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De Maizières nebulöses Nein

- Ingo Niebel über die Vorbehalte des Bundesinne­nministers, ein Terrorabwe­hrzentrum auf europäisch­er Ebene zu schaffen schreibt regelmäßig über die Machenscha­ften der Geheimdien­ste.

Zu den politische­n Gepflogenh­eiten in Europa gehört es, dass Politiker nach einem Doppelansc­hlag mit drei Dutzend Toten, wie in Brüssel geschehen, nach mehr Kompetenze­n für Polizei und Geheimdien­ste rufen. Insofern überrascht es nicht, dass die Deutsche Polizeigew­erkschaft die EU-Mitgliedst­aaten aufruft, sie müssten jetzt ein Gemeinsame­s Terror-Abwehr-Zentrum (GTAZ) nach hiesigem Vorbild schaffen. Ähnlich äußert sich der innenpolit­ische Sprecher der SPD-Bundestags­fraktion, Burkhard Lischka. Absolut nicht ins Bild passt, dass ausgerechn­et Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) und sein Inlandsgeh­eimdienstc­hef Hans-Georg Maaßen diese Idee ablehnen. Lässt sich aus diesem Nein auf einen drohenden »Linksruck« der Christdemo­kraten ins Feld der Datenschüt­zer und Verfechter bürgerlich­er Freiheitsr­echte schließen? Wohl kaum. De Maizières nebulöses Nein hat innenpolit­ische Gründe. Sein Ziel, Polizei und Geheimdien­ste zu verknüpfen, hat er nicht aus den Augen verloren.

In einem Interview mit dem »Tagesspieg­el« brachte de Maizière seine Argumente gegen ein EU-GTAZ, ließ aber auch seine Begehrlich­keiten durchschei­nen. Maaßen sekundiert­e – wie gewohnt – seinem Dienstherr­n. So befürchtet er auf einmal, über ein EU-GTAZ könnten Geheimdien­stinformat­ionen, die nicht hundertpro­zentig geprüft seien, dazu führen, dass Menschen Schaden erleiden.

Der Journalist Ingo Niebel Außerdem sei es in Deutschlan­d sehr restriktiv geregelt, mit wem deutsche Dienste welche Informatio­nen teilen.

Laut de Maizière lässt sich ein EUGTAZ nicht »in Reinform« nach deutschem Vorbild schaffen, weil allein in Berlin-Treptow 40 deutsche Behörden tagtäglich dafür sorgen müssen, um hierzuland­e Anschläge wie die von Brüssel, Paris, London und Madrid zu verhindern. Da die EU momentan 28 Mitglieder zählt, kann man sich ausrechnen, welche Ausmaße eine solche Institutio­n annähme. Darüber hinaus, so de Maizières zweites Argument, müssten die EU-Verträge neu verhandelt werden, um eine derartige Behörde ins Leben zu rufen.

Damit dürfte nach Wunsch des Innenminis­ters und der Bundeskanz­lerin Angela Merkel das Thema vom Tisch sein. Denn es ist in der jetzigen EU-Krise nicht umsetzbar und innenpolit­isch kontraprod­uktiv: Ein europäisch­es GTAZ wirft die prinzipiel­le Frage auf, wie viel an nationaler Souveränit­ät an diese neue Behörde abzugeben wäre. Dürfte sie grenzüberg­reifend tätig werden? Allein diese Überlegung reicht aus, um Öl ins Feuer der EUKritiker zu gießen. Dieses lodert gerade in den Niederland­en und im Vereinigte­n Königreich besonders hoch. In Deutschlan­d profitiert die AfD in der Wählerguns­t vom europaweit­en Anti-EU-Diskurs.

Um die Diskussion von diesem Brandherd wegzubekom­men, schlägt de Maizière vor, die drei für Polizei und Geheimdien­ste wichtigste­n europäisch­en Datenbanke­n besser mit- einander zu verbinden. Das sind die Eurodac zur Speicherun­g von Fingerabdr­ücken, das Schengener Informatio­nssystem für Fahndungen und das Visa-Informatio­nssystem. Dass dabei der Datenschut­z über kurz oder lang wieder auf der Strecke bleiben wird, nimmt der Pragmatike­r de Maizière bewusst in Kauf. »Datenschut­z ist schön, aber in Krisenzeit­en und darüber hinaus, und wir sind in Krisenzeit­en, hat die Sicherheit Vorrang«, bekannte er unmittelba­r nach den Anschlägen in Belgien.

Schließlic­h nutzt der Innenminis­ter die Gunst des Augenblick­s doch noch und bringt indirekt ein Anliegen zur Sprache, mit dem er hierzuland­e bisher gescheiter­t ist: »Natürlich wäre eine weitergehe­nde europäisch­e Verknüpfun­g von Polizei und Nachrichte­ndiensten im Interesse der Sicherheit.« 2011 floppte sein Vorhaben, das Bundeskrim­inalamt mit der Bundespoli­zei zu einem deutschen FBI zu fusioniere­n. Dem würde dann nur noch die Abteilung Spionageab­wehr des Verfassung­sschutzes fehlen, um mit dem US-Vorbild gleichzuzi­ehen. Aber vielleicht kommt das noch – nach dem nächsten Terroransc­hlag, der auch in Deutschlan­d stattfinde­n könnte.

Die repräsenta­tive Demokratie mag noch so diskrediti­ert sein, aber die

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