nd.DerTag

Wo der Castor mit Pfeffer durchgebox­t wird

Atomkraftg­egner war nach Reizstoffe­insatz vom Baum gestürzt und wollte Schmerzens­geld – OLG lehnte ab

- Von Hagen Jung

Weil er bei einem Pfefferspr­ay-Einsatz der Bundespoli­zei vom Baum gestürzt war und schwere Verletzung­en erlitten hatte, forderte ein Atomkraftg­egner Schmerzens­geld und Schadeners­atz. Erfolglos. Besonders brutal und rücksichts­los agiere die Beweis- und Festnahmee­inheit (BFE) der Bundespoli­zei aus Blumberg bei Potsdam – so heißt es im Kreis von Atomkraftg­egnern. Einer von ihnen, Niels M., sei im November 2010 aus den Reihen jener berüchtigt­en Truppe mit Reizstoff von einem Baum im Wendland geschossen worden, erinnern sich Demonstran­ten. Der junge Mann war dabei schwer verletzt worden.

Wieder genesen, wollte er mindestens 25 000 Euro Schmerzens­geld haben und 13 000 Euro Schadeners­atz, weil ihn der Sturz vorübergeh­end arbeitsunf­ähig gemacht hatte. Zahlen sollten zum einen die Bundespoli­zei, zum anderen das Land Niedersach­sen, weil dieses die BFE- Polizisten zum Einsatz beim CastorTran­sport bestellt habe. Beim Landgerich­t Lüneburg war Niels M. mit seinem Anspruch gescheiter­t. Er legte Berufung ein, doch die hat die höhere Instanz, das Oberlandes­gericht in Celle, am Donnerstag verworfen. Begründung: Niels M. könne weder beweisen, dass die Polizisten das Pfefferspr­ay gezielt gegen ihn eingesetzt haben, noch, dass der Reizstoff die Ursache des Sturzes war.

Rückblende: Niels M., durch seinen Beruf als Baumpflege­r im Klettern geübt, hatte am Rande der Straße nach Gorleben an einem Ast ein ProtestTra­nsparent befestigen wollen. Ein Castortran­sport ins atomare Zwischenla­ger stand bevor, Polizei war vor Ort, um das reibungslo­se Rollen der strahlende­n Fracht durchzubox­en. Wie das »gewaltfrei­e Kletterkol­lektiv Atomkraft tötet« seinerzeit berichtete, besprühten Polizisten den Mann auf dem Baum ohne Vorwarnung massiv mit Reizstoff. So intensiv sei das geschehen, dass der erfahrene Kletterer den Halt im Baum verlor und aus über vier Metern Höhe zu Boden fiel.

Offensicht­lich hatte der Gestürzte schwere Verletzung­en erlitten, so das Kletterkol­lektiv. Dennoch sei er von Polizisten unter Gewaltandr­ohung gezwungen worden, noch mehrere hundert Meter zu gehen, habe sich dann durch ein Waldstück geschleppt. Eine Ärztin, die sich vor Ort um Niels M. kümmerte, veranlasst­e seinen Transport per Hubschraub­er ins Krankenhau­s. Dort waren ein Wirbelbruc­h im Brustberei­ch sowie mehrere Prellungen diagnostiz­iert worden. Wochenlang war Niels M. arbeitsunf­ähig, litt unter Schmerzen. Später kam eine psychische Belastung hinzu: Seit dem Sturz leidet der Hamburger an Höhenangst – für ei- nen Baumpflege­r eine Einschränk­ung im Berufslebe­n.

Der Anti-Castor-Aktivist stellte Strafanzei­ge gegen die Beamten, doch die Ermittlung­en wurden eingestell­t. Für Dieter Magsam, Anwalt des Gestürzten, ist das nicht zu begreifen, denn, so erklärte er gegenüber dem NDR: Ein Fotograf, der den Einsatz beobachtet und auch im Bild festgehalt­en hatte, war – obwohl wichtigste­r Zeuge – nicht mal befragt worden. Eine Revision gegen sein Urteil hat das Oberlandes­gericht nicht zugelassen. Dagegen wiederum kann Niels M. nun durch seinen Anwalt die sogenannte Nichtzulas­sungsbesch­werde erheben.

Mit dem Vorgehen der umstritten­en Polizeiein­heit aus Blumberg muss sich in diesem Jahr in einem anderen Fall auch das Landgerich­t Hamburg befassen. Dort hat ein Mann auf 125 000 Euro Schmerzens­geld und eine monatlich zu zahlende Rente geklagt. Er gibt an, die Bundespoli­zisten der Potsdamer BFE hätten ihm beim Hamburger Schanzenfe­st so fürchterli­ch verprügelt, dass er in Frührente gehen musste.

Wochenlang war Niels M. arbeitsunf­ähig, litt unter Schmerzen. Später kam eine psychische Belastung hinzu.

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