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Klassenkäm­pfer aller Länder ...

Spergaus Volleyball­er halten sich seit Jahren in der Bundesliga – der Weg nach oben bleibt aber wegen fehlender Großsponso­ren versperrt

- Von Max Zeising, Spergau

Der CV Mitteldeut­schland hat den sportliche­n Abstieg aus der Volleyball-Bundesliga der Männer verhindert. Doch der Verein kämpft noch um die Lizenz für die höchste deutsche Spielklass­e. Eines muss man den Verantwort­lichen des CV Mitteldeut­schland lassen: Sie haben Sinn für Humor. Vor dem Playoff-Spiel der Volleyball­Bundesliga gegen die Berlin Volleys am Mittwochab­end präsentier­ten sich die selbst ernannten »Piraten« auf einem Foto als Box-Champions, oberkörper­frei und mit Gürtel um den Körper geschwunge­n. Auch die Bildbeschr­eibung passte zur Kampfeslus­t: Die »Stunde der Wahrheit« habe geschlagen, man erwarte die Berliner in der »Festung Spergau«.

Ganz ernst gemeint war die PRAktion sicher nicht. Dafür hätte es schon den Verlust des Kurzzeitge­dächtnisse­s in Bezug darauf bedurft, was dem Gegner erst am vergangene­n Wochenende gelungen war: nichts Geringeres als der Sieg im Europapoka­l. Nach dem 3:2 im Hinspiel gegen ZSK Surgut hatten die Berliner auch das Rückspiel in Sibirien mit 3:0 gewonnen.

Es wäre also einer Sensation gleichgeko­mmen, hätten die Piraten die Androhung via Boxerfoto wahrgemach­t und das Parkett ihrer Jahrhunder­thalle Spergau als Sieger verlassen. Stattdesse­n gingen sie, wie fast jedes Mal gegen das Team von Berlins Trainer Roberto Serniotti, bereits nach drei Sätzen K.o. und beendeten die Bundesliga­saison mit dem Ausscheide­n im Viertelfin­ale der Playoffs. Genauso wie schon in den vergangene­n beiden Jahren.

Unglücklic­h traten die Spergauer danach trotzdem nicht auf: »Wir sind zu 80 Prozent zufrieden«, sagte Trainer Ulf Quell, der mit seiner Mannschaft vor der Saison eigentlich auf direktem Wege – also über einen der ersten sechs Vorrundenp­lätze – die Playoffs hatte erreichen wollen. Auch mit dem Umweg über die Pre-Playoffs, der mit zwei Siegen gegen die Netzhopper­s KW-Bestensee gemeistert wurde, konnte sich der Coach schnell anfreunden. Genau wie Managerin Sandy Penno, die die Hoffnungsr­unde in der Volleyball-Bundesliga gern als »zweiten Bildungswe­g« bezeichnet.

Die Zufriedenh­eit ist nachvollzi­ehbar, denn dass es die Mitteldeut­schen überhaupt so weit schaffen würden, hätten sie vor wenigen Monaten selbst nicht geglaubt. Lange hatten sie sich sportlich schwer getan. Im November und Dezember gelang kein einziger Sieg, sie kassierten sechs 0:3-Klatschen in Folge. Erst mit dem 3:0-Erfolg gegen den TSV Herrsching im Januar wurde die Wende eingeleite­t. Es folgte eine Aufholjagd vom abgeschlag­enen letzten Tabellenpl­atz bis auf Rang neun. Am Ende profitiert­en sie auch vom Punktabzug des direkten Konkurrent­en und Absteigers Coburg. Den Klassenerh­alt hätten sie aber auch aus eigener Kraft geschafft.

Die Tatsache, dass der CVM im Kampf um die deutsche Meistersch­aft chancenlos ist, können die Verantwort­lichen also getrost mit Humor nehmen. Zu groß sind die Unterschie­de zu den Spitzenman­nschaften – finanziell und in Bezug auf die vorhandene­n Spieler –, als dass sie ernsthaft daran glauben könnten, in mittelbare­r Zukunft eine bedeutende Rolle zu spielen. Der Etat von 450 000 Euro gehört zu den kleinsten der Liga. Zum Vergleich: Die Berliner geben für ihre erste Mannschaft zwei Millionen Euro, also mehr als das Vierfache, aus.

Eine gewaltige Differenz, die sich beim Blick auf den Kader bemerkbar macht. Nur einen deutschen Volley- Ulf Quell, Trainer des CV Mitteldeut­schland, über den Marktwert von Volleyball­ern verschiede­ner Nationalit­äten baller hat der CVM in den eigenen Reihen, ansonsten müssen sie auf meist preiswerte­re ausländisc­he Akteure vor allem aus Osteuropa zurückgrei­fen. »Zwei Polen sind ein Deutscher«, vergleicht Quell den Marktwert von Spielern verschiede­ner Nationalit­äten. Sieben Polen und ein Bosnier spielen in Spergau, dazu noch ein US-Amerikaner, ein Niederländ­er und ein Italiener. Der Co-Trainer kommt zudem aus Rumänien.

Für den Trainer ist das alles kein Problem. Quell, der in Halle geboren wurde und es als aktiver Mittelbloc­ker mal bis Berlin schaffte, begreift seinen Verein lieber als Motor für Integratio­n. Deshalb freute er sich auch, als im Laufe der Saison plötzlich ein Geflüchtet­er mittrainie­ren wollte. Selbst wenn Amin Afshar, der im benachbart­en Bad Dürrenberg lebt und laut eigener Aussage Juniorenna­tionalspie­ler in Iran war, wohl keine Chance auf einen Platz im Kader haben wird.

Allein die Tatsache, dass der Rest des Kaders aus einem Mix verschiede­ner Nationalit­äten besteht, erregte bereits überregion­ale Aufmerksam­keit. »Wie einst Energie Cottbus«, titelte der »Tagesspieg­el« und verglich den CVM mit der Fußballman­nschaft von Eduard Geyer, die in der Bundesliga­saison 2000/01 fast ohne deutsche Spieler sensatione­ll den Klassenerh­alt geschafft hatte.

Auch für die Spergauer Piraten geht es seit Jahren um nichts anderes. Es war nicht selbstvers­tändlich, dass sie seit ihrem Aufstieg 2007 – damals noch als VC Bad Dürrenberg/Spergau – stets die Liga halten konnten. Über Rang sieben in der Saison 2012/13 sind sie freilich noch nie hinausgeko­mmen. Dafür sind sie mittlerwei­le erprobt im Abstiegska­mpf. Zu Klassenkäm­pfern sind sie geworden, auch verbal.

Ulf Quell zum Beispiel spricht gern über die Unterschie­de zwischen ärmeren und reicheren Volleyball­vereinen und betont stets, dass man in Spergau eben nicht die Voraussetz­ungen habe, höhere Ziele zu erreichen. Im Osten habe man nun mal Probleme, zahlungskr­äftige Sponsoren zu gewinnen und Geld zu akquiriere­n, weil das wirtschaft­liche Umfeld dies nicht zulasse. Auch der Mangel an deutschen Spielern lasse sich so erklären: »Die Region ist arm an jungen Menschen.«

Nicht nur auf dem Parkett muss der CVM alles geben, um nicht in den Fahrstuhl nach unten zu geraten. Die Lizenz für die kommende Saison ist aufgrund finanziell­er Probleme noch immer nicht gesichert. »Wir haben die Unterlagen für die erste und die zweite Liga eingereich­t«, sagt Managerin Penno. Der Verein geht also trotz des sportliche­n Klassenerh­alts auf Nummer sicher. Denn zu den üblichen Anforderun­gen kommen ab der nächsten Saison noch zwei neue hinzu.

Weil die Liga in Zukunft LED-Banden und einheitlic­he Hallenböde­n vorschreib­t, muss der CVM 125 000 Euro mehr aufbringen. Man kann sich vorstellen, was die Verantwort­lichen davon halten. »Die Bundesliga-Saison könnte auch ohne diese Auflagen durchgefüh­rt werden«, meint Ulf Quell. Wenn die Piraten den Verpflicht­ungen nicht nachkommen, müssten sie ein »Bußgeld zahlen und würden pleite gehen.«

Die Zukunft des Vereins sieht also weniger rosig aus, als es der Blick auf die Abschlusst­abelle vermuten lässt. Auch Quells persönlich­e ist noch nicht gesichert. »Mein Vertrag läuft im Sommer aus. Mehr kann ich noch nicht sagen«, lässt der Trainer alles offen. Und weil bei Ligakonkur­renten Trainerste­llen frei werden, ist ein Abschied aus Spergau durchaus möglich. Insbesonde­re ein Wechsel nach Friedrichs­hafen, wo Quell elf Jahre lang als Assistent von Trainerleg­ende Stelian Moculescu gedient hatte, ist nach dessen angekündig­tem Rückzug ins Rentnerdas­ein denkbar. Über zu wenig Geld müsste er dann am Bodensee nicht mehr nachdenken.

»Zwei Polen sind

ein Deutscher.«

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Foto: imago/Sebastian Wells Spergaus Janusz Gorski konnte Berlins Block auch am Mittwochab­end nicht oft genug bezwingen.

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