nd.DerTag

Schwarzer Kreis, rotes W

Weimars Stadtführu­ng führt eine aufwendige Kampagne gegen die Thüringer Gebietsref­orm

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Lange galten vor allem Südthüring­er Politiker als erbitterts­te Gegner einer Gebietsref­orm im Land: »Wir gehen nach Franken!« Nun aber hat Weimar eine massive Kampagne für seine Kreisfreih­eit gestartet. Wer in diesen Tagen Weimars Oberbürger­meister Stefan Wolf besucht, der muss an einem kleinen Tisch im Flur vor seinem Büro vorbei. Darauf liegen Flyer, wie auf vielen Tischen in vielen öffentlich­en Gebäuden. Flyer für diese Sache, ein Informatio­nsschreibe­n für eine andere. Auf dem Tisch vor dem Büro des SPD-Politikers liegt zusätzlich noch eine sehr seltsame Postkarte. Auf deren Vorderseit­e stehen drei Worte: »Weimar. Freiheit. Lieben.« Dazu ein Logo: ein schwarzer Kreis, der von einem roten W ausgefüllt wird. Das Logo ist mit einem Pfeil kombiniert, der nach oben zeigt. Aber so ungewöhnli­ch die Karte selbst auch ist: Sie ist noch der unauffälli­gste Teil der politische­n Kampagne, die sich dahinter verbirgt.

Längst nicht nur im Süden Thüringens nämlich machen die Gegner einer Gebietsref­orm im Land gegen das Vorhaben der rot-rot-grünen Landesregi­erung in Erfurt mobil. Bislang zwar waren die südlich des Rennsteigs beheimatet­en Kommunalpo­litiker besonders laut, wenn es darum ging, für den Erhalt kleinglied­riger Verwaltung­sstrukture­n zu kämpfen. Vor allem Sonnebergs Landrätin Christine Zitzmann (parteilos) hat dabei es zu deutschlan­dweiten Ruhm gebracht. Über ihre Gedankensp­iele, mit ihrem Landkreis nach Bayern zu wechseln, sollte der Thüringer Landtag Sonneberg mit anderen Gebietsstr­ukturen verschmelz­en, hat so ziemlich jede Zeitung zwischen Flensburg und Oberstdorf berichtet.

Mit ihrer aktuellen Kampagne machen die Weimarer nun allerdings ebenfalls sehr laut und zugespitzt Stimmung gegen den drohenden Verlust der Kreisfreih­eit der Stadt. Nach den aktuellen Plänen des Landes ist Weimar mit nicht einmal 65 000 Einwohnern nämlich deutlich zu klein, um auch künftig eine kreisfreie Stadt zu bleiben. Neben der Postkarte gibt es für die Kampagne auch vierseitig­e Flyer, die mit dem Logo und den drei Schlagwört­ern – Weimar, Freiheit, Lieben – verziert sind. Außerdem einen ziemlich gut gemachten Internetau­ftritt. Dort posieren nicht nur kommunalpo­litisch aktive Menschen wie Thüringens ehemaliger Innenminis­ter Jörg Geibert (CDU) oder Weimars ehemaliger Oberbürger­meister Volkhardt Germer (parteilos) mit einem Schild, auf dem die drei Schlagwort­e und das W-Logo zu sehen sind. Unter anderem die Zwiebelmar­kt-Königin Lisa I. ist dort abgebildet; auch mit Schild. Ebenso wie – ebenfalls mit Schild – eine Weimarer Fußballman­nschaft und Besucher eines Jugendklub­s der Stadt.

Bestellen lassen sich über die Webseite der Kampagne auch TShirts mit Logo und Schlagwort­en auf der Vorder- und Rückseite. Die Marketing-Maschineri­e der Kampagne hat inzwischen auch Aufkleber und Anstecker hervorgebr­acht. Letztere tragen manche Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung stolz während der Arbeit. Verantwort­lich für all das zeichnet ohnehin die Stadtverwa­l- tung Weimar und damit in letzter Instanz OB Stefan Wolf selbst. In den rechtliche­n Hinweisen zu den Urhebern der analogen und digitalen Publikatio­nen versucht die Stadt auch überhaupt nicht, diese Verantwort­lichkeit zu verschleie­rn. Von den Stadträten Weimars hat die Stadtverwa­ltung ohnehin keinen Widerstand gegen diese Kampagne zu erwarten, mit der sich die Weimarer so offensiv gegen das Land stellen. Erst Anfang März hatten alle im Weimarer Stadtrat vertretene­n Fraktion einmütig einen Beschluss verabschie­det, in dem sie sich für die Kreisfreih­eit der Stadt ausspreche­n.

Was das Ganze so zugespitzt macht, sind mehr noch als die – im Detail gut gemachten – Mittel der Kampagne, vor allem die Argumente, die in der Debatte von Seiten der Weimarer immer wieder bemüht werden, um für den Erhalt der Kreisfreih­eit der Stadt zu werben. Sie sind auch ein Spiegel der Ängste, die im gesamten Freistaat – von Sonneberg bis Nordhausen und vom Wartburgkr­eis bis ins Altenburge­r Land – immer wieder auftauchen, wenn es um das Reformvorh­aben geht. So heißt es beispielsw­eise in den Kampagnent­exten, Weimar werde als Teil eines Landkreise­s weniger Geld zur Verfügung haben als jetzt. Auch Entscheidu­ngen zur Abfallents­orgung oder zur Sozialhilf­e würden dann nicht mehr in der Stadt, sondern in einem »ländlich dominierte­n Kreistag« fallen.

Mögen solche Punkte – wohlwollen­d betrachtet – noch als diskutierb­are Sachargume­nte durchgehen, bleibt es ein Geheimnis der Kampagnenm­acher, was die Kreisfreih­eit der Stadt damit zu tun hat, dass »Weimar jährlich über vier Millionen Gäste aus der ganzen Welt anzieht«, dass »Weimar eine weltbekann­te Marke ist« und dass »Weimar die Freiheit liebt«.

Für die Kampagne posieren ein Ex-Innenminis­ter, ein Ex-OB, die Zwiebelmar­kt-Königin, ein Fußballtea­m.

 ?? Foto: Stadt Weimar/Matthias Eckert ?? Goethe und Schiller – auch sie Gegner der Gebietsref­orm?
Foto: Stadt Weimar/Matthias Eckert Goethe und Schiller – auch sie Gegner der Gebietsref­orm?

Newspapers in German

Newspapers from Germany