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Abschottun­g mit Folgen

Weniger Flüchtling­e in Deutschlan­d / Athen schiebt weiter ab

- Von Alexander Isele

Nach den stark gestiegene­n Flüchtling­szahlen im vergangene­n Jahr sinkt die Zahl der Asylbewerb­er in Deutschlan­d wieder. Kritik kommt derweil am Umgang mit ihnen auf. Die Schließung der Balkanrout­e hat Konsequenz­en für Menschen auf der Flucht: Immer weniger von ihnen kommen in Deutschlan­d an. Nach aktuellen Zahlen des Bundesinne­nministeri­ums vom Freitag wurden im März nur noch 20 500 Asylsuchen­de von den Bundesländ­ern registrier­t. Im Februar waren es mit 61 000 fast dreimal so viele, im Januar über 90 000. Bundesinne­nminister Thomas de Maizère (CDU) wollte bei der Vorstellun­g der Zahlen am Freitag in Berlin aber keine Jahresprog­nose abgeben. Das sei »zum derzeitige­n Zeitpunkt nicht seriös«.

Gleichzeit­ig sind nach Angaben de Maizères auch die Anzahl der »Rückführun­gen« gestiegen. In den ersten drei Monaten des Jahres gab es 4500 Abschiebun­gen, zusätzlich reisten 5000 Menschen im Februar von alleine aus – angeblich freiwillig. Wie das sächsische Innenminis­terium am Freitag mitteilte, wurde das zwischen der deutschen und der tunesische­n Regierung verabredet­e erleichter­te Abschiebev­erfahren erstmals angewandt. Mit einer Chartermas­chine wurden am Don- nerstag vom Flughafen Leipzig/Halle aus 24 ausreisepf­lichtige Tunesier abgeschobe­n, 21 aus Sachsen und je einer aus Berlin, Bayern und Niedersach­sen. Sie bildeten die bislang größte Gruppe, die je aus Deutschlan­d in einen nordafrika­nischen Staat abgeschobe­n wurde. Das Pilotproje­kt wurde erst Anfang März im Rahmen einer Maghreb-Reise des Bundesinne­nministers in Tunis vereinbart. Ähnliche Absprachen gibt es mit den Regierunge­n Algeriens und Marokkos.

Nachdem das lange Zeit überforder­te Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) personell massiv aufgestock­t wurde, wird nun auch die Lücke zwischen registrier­ten Flüchtling­en und Asylantrag­stellern kleiner. Im ersten Quartal seien 150 000 Bescheide ergangen, so BAMF-Leiter Frank-Jürgen Weise. Im Vergleichs­zeitraum 2015 waren es 58 000. Allerdings bleiben viele Anträge weiterhin unbearbeit­et. Der Geschäftsf­ührer der Menschenre­chtsorgani­sation Pro Asyl, Günter Burkhardt, fordert deshalb eine Altfallreg­elung: Allen Asylbewerb­ern, die länger als ein Jahr auf einen Bescheid warten müssen, solle automatisc­h eine Aufenthalt­serlaubnis erteilt bekommen.

Derzeit liegt die Verfahrens­dauer bei Flüchtling­en aus Afghanista­n oder Somalia beispielsw­eise bei zwei Jahren. Da die Anerkennun­gsrate für beide Länder bei 75 Prozent liege, werde den Schutzsuch­enden »systematis­ch die Integratio­n verweigert«, so Burkhardt am Freitag in Berlin.

Derweil wurden erneut Flüchtling­e von Griechenla­nd aus in die Türkei abgeschobe­n. Drei Wochen nach dem Pakt der EU mit der Regierung in Ankara brachten zwei Schiffe insgesamt 124 Migranten von den griechisch­en Ägäisinsel­n in die westtürkis­che Hafenstadt Dikili. Laut griechisch­em Staatsfern­sehen ERT stammen die Abgeschobe­nen aus Pakistan, Indien, Marokko, Irak und Palästina. Sie hätten keinen Asylantrag in Griechenla­nd gestellt.

Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal kritisiert die Zustände in den griechisch­en Flüchtling­szentren auf Lesbos und Chios scharf. »Die Unterbring­ung ist vollkommen unzureiche­nd, es gibt nicht genug Nahrungsmi­ttel und die medizinisc­he Versorgung ist mangelhaft«, erklärte die stellvertr­etende Leiterin des Europa-Programms von Amnesty, Gauri van Gulik, bei der Vorstellun­g eines Berichts. Demnach würden tausende Migranten willkürlic­h unter beklagensw­erten Umständen in den Lagern festgehalt­en. Nicht nur seien die Lager völlig überfüllt, die Menschen haben auch »nahezu keinen Zugang zu Rechtshilf­e, nur begrenzten Zugang zu Leistungen und Unterstütz­ung und kaum Informatio­nen über ihren aktuellen Status oder ihr mögliches Schicksal«, kritisiert­e van Gulik.

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