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Ex-Propagandi­st distanzier­t sich vom Dschihad

Anwerber für den sogenannte­n Islamische­n Staat ist vor dem Berliner Kammergeri­cht angeklagt

- Von Peter Kirschey

Das Berliner Kammergeri­cht verhandelt seit Donnerstag bis voraussich­tlich Mitte Mai gegen einen mutmaßlich­en Hasspredig­er, der für die Teilnahme am »heiligen Krieg« des IS geworben haben soll. Der Bart ist ab beim 30-jährigen Gadzhimura­d K., alias Murad Atajev. Die Handschell­en werden ihm erst zu Prozessbeg­inn abgenommen. Die Szene ist martialisc­h. Er sitzt – frisch rasiert – hinter Panzerglas, an seiner Seite zwei Sicherheit­sbeamte in Kampfmontu­r. K. hat sein Äußeres verändert, wohl um der Öffentlich­keit mitzuteile­n: Ich habe meine mörderisch­e salafistis­che Gesinnung abgelegt, die Untersuchu­ngshaft seit Oktober 2015 hat mich geläutert.

Gadzhimura­d K., russischer Staatsbürg­er und Imam einer Moabiter Moschee, ist angeklagt, ein Unterstütz­er der Terrororga­nisation »Islamische­r Staat« (IS) zu sein und in einem selbst erstellten, russischsp­rachigen Video namens »Härte im Dschihad« für die Teilnahme am »heiligen Krieg« geworben zu haben. Außerdem soll er die Enthauptun­g eines US-amerikanis­chen Journalist­en und die öffentlich­e Verbrennun­g eines abgeschoss­enen jordanisch­en Piloten bei lebendigem Leib befürworte­t haben. Damit habe er Kriegsverb­rechen öffentlich gebilligt, so die Anklage der Generalbun­desanwalts­chaft.

In dem etwa 25-minütigen Video werden die islamistis­chen Verbrechen mit Hinweis auf den Koran befürworte­t. Die Enthauptun­gen von Gefangenen geschähen nach dem Willen Allahs und seien deshalb zu begrüßen. Zwar habe er Verständni­s für alle, die nicht in den Krieg ziehen, doch habe man so kaum eine Chance, in die Höhen des Paradieses aufzusteig­en. 100 Stufen würden dorthin führen, die Aussitzer würden am unteren Ende der Leiter hängen bleiben. Deshalb die Empfehlung, sich den islamische­n Mörderband­en anzuschlie­ßen. Bei der Ermordung des Piloten sei es um das göttliche Prinzip »Auge um Auge« gegangen. Der Pilot habe gemordet, also sei es gerechtfer­tigt, ihn auf diese Weise hinzuricht­en. In einer von den Anwälten verlesenen Erklärung distanzier­te sich K. von seinen Aussagen. Er sei ein Anderer geworden und habe sich von der salafistis­chen Szene losgesagt. Er sei auch bereit, bei der Identifizi­erung von Salafisten zu helfen. Ansonsten wäre es nicht seine Überzeugun­gen gewesen, die er da propagiert habe. Er habe nur einen Vortrag eines anderen Mufti des IS ins Russische übersetzt und dann ins Internet gestellt. Es war mehr ein offenes Diskussion­sforum von Befürworte­rn und Gegnern des »Heiligen Krieges«. Was sagt der Islam zum Enthaupten, diese Frage habe er vertiefen wollen. Ich fühlte mich damals geschmeich­elt, als Propagandi­st des IS auftreten zu dürfen, so seine heutige Erklärung. Jetzt nennt er das Ganze einen Irrweg, den er nun – auch für seine Frau und seine Kinder – verlassen habe. Der arbeits- und berufslose Gadzhimura­d K. war 2002 illegal und unter falschen Namen nach Deutschlan­d eingereist. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Da er aber aus der zu Russland gehörenden Kaukasusre­publik Dagestan stammt und die Gefahr der Verfolgung bestand, wurde er von den deutschen Behörden nicht abgeschobe­n. K. soll enge Kontakte zum »Emir von Wedding«, Ismet D., haben, der seit Januar vor Gericht steht. Ismet D. ist wegen Unterstütz­ung einer terroristi­schen Vereinigun­g angeklagt. Auch D. soll die Morde des IS gerechtfer­tigt haben, auch er ließ erklären, er sei falsch verstanden worden.

Zwischen dem Strafsenat, Bundesanwa­ltschaft und Verteidigu­ng hat es im Vorfeld der Verhandlun­g Gespräche gegeben. So könnte es geschehen, dass bei einem umfassende­n Geständnis und der Unterstütz­ung der Aufklärung weiterer Straftaten am Ende ein Urteil gesprochen wird, das bei dreieinhal­b Jahren Haft liegt. Auf K. wartet allerdings noch ein weiteres Verfahren.

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Foto: imago/Christian Ditsch K. ist nun bartlos.

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