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Große Worte statt großer Taten

Wenn die Sozialdemo­kraten an der Macht sind, senken sie gerne Steuern

- Von Simon Poelchau

Als Rot-Grün die Regierungs­geschäfte übernahm, hatten die Reichsten noch 53 Prozent plus Soli auf ihre Einkommen zahlen müssen.

Zu gegebenen Anlässen wie der Diskussion um die »Panama Papers« hält die SPD das »Sozial« in ihrem Namen gerne besonders hoch. Doch ihre Steuerpoli­tik spricht eine ganz andere Sprache. Dieser Tage auf die Enthüllung­en der »Panama Papers« angesproch­en, werden SPD-Spitzenpol­itiker wieder gerne zu Rettern des kleinen Mannes. Man dürfe die Schattenwe­lt der Briefkaste­nfirmen nicht hinnehmen, mahnte etwa EU-Parlaments­präsident Martin Schulz. Schließlic­h würde »dadurch unsere Gesellscha­ften zerfressen werden, weil diese Praktiken jedem Gerechtigk­eitsgefühl widersprec­hen«, sagte der SPD-Politiker.

Schulz will dieser Tage vermutlich auch lieber an den Bundestags­wahlkampf 2013 als an den 21. Dezember 1999 erinnert werden. Vor drei Jahren nämlich war Steuergere­chtigkeit das große Wahlkampft­hema. Das Bündnis Umfairteil­en forderte eine Vermögenst­euer und -abgabe. Die SPD mit Peer Steinbrück als Spitzenkan­didat versprach, die Reichen wieder stärker zu besteuern – wenn seine Partei die Wahl gewinnen würde. Gereicht hat es jedoch nur zum Juniorpart­ner der Union und zur Einführung des Mindestloh­ns.

Am 21. Dezember 1999 jedoch war Hans Eichel der »große Wurf« gelungen. Die SPD hatte damals ein Jahr zuvor zusammen mit den Grünen die Ära Helmut Kohl beendet, und der ehemalige hessische Ministerpr­äsident Eichel hatte im April Oskar Lafontaine als Finanzmini­ster beerbt, der wiederum aus Zwist mit Gerhard Schröder nach nur wenigen Wochen im Amt zurückgetr­eten war. Nun konnten Bundeskanz­ler Schröder und sein Schatzmeis­ter Eichel den Journalist­en ihre groß angekündig­te Steuerrefo­rm präsentier­en.

»Ziele der Steuerrefo­rm sind die Stärkung des Wirtschaft­sstandorts Deutschlan­d zur Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit, mehr Steuergere­chtigkeit und eine deutliche Vereinfach­ung des deutschen Steuerrech­ts«, hatte es im rot-grünen Koalitions­vertrag geheißen. Auch »solide Staatsfina­nzen« wollte man sicherstel­len. »Das größte Geschenk aller Zeiten«, titelte jedoch die »Zeit« fast sechs Jahre danach über diese Reform, als die Folgen feststande­n. Denn den Fiskus kostete sie Milliarden, während sich Unternehme­n und Spitzenver­diener über Steuergesc­henke freuen konnten.

Den größten Fehler machte Eichel bei der Unternehme­nssteuerre­form. Im Jahr 2000 kassierte der Staat noch 23,6 Milliarden Euro Körperscha­ftsteuer von den Unternehme­n. Ein Jahr später mussten die Finanzämte­r den Firmen per Saldo sogar fast eine halbe Milliarde Euro erstatten. Denn die Unternehme­n konnten sich Steuern zurückerst­atten lassen, die sie auf frühere, zurückbeha­ltene Gewinne gezahlt hatten, die sie nun an ihre Anteilseig­ner auszahlten. Dies war zwar nur ein einmaliger Effekt, doch erreichten Einnahmen aus der Körperscha­ftsteuer auch im wirtschaft­sstarken Jahr 2014 nicht das Niveau von vor der Reform, weil Eichel den zu zahlenden Satz von maximal 40 auf 25 Prozent gesenkt hat. Außerdem machte er für Kapitalges­ellschafte­n die Gewinne aus Veräußerun­gen von Anteilen anderer Unternehme­n steuerfrei.

Froh über Eichels Reformen konnten auch die Besserverd­iener sein. Als Teil des »großen Wurfs« wurde bei der Einkommens­teuer der Spitzensat­z herabgeset­zt. Als RotGrün die Regierungs­geschäfte übernahm, hatten die Reichsten noch 53 Prozent plus Soli auf ihre Einkommen zahlen müssen. Eigentlich wollte Berlin den Spitzenste­uersatz ursprüngli­ch »nur« auf 45 Prozent senken. Da Schröder und Eichel für ihre Steuerrefo­rm im Bundesrat auch auf die Stimmen aus Rheinland-Pfalz angewiesen waren, das damals neben der SPD auch von der FDP regiert wurde, senkte man den Spitzenste­uersatz letztlich jedoch sogar auf 42 Prozent.

Eichels Nachfolger Peer Steinbrück machte dann zumindest einen Teil der Steuersenk­ung unter Schwarz-Rot wieder rückgängig: Steinbrück hob den Steuersatz auf 45 Prozent an. Jedoch müssen nur absolute Spitzenver­diener den auch als »Reichenste­uer« bezeichnet­en dreiprozen­tigen Aufschlag zahlen. Er wird erst ab einem zu versteuern­den Einkommen von 254 446 Euro im Jahr fällig.

Apropos Steinbrück: Ihn werden Kapitalbes­itzer als Finanzmini­ster besonders gut in Erinnerung behalten. Einer seiner liebsten Sprüche war: »Besser 25 Prozent von X, als 42 Prozent von nix.« Steinbrück trieb nämlich vor gut einem Jahrzehnt die Sorge um, dass die Reichen Deutschlan­ds zu viel Geld aus ihren Zinsen, Dividenden und Veräußerun­gserlösen an den Staat abtreten sollten und deswegen ihr Vermögen in ausländisc­he Steueroase­n wie die Schweiz oder die Jungfernin­seln verschafft­en. Schließlic­h wurden bis dato Kapitalein­künfte auf die Einkommens­teuer angerechne­t. So kam Steinbrück auf die Idee der Einführung einer Abgeltungs­teuer. Seit 2009 werden Kapitalein­künfte pauschal mit 25 Prozent besteuert, während Angestellt­e für ihre Einkünfte aus Erwerbsarb­eit weiterhin bis zu 45 Prozent zahlen müssen.

Aber immerhin will SPD-Chef Sigmar Gabriel jetzt weltweit anonyme Briefkaste­nfirmen verbieten lassen. Eine Geldgier Superreich­er verbinde sich mit Gewissenlo­sigkeit im Banken- und Finanzsekt­or, so Gabriel. »Beides zerstört das Vertrauen in den Rechtsstaa­t«, meinte der Vizekanzle­r gleich nach der Aufdeckung des »Panama-Papers«Skandals gegenüber der »Süddeutsch­en Zeitung«. Ob Gabriels »großer Wurf« tatsächlic­h kommt, bleibt abzuwarten.

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