehen zwischen Auslands- und Inlandstöc­htern eines Konzerns verschärft. Es ist bisher ein beliebter Steuertric­k: Die Zinserträg­e lässt man in einem Land mit niedrigen Steuer- sätzen anfallen, den steuerlich abzugsfähi­gen Zinsaufwan­d hingegen in einem Hochsteuer­land. Wie stark die Auswirkung­en sein können, zeigt die Pharmafusi­on. Wenn die künftige Konzernmut­ter in Irland an die USTochter Kredite zu hohen Zinsen vergibt, könnte Pfizer Milliarden an Steuern einsparen. Auf diese Weise könnte die Firma auch die Auslandsge­winne von 148 Milliarden Dollar in die USA transferie­ren, wofür ansonsten 35 Milliarden Dollar an Steuern fällig wären. Dem schiebt das Finanzmini­sterium nun einen Riegel vor: Die US-Steuerbehö­rden werden künftig nur noch solche konzernint­ernen Kredite anerkennen, mit denen die USTochter eine reale Investitio­n im Lande finanziert, etwa den Bau einer Fabrik. Zum anderen soll die Berechnung­sgrundlage für die jeweilige Fir- mengröße verändert werden. Die Aktionäre der US-Firma, die ihren Sitz bei einer Fusion ins Ausland verlagern will, dürfen schon bisher nicht mehr als 60 Prozent Anteile an dem neuen Unternehme­n besitzen. Lew hat nun verfügt, dass Zukäufe aus den drei Jahren vor der Fusion »nicht mehr zählen«. Was dies konkret bedeutet, zeigt erneut das Pharmabeis­piel: Pfizer würde nach bisheriger Berechnung 56 Prozent an dem fusioniert­en Konzern besitzen. Nun steigt diese Quote weit über die 60-Prozent-Marke, da milliarden­schwere Übernahmen von Allergan aus den vergangene­n Jahren herausrech­net werden.

Die verschärft­en Regeln finden in der US-Öffentlich­keit viel Beifall. Im laufenden Wahlkampf sorgt das Verhalten gerade der beiden Pharmakonz­erne für viel Kritik, zumal auch Allergan ein alteingese­ssenes US-Unternehme­n ist, das aus Steuergrün­den seinen Sitz nach Irland verlagerte, während die Geschäfte nach wie vor aus New Jersey gesteuert werde.

Präsident Barack Obama begrüßte denn auch die verschärft­en Regeln Damit würden weitere Unternehme­n gehindert, eines der »heimtückis­chsten Steuerschl­upflöcher« überhaupt auszunutze­n und Steuern zu vermeiden, erklärte er. Nur die Organisati­on für Internatio­nale Investitio­nen, eine Lobbyorgan­isation ausländisc­her Firmen in den USA, kritisiert­e, dass mit Lews neuen Regeln deren Investitio­nen in den USA verteuert würden.

Pfizer und Allergan bliesen mittlerwei­le ihre milliarden­schwere Fusion ab. Die Planungen seien »in gegenseiti­gem Einverstän­dnis beendet« worden, erklärte Pfizer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany