Schranken gegen Steuerflucht von Konzernen
US-Finanzministerium erschwert mit neuen Regeln die Verlagerung von Firmensitzen im Zuge von Fusionen
Das US-Finanzministerium hat wichtige Schlupflöcher im Unternehmenssteuerrecht geschlossen. Firmensitze können nicht mehr so einfach verlagert werden.
Das hatten sich der Viagra-Hersteller Pfizer aus New York und der für sein Anti-Falten-Mittel Botox bekannte Konzern Allergan aus Dublin so schön ausgedacht: Die Konzerne fusionieren zum weltgrößten Pharmariesen und siedeln ihren gemeinsamen Sitz in Irland an, wo Unternehmen äußerst niedrig besteuert werden.
Nun aber hat die Regierung in Washington den 160 Milliarden Dollar schweren Fusionsplänen einen Strich durch die Rechnung gemacht. »Wir wollen Steuerverlagerung und die Möglichkeiten für Firmen weiter beschränken, durch die Zinsschranken Steuern zu vermeiden«, sagte Finanzminister Jacob Lew Anfang der Woche bei der Vorstellung der neuen Regeln. Sie sollen es erschweren, dass US-Unternehmen wie Pfizer bei einer Fusion mit einer ausländischen Firma ihren Sitz in ein Niedrigsteuerland verlagern, auch wenn sie das operative Geschäft in den USA belassen. Diese Verlagerung wird »tax inversion«, »Steuerumkehrung«, genannt.
Laut Lew gibt es künftig zwei neue Hürden für Unternehmen: Zum einen werden die Regeln für sogenannte Zinsschranken (earnings stripping) bei Darlehen zwischen Auslands- und Inlandstöchtern eines Konzerns verschärft. Es ist bisher ein beliebter Steuertrick: Die Zinserträge lässt man in einem Land mit niedrigen Steuer- sätzen anfallen, den steuerlich abzugsfähigen Zinsaufwand hingegen in einem Hochsteuerland. Wie stark die Auswirkungen sein können, zeigt die Pharmafusion. Wenn die künftige Konzernmutter in Irland an die USTochter Kredite zu hohen Zinsen vergibt, könnte Pfizer Milliarden an Steuern einsparen. Auf diese Weise könnte die Firma auch die Auslandsgewinne von 148 Milliarden Dollar in die USA transferieren, wofür ansonsten 35 Milliarden Dollar an Steuern fällig wären. Dem schiebt das Finanzministerium nun einen Riegel vor: Die US-Steuerbehörden werden künftig nur noch solche konzerninternen Kredite anerkennen, mit denen die USTochter eine reale Investition im Lande finanziert, etwa den Bau einer Fabrik. Zum anderen soll die Berechnungsgrundlage für die jeweilige Fir- mengröße verändert werden. Die Aktionäre der US-Firma, die ihren Sitz bei einer Fusion ins Ausland verlagern will, dürfen schon bisher nicht mehr als 60 Prozent Anteile an dem neuen Unternehmen besitzen. Lew hat nun verfügt, dass Zukäufe aus den drei Jahren vor der Fusion »nicht mehr zählen«. Was dies konkret bedeutet, zeigt erneut das Pharmabeispiel: Pfizer würde nach bisheriger Berechnung 56 Prozent an dem fusionierten Konzern besitzen. Nun steigt diese Quote weit über die 60-Prozent-Marke, da milliardenschwere Übernahmen von Allergan aus den vergangenen Jahren herausrechnet werden.
Die verschärften Regeln finden in der US-Öffentlichkeit viel Beifall. Im laufenden Wahlkampf sorgt das Verhalten gerade der beiden Pharmakonzerne für viel Kritik, zumal auch Allergan ein alteingesessenes US-Unternehmen ist, das aus Steuergründen seinen Sitz nach Irland verlagerte, während die Geschäfte nach wie vor aus New Jersey gesteuert werde.
Präsident Barack Obama begrüßte denn auch die verschärften Regeln Damit würden weitere Unternehmen gehindert, eines der »heimtückischsten Steuerschlupflöcher« überhaupt auszunutzen und Steuern zu vermeiden, erklärte er. Nur die Organisation für Internationale Investitionen, eine Lobbyorganisation ausländischer Firmen in den USA, kritisierte, dass mit Lews neuen Regeln deren Investitionen in den USA verteuert würden.
Pfizer und Allergan bliesen mittlerweile ihre milliardenschwere Fusion ab. Die Planungen seien »in gegenseitigem Einverständnis beendet« worden, erklärte Pfizer.