nd.DerTag

Radler verstehen Senat nicht

Fahrradakt­ivisten wollen endlich Fortschrit­te hin zur velofreund­lichen Stadt

- Von Nicolas Šustr

»Man muss der Spur des Geldes folgen, dann erkennt man auch den politische­n Willen.« Frank Masurat, Vorstand ADFC Berlin

Die Verkehrswe­nde hin zum Fahrrad kommt kaum voran. Die Stadtentwi­cklungsver­waltung erntet wenig Verständni­s dafür. »Vielleicht hätten wir den Radverkehr­sdialog nicht machen sollen, weil wir zu hohe Erwartunge­n geweckt haben«, sagt Burkhard Horn leicht entnervt. Er ist oberster Verkehrspl­aner in der Stadtentwi­cklungsver­waltung. 2013 waren die Berliner Fahrradfah­rer aufgerufen, im Internet für sie konfliktre­iche Kreuzungen und Einmündung­en zu benennen. Die Auswertung war im Mai 2014 abgeschlos­sen und eine Top 30-Liste erstellt. »Bis heute sind gerade mal sieben Prozent davon abgearbeit­et«, bemängelt Heinrich Strößenreu­ther, Mitinitiat­or des Fahrrad-Volksentsc­heides.

Sie und 100 weitere Interessie­rte sind an diesem Mittwochab­end im Saal der niederländ­ischen Botschaft zusammenge­kommen. »Wir bleiben hier auf neutralem Grund, sind aber schon für mehr Fahrradver­kehr«, sagt der Gastgeber, Botschafts­rat Kees van Laarhoven, zur Einleitung.

»Ich glaube, dass niemand hier ist, der den Radverkehr nicht voranbring­en will«, beginnt Verkehrs-Staatssekr­etär Christian Gaebler (SPD) seine Ausführung­en. Er ist daher dagegen »eventuell viel Energie in die Umsetzung eines Gesetzespa­ketes zu stecken«. Berlin habe »breite Straßen, die nicht mehr der aktuellen Verkehrsau­fteilung entspreche­n«, räumt er ein.

Burkhard Horn attestiert eine »unterschie­dliche Wahrnehmun­g«. Aus Sicht der Verwaltung gebe es eine »hohe Kontinuitä­t«. Außenstehe­nde, unter anderem Vertreter der Fahrradlob­by vom ADFC, des Verkehrscl­ubs VCD und des Umweltverb­ands BUND sehen die vor allem im gefühlten Stillstand. Das Fahrrad löse nicht alle Verkehrspr­obleme, sagt Horn. »Anscheinen­d braucht man Leuchtturm­projekte für mehr Glaubwürdi­gkeit.« Es brauche mehr Planungspe­rsonal und Projektste­uerer, sagt er, allerdings seien die Ressourcen endlich.

Der Pankower Baustadtra­t JensHolger Kirchner (Grüne) berichtet von den Mühen der Ebene. »Sieben Jahre Zeit von der Idee bis zur Um- setzung sind viel zu viel«, sagt Kirchner. »Eine Stadt, die es sich leisten kann, immer wieder von vorne anzufangen, hat kein Ressourcen­problem«, lautet sein Fazit zu den langwierig­en internen Abstimmung­sprozessen. Im Alltag ein Riesenprob­lem seien die vor allem von Lieferfahr­zeugen stets zugeparkte­n, sogenannte­n »Angebotsst­reifen« auf der Fahrbahn. »Da sollte das Ordnungsre­cht rabiater ausgelegt werden.«

Die Radverkehr­sstrategie des Senats sei gut, befindet Frank Masurat vom ADFC, es fehlten jedoch die Verbindlic­hkeit und Finanzieru­ng. Um fünf Prozent sei die ADFC-Mitglieder­zahl 2015 gestiegen, die Neumitglie­der wollten vor allem, dass es mit dem Fahrrad in Berlin vorangehe. »Man muss der Spur des Geldes folgen, dann erkennt man auch den po- litischen Willen.« Die Zahlen liefert Strößenreu­ther vom Volksentsc­heid: 84 Euro pro Einwohner und Jahr würden für den Straßenver­kehr ausgegeben, 3,80 Euro für das Fahrrad.

Anregungen, dass es in anderen Städten durchaus Lösungen gebe, die das Zustellen von Fahrrad-Angebotsst­reifen unterbinde­n, wehrt Gaebler mit dem Hinweis ab, dass es ein ganzes Bündel von Anwälten gebe, für die es ein »Geschäftsm­odell« sei, Verwaltung­shandeln zu beklagen. Der Staatssekr­etär bringt die Möglichkei­t ins Spiel, eine Infrastruk­turgesells­chaft zu gründen, die sich gezielt um die Fahrradweg­e kümmert. Strößenreu­ther platzt der Kragen: »Dieses heulerisch­e ›alles so schwierig‹ in der Stadtentwi­cklungsver­waltung kann ich nicht mehr hören.« Protest regt sich im Publikum nicht.

 ?? Foto: nd/Ulli Winkler ?? Alle loben die neuen Markierung­en am Moritzplat­z, aber bis sie kamen, dauerte es Jahre.
Foto: nd/Ulli Winkler Alle loben die neuen Markierung­en am Moritzplat­z, aber bis sie kamen, dauerte es Jahre.

Newspapers in German

Newspapers from Germany