Nächte der Demokratie
Sebastian Bähr über den gesellschaftlichen Aufbruch in Frankreich
Alle politischen Angebote, die der Jugend Frankreichs vorliegen, sind deprimierend. Da gibt es die rechtsradikale Front National, die mit wachsendem Erfolg Hass gegen alles Fremde propagiert. Dann die Islamisten, die ihrerseits mit Terror die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben. Die regierenden Parteien, allen voran Hollandes Sozialisten, haben weder Lösungen noch Hoffnungen für die Fragen der Zeit und verwalten das Land mit zunehmend autoritärer Hand. Der polizeiliche Ausnahmezustand gilt seit den Anschlägen vom November letzten Jahres, im Januar verkündete der französische Präsident den »wirtschaftlichen und sozialen Ausnahmezustand«.
Ein diffuser Krieg gegen den Terror und neoliberale Reformen sind die Folge. Die Spirale aus Angst, Misstrauen und Unsicherheit nimmt ihren Lauf. Doch gerade in dieser Situation haben sich Tausende junge Franzosen für gelebte Demokratie und soziale Gerechtigkeit entschieden. Nach Demonstrationen gegen eine Arbeitsmarktreform haben sie angefangen, sich unter dem Namen »Nuit debout« nachts zu versammeln und zu diskutieren. Die Protestbewegung reiht sich damit in die gesellschaftlichen Aufbrüche ein, die in den letzten Jahren von Griechenland bis Spanien stattgefunden haben. Die jungen Franzosen verweigern in den Platzbesetzungen die Tristesse, die sich in Frankreich wie auch im restlichen Europa als alternativlos präsentiert.