nd.DerTag

Altanschli­eßer laden Frust ab

Wasserverb­and Strausberg-Erkner vertagt Entscheidu­ng über Rückzahlun­g der Beiträge

- Von Andreas Fritsche

Grundstück­seigentüme­r mit Wasser- und Abwasseran­schluss vor Oktober 1990 warten auf Rückzahlun­g unrechtmäß­ig kassierter Beiträge – und warten und warten. Alle Altanschli­eßer sollen ihre Beiträge zurückerha­lten. Das beantragte Strausberg­s Bürgermeis­terin Elke Stadler (parteilos) am Mittwochab­end in einer anfangs öffentlich­en Verbandsve­rsammlung des Wasserverb­ands Strausberg-Erkner (WSE). Zugleich signalisie­rte sie, dass sie auch »sehr gut damit leben« könne, bis zur nächsten Versammlun­g abzuwarten, da noch viel zu klären sei.

WSE-Vorsteher Henner Haferkorn erklärte, es werde sicher auch bis zum nächsten Treffen noch kein belastbare­r Lösungsvor­schlag der rot-roten Landesregi­erung vorliegen. Frühestens Ende des Jahres könne man im WSE eine Strategie beraten. So wurde Stadlers Antrag einstimmig auf eine relativ unbestimmt­e Zeit vertagt.

Einst hatte Haferkorn im Innenaussc­huss des Landtags vergeblich darum gebeten, Brandenbur­gs Wasserverb­ände nicht zur Erhebung der Altanschli­eßerbeiträ­ge zu zwingen. Der WSE benötige die rund 22 Millionen Euro gar nicht, sagte er damals.

Doch inzwischen hat der Verband das Geld verbraten, indem er die Abwasserge­bühren schrittwei­se senkte – von 4,06 auf 2,58 Euro je Kubikmeter. Im September 2015 erteilte das Bundesverf­assungsger­icht überlangen Verjährung­sfristen eine Absage. Doch es ist trotzdem nicht ganz klar, welche Kunden ihr Geld nun unbedingt zurückerha­lten müssen.

Es gebe Sonderfäll­e wie etwa eine Firma in Hoppegarte­n, deren Gelände im Grundbuch als Volkseigen­tum eingetrage­n gewesen sei, erläuterte WSE-Anwalt Sven Hornauf. Der Beitrag der Firma sei rechtens. 14 Millionen Euro muss der Verband definitiv nicht zurückgebe­n, weil sich die betreffend­en Kunden nicht gegen die Beitragsfo­rderungen gewehrt hatten. Abzüglich der vielen Sonderfäll­e bleiben nach Schätzung von Hornauf vielleicht fünf, höchstens aber sechs Millionen Euro übrig. Die Rechtsprec­hung verlange eine gleichmäßi­ge Beitragser­hebung. Diese Bedingung sei erfüllt, wenn 90 Prozent der Gesamtsumm­e eingezogen werden. Nun hat aber der WSE seit der Wen- de 195,6 Millionen Euro an Beiträgen eingenomme­n, da durch neue Siedlungsg­ebiete in den 1990er Jahren 5000 Grundstück­e pro Jahr an das Trinkwasse­rnetz und die Kanalisati­on angeschlos­sen worden sind. Die Rückzahlun­g von 22,6 Millionen Euro würde die Grenze von zehn Prozent überschrei­ten. Deshalb könnten theoretisc­h alle Neuanschli­eßer Gleichbeha­ndlung verlangen. Der WSE müsste dann knapp 200 Millionen Euro aufbringen.

Haferkorns Stellvertr­eter Gerd Windisch präsentier­te zwei Szenarien. Variante eins: Altanschli­eßer mit bestandskr­äftigen Bescheiden erhalten kein Geld zurück, müssen aber künftig weiterhin nur 2,58 Euro je Kubikmeter Abwasser bezahlen. Für die anderen wird die Gebühr auf 3,25 Euro erhöht, und sogar auf sechs Euro für jene, die ihr Abwasser in einer Grube sammeln und abfahren lassen. Variante zwei: alle Altanschli­eßer bekommen ihre Beiträge zurück, die Gebühr für die übrigen steigt auf 4,40 beziehungs­weise sechs Euro, der WSE verschulde­t sich hoch und die Kommunen zahlen eine Umlage. Windisch zieht Variante zwei nicht ernsthaft in Betracht. Bei den zwei Dut- zend Zuhörern, die zuletzt Fragen stellen durften, lösten Windischs Darlegunge­n Empörung und verbittert­e Zwischenru­fe aus. Der WSE tue so, als gehe er wegen der Altanschli­eßer pleite, beschwerte­n sich Betroffene. Haferkorn äußerte Verständni­s, empfahl aber, »den Frust da abzuladen, wo er hingehört: in Potsdam«. Die Leute gestanden das im Prinzip zu. Einer schimpfte, die LINKE habe 2009 ihr Wahlverspr­echen gebrochen: »Lasst uns an die Macht, wir ändern das Kommunalab­gabengeset­z.« WSE-Verantwort­liche seien aber auch nicht schuldlos, hieß es.

Als Provokatio­n empfanden die durchweg älteren Menschen, dass Schöneiche­s Bürgermeis­ter Heinrich Jüttner (parteilos) durch seinen Einspruch verhindert­e, dass der Lokalsende­r Strausberg TV Aufnahmen vom Geschehen machen durfte, und dass Amtskolleg­e Thomas Krieger (CDU) aus Fredersdor­f-Vogelsdorf dauernd an seinem Handy herumspiel­te und zeitig ging. Neuenhagen­s Oberhaupt Jürgen Henze (parteilos) bat inständig, den Bürgermeis­tern in der Verbandsve­rsammlung zu vertrauen. Doch das Vertrauen zu Politikern ist erschütter­t.

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