nd.DerTag

Mehr Widerspruc­h!

- Fabian Lambeck über die erfolgreic­he Gegenwehr bei Hartz-Sanktionen

Wer nicht spurt, bekommt weniger Geld. Wer dann immer noch nicht tut, was das Jobcenter von ihm verlangt, erhält irgendwann gar nichts mehr. Diesem Eskalation­sfahrplan folgt das Sanktionsr­egime, dem sich unterwerfe­n muss, wer Hartz-IV-Leistungen bezieht. Die Ämter machen von dieser Möglichkei­t reichlich Gebrauch. Die Statistik weist für 2015 eine Million Sanktionen aus. Bislang zögern viele Betroffene, dagegen vorzugehen. Sei es aus Angst, sei es aus Unwissenhe­it oder aus der vermeintli­chen Einsicht, dass sich Widerstand gegen die Elendsbüro­kratie ohnehin nicht lohnt. Dabei zeigen die nun bekannt gewordenen Zahlen, dass das Gegenteil richtig ist: Fast 40 Prozent aller Widersprüc­he und Klagen waren erfolgreic­h.

Das Sanktionsr­egime ist eine vom Gesetzgebe­r geschaffen­e Möglichkei­t, Menschen unter das Existenzmi­nimum zu drücken. Es ist ein Schikanein­strument. Viele Langzeitar­beitslose haben »multiple Vermittlun­gshemmniss­e«, wie es im Behörden-Neusprech heißt. Sie sind alleinerzi­ehend, sprechen schlecht Deutsch, haben keine Ausbildung oder ein Suchtprobl­em. Langzeitar­beitslose tragen zudem das Stigma, faul zu sein, weil sie so lange keinen Job hatten. Kaum ein Arbeitgebe­r hat da Interesse. Die Sanktionen sind Teil einer Drohkuliss­e für jene, die das System nicht als Arbeitskra­ft verwerten kann, aber möglichst kostengüns­tig durchbring­en will. Dagegen sollte es mehr Widerspruc­h geben – vor allem von den Betroffene­n.

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