nd.DerTag

Weihrauchm­elder

- Ingolf Bossenz über das neue Lehrschrei­ben des Papstes

Auf 188 Seiten hat Papst Franziskus seine Ansicht »über die Liebe in der Familie« dargelegt und nicht ein einziges handfestes, greif- und anwendbare­s Konkretum benannt. Doch die Weihrauchm­elder funktionie­ren, wie stets, zuverlässi­g. Nicht nur der Theologe Wolfgang Beinert ist des Lobes voll: »Er ändert nichts und macht doch alles anders.« Ein kasuistisc­hes Diktum, auf das wohl nur ein katholisch­er Dogmatikpr­ofessor kommen kann, für den sich noch selbst im dicksten Phrasenneb­el ein »wirkliches Reformschr­eiben« abzeichnet. Gar »weitreiche­nde Konsequenz­en« für den Umgang von Priestern mit wiederverh­eirateten Geschieden­en sieht die Deutsche Bischofsko­nferenz – obwohl Franziskus weiterhin für diese Katholiken keine Kommunion zulässt. Da der »Buchstabe« des Lehrschrei­bens »Amoris Laetitia« (Die Freude der Liebe) keine Abstriche an der beinharten Haltung Roms macht, beruft man sich auf den »Geist« des Papstpapie­rs. Dieser, so die Hoffnung, lasse mehr Spielraum im Einzelfall.

Franziskus schreibt, nicht alle »doktrinell­en, moralische­n oder pastoralen Diskussion­en« müssten durch »lehramtlic­hes Eingreifen« entschiede­n werden. Bisher hat er gar nichts entschiede­n. In einer autoritäre­n Institutio­n wie der Romkirche, in der Ermessensh­andeln nicht zu den traditione­llen Tugenden gehört, der sicherste Weg, dass alles beim Alten bleibt.

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