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Nur Platz 13 für Panama

- Werner Rügemer findet die Empörung über Briefkäste­nfirmen in Mittelamer­ika heuchleris­ch

Steueroase Panama: Welcher Aufwand, um den Hinterzieh­ungsstando­rt aufzumisch­en, der in der Weltrangli­ste bestenfall­s auf Platz 13 steht! Dabei besteht das organisier­te Briefkaste­ngewerbe seit Jahrzehnte­n. CDU, CSU und FDP wurden seit der Gründung der Bundesrepu­blik von Deutsche Bank, Siemens & Co. über Briefkaste­nfirmen in der Schweiz und Liechtenst­ein finanziert. Einer der besten Freunde von Ex-Bundeskanz­ler Helmut Kohl war Herbert Batliner, dem die größte Briefkaste­nagentur des Fürstentum­s Liechtenst­ein gehörte.

In den 1990er Jahren vermittelt­en Dresdner Bank, Westdeutsc­he Landesbank & Co. für ihre Kunden zehntausen­de Briefkaste­nfirmen im Großherzog­tum Luxemburg. »Schneewitt­chen« und »Mausebär« lauteten Tarnnamen solcher juristisch­en Konstrukte, in denen deutsche Multimilli­onäre ihre Gelder, Aktienpake­te und Immobilien versteckte­n. Diese Steueroase hat übrigens der damalige Finanzmini­ster, Ministerpr­äsident und Christdemo­krat Jean-Claude Juncker weiter ausgebaut, ein anderer bester Freunde von Kohl. Razzien, Skandale, ein paar milde Verurteilu­ngen – alles vergessen, keine Konsequenz­en.

Die Panama-Aufklärer sprechen von individuel­len Nutzern wie Politiker aus Island, Saudi-Arabien und der Ukraine. Aber der Begriff »Steueroase« täuscht. Er wiederholt das Klischee der Schweiz, die lange die individuel­le Steuerhint­erziehung für ausländisc­he Reiche und Diktatoren­clans zum Geschäftsm­odell entwickelt­e. Die Steueroase­n heute sind Finanzoase­n, die viel umfassende­re Dienstleis­tungen anbieten. Der zugleich größere Schaden für die öffentlich­en Haushalte entsteht dadurch, dass Konzerne, Banken und Versicheru­ngen hierhin ihre Finanzabte­ilungen in Briefkaste­nfirmen ausglieder­n, über sie Kredite vergeben, ihre weltweiten Lizenzen verwalten und auf eingehende Gewinne, Zinsen und Gebühren kaum Steuern zahlen.

Führend in der EU sind die Finanzoase­n Luxemburg und die Niederland­e. Ihre politische­n Vertreter haben dort auch den größten Einfluss: Juncker als Präsident der Eu- ropäischen Kommission, der niederländ­ische Finanzmini­ster Jeroen Dijsselblo­em als Vorsitzend­er der Euro-Gruppe. Die Luxemburge­r Justiz verfolgt Antoine Deltour, den Whistleblo­wer, der die Luxemburg Leaks in Gang setzte. Er machte die »tax rulings« öffentlich: Ministeuer­n für internatio­nale Konzerne wie Apple, Pepsico, Deutsche Bank und E.on. Organisier­t hat das der US-Wirtschaft­sprüferkon­zern Price Waterhouse Coopers, der in dem Ministaat mit 2500 Mitarbeite­rn vertreten ist. In den Niederland­en kann die Deutsche Bank-Tochter Intertrust Holding Verstecke für Google, Amazon, Starbucks, Ikea, Walmart, VW und die Rolling Stones einrichten.

Das Internatio­nale Konsortium investigat­iver Journalist­en, an das sich die deutschen Medien angehängt haben, wird vom Center for Public Integrity in Washington betrieben. Financiers sind die traditione­llen Gutmensche­n des Kalten Krieges: die Stiftungen Carnegie, Ford und Rockefelle­r. Und auch der Geldgeber der »bunten Revolution­en« wie in der Ukraine, der Spekulant George Soros, darf nicht fehlen. Die Panama-Aufregung dürfte also ein Gegenschla­g für die Kritik der vergangene­n Jahre an US-Konzernen sein, die in Europa fast keine Steuern zahlen. Die größte Finanzoase der Welt, der US-Bundesstaa­t Delaware, bleibt ungenannt.

Jede finanziell­e Transaktio­n kann heute von jedem Individuum und Unternehme­n in jedem entwickelt­en Staat legal durchgefüh­rt werden. Wer in einem anderen Land unter Kunstnamen etwas versteckt, hat wirklich etwas zu verbergen – vor Finanzämte­rn, der Justiz, Börsen-, Rüstungs- und Kartellauf­sicht oder vor Geschäftsp­artnern. Die okkulte Kriminalit­ät ermögliche­nde Parallelfi­nanz wurde Bestandtei­l der Weltwirtsc­haft, gefördert von Regierunge­n und Europäisch­er Kommission. Die »Wert«-Papiere, die die letzte Finanzkris­e auslösten, waren meist in Delaware-Briefkäste­n versteckt.

Mein Vorschlag für den Anfang: Die über 100 bilaterale­n Doppelbest­euerungsab­kommen, die Deutschlan­d mit anderen Staaten – auch Luxemburg, Niederland­e und USA – abgeschlos­sen hat, werden neu verhandelt: Berichtspf­licht über die wirtschaft­lich Berechtigt­en hinter den Briefkaste­nfirmen, deutsche Staatsbürg­er betreffend. Dasselbe machen alle Mitgliedss­taaten der EU. Herr Schäuble: Warum hat Deutschlan­d kein solches Abkommen mit Panama?

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Foto: privat Der Publizist Werner Rügemer schreibt regelmäßig über die schmutzige­n Geschäfte von Banken und Unternehme­n.

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