Altanschließer laden Frust ab
Wasserverband Strausberg-Erkner vertagt Entscheidung über Rückzahlung der Beiträge
Grundstückseigentümer mit Wasser- und Abwasseranschluss vor Oktober 1990 warten auf Rückzahlung unrechtmäßig kassierter Beiträge – und warten und warten. Alle Altanschließer sollen ihre Beiträge zurückerhalten. Das beantragte Strausbergs Bürgermeisterin Elke Stadler (parteilos) am Mittwochabend in einer anfangs öffentlichen Verbandsversammlung des Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE). Zugleich signalisierte sie, dass sie auch »sehr gut damit leben« könne, bis zur nächsten Versammlung abzuwarten, da noch viel zu klären sei.
WSE-Vorsteher Henner Haferkorn erklärte, es werde sicher auch bis zum nächsten Treffen noch kein belastbarer Lösungsvorschlag der rot-roten Landesregierung vorliegen. Frühestens Ende des Jahres könne man im WSE eine Strategie beraten. So wurde Stadlers Antrag einstimmig auf eine relativ unbestimmte Zeit vertagt.
Einst hatte Haferkorn im Innenausschuss des Landtags vergeblich darum gebeten, Brandenburgs Wasserverbände nicht zur Erhebung der Altanschließerbeiträge zu zwingen. Der WSE benötige die rund 22 Millionen Euro gar nicht, sagte er damals.
Doch inzwischen hat der Verband das Geld verbraten, indem er die Abwassergebühren schrittweise senkte – von 4,06 auf 2,58 Euro je Kubikmeter. Im September 2015 erteilte das Bundesverfassungsgericht überlangen Verjährungsfristen eine Absage. Doch es ist trotzdem nicht ganz klar, welche Kunden ihr Geld nun unbedingt zurückerhalten müssen.
Es gebe Sonderfälle wie etwa eine Firma in Hoppegarten, deren Gelände im Grundbuch als Volkseigentum eingetragen gewesen sei, erläuterte WSE-Anwalt Sven Hornauf. Der Beitrag der Firma sei rechtens. 14 Millionen Euro muss der Verband definitiv nicht zurückgeben, weil sich die betreffenden Kunden nicht gegen die Beitragsforderungen gewehrt hatten. Abzüglich der vielen Sonderfälle bleiben nach Schätzung von Hornauf vielleicht fünf, höchstens aber sechs Millionen Euro übrig. Die Rechtsprechung verlange eine gleichmäßige Beitragserhebung. Diese Bedingung sei erfüllt, wenn 90 Prozent der Gesamtsumme eingezogen werden. Nun hat aber der WSE seit der Wen- de 195,6 Millionen Euro an Beiträgen eingenommen, da durch neue Siedlungsgebiete in den 1990er Jahren 5000 Grundstücke pro Jahr an das Trinkwassernetz und die Kanalisation angeschlossen worden sind. Die Rückzahlung von 22,6 Millionen Euro würde die Grenze von zehn Prozent überschreiten. Deshalb könnten theoretisch alle Neuanschließer Gleichbehandlung verlangen. Der WSE müsste dann knapp 200 Millionen Euro aufbringen.
Haferkorns Stellvertreter Gerd Windisch präsentierte zwei Szenarien. Variante eins: Altanschließer mit bestandskräftigen Bescheiden erhalten kein Geld zurück, müssen aber künftig weiterhin nur 2,58 Euro je Kubikmeter Abwasser bezahlen. Für die anderen wird die Gebühr auf 3,25 Euro erhöht, und sogar auf sechs Euro für jene, die ihr Abwasser in einer Grube sammeln und abfahren lassen. Variante zwei: alle Altanschließer bekommen ihre Beiträge zurück, die Gebühr für die übrigen steigt auf 4,40 beziehungsweise sechs Euro, der WSE verschuldet sich hoch und die Kommunen zahlen eine Umlage. Windisch zieht Variante zwei nicht ernsthaft in Betracht. Bei den zwei Dut- zend Zuhörern, die zuletzt Fragen stellen durften, lösten Windischs Darlegungen Empörung und verbitterte Zwischenrufe aus. Der WSE tue so, als gehe er wegen der Altanschließer pleite, beschwerten sich Betroffene. Haferkorn äußerte Verständnis, empfahl aber, »den Frust da abzuladen, wo er hingehört: in Potsdam«. Die Leute gestanden das im Prinzip zu. Einer schimpfte, die LINKE habe 2009 ihr Wahlversprechen gebrochen: »Lasst uns an die Macht, wir ändern das Kommunalabgabengesetz.« WSE-Verantwortliche seien aber auch nicht schuldlos, hieß es.
Als Provokation empfanden die durchweg älteren Menschen, dass Schöneiches Bürgermeister Heinrich Jüttner (parteilos) durch seinen Einspruch verhinderte, dass der Lokalsender Strausberg TV Aufnahmen vom Geschehen machen durfte, und dass Amtskollege Thomas Krieger (CDU) aus Fredersdorf-Vogelsdorf dauernd an seinem Handy herumspielte und zeitig ging. Neuenhagens Oberhaupt Jürgen Henze (parteilos) bat inständig, den Bürgermeistern in der Verbandsversammlung zu vertrauen. Doch das Vertrauen zu Politikern ist erschüttert.