Abschottung mit Folgen
Weniger Flüchtlinge in Deutschland / Athen schiebt weiter ab
Nach den stark gestiegenen Flüchtlingszahlen im vergangenen Jahr sinkt die Zahl der Asylbewerber in Deutschland wieder. Kritik kommt derweil am Umgang mit ihnen auf. Die Schließung der Balkanroute hat Konsequenzen für Menschen auf der Flucht: Immer weniger von ihnen kommen in Deutschland an. Nach aktuellen Zahlen des Bundesinnenministeriums vom Freitag wurden im März nur noch 20 500 Asylsuchende von den Bundesländern registriert. Im Februar waren es mit 61 000 fast dreimal so viele, im Januar über 90 000. Bundesinnenminister Thomas de Maizère (CDU) wollte bei der Vorstellung der Zahlen am Freitag in Berlin aber keine Jahresprognose abgeben. Das sei »zum derzeitigen Zeitpunkt nicht seriös«.
Gleichzeitig sind nach Angaben de Maizères auch die Anzahl der »Rückführungen« gestiegen. In den ersten drei Monaten des Jahres gab es 4500 Abschiebungen, zusätzlich reisten 5000 Menschen im Februar von alleine aus – angeblich freiwillig. Wie das sächsische Innenministerium am Freitag mitteilte, wurde das zwischen der deutschen und der tunesischen Regierung verabredete erleichterte Abschiebeverfahren erstmals angewandt. Mit einer Chartermaschine wurden am Don- nerstag vom Flughafen Leipzig/Halle aus 24 ausreisepflichtige Tunesier abgeschoben, 21 aus Sachsen und je einer aus Berlin, Bayern und Niedersachsen. Sie bildeten die bislang größte Gruppe, die je aus Deutschland in einen nordafrikanischen Staat abgeschoben wurde. Das Pilotprojekt wurde erst Anfang März im Rahmen einer Maghreb-Reise des Bundesinnenministers in Tunis vereinbart. Ähnliche Absprachen gibt es mit den Regierungen Algeriens und Marokkos.
Nachdem das lange Zeit überforderte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) personell massiv aufgestockt wurde, wird nun auch die Lücke zwischen registrierten Flüchtlingen und Asylantragstellern kleiner. Im ersten Quartal seien 150 000 Bescheide ergangen, so BAMF-Leiter Frank-Jürgen Weise. Im Vergleichszeitraum 2015 waren es 58 000. Allerdings bleiben viele Anträge weiterhin unbearbeitet. Der Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt, fordert deshalb eine Altfallregelung: Allen Asylbewerbern, die länger als ein Jahr auf einen Bescheid warten müssen, solle automatisch eine Aufenthaltserlaubnis erteilt bekommen.
Derzeit liegt die Verfahrensdauer bei Flüchtlingen aus Afghanistan oder Somalia beispielsweise bei zwei Jahren. Da die Anerkennungsrate für beide Länder bei 75 Prozent liege, werde den Schutzsuchenden »systematisch die Integration verweigert«, so Burkhardt am Freitag in Berlin.
Derweil wurden erneut Flüchtlinge von Griechenland aus in die Türkei abgeschoben. Drei Wochen nach dem Pakt der EU mit der Regierung in Ankara brachten zwei Schiffe insgesamt 124 Migranten von den griechischen Ägäisinseln in die westtürkische Hafenstadt Dikili. Laut griechischem Staatsfernsehen ERT stammen die Abgeschobenen aus Pakistan, Indien, Marokko, Irak und Palästina. Sie hätten keinen Asylantrag in Griechenland gestellt.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert die Zustände in den griechischen Flüchtlingszentren auf Lesbos und Chios scharf. »Die Unterbringung ist vollkommen unzureichend, es gibt nicht genug Nahrungsmittel und die medizinische Versorgung ist mangelhaft«, erklärte die stellvertretende Leiterin des Europa-Programms von Amnesty, Gauri van Gulik, bei der Vorstellung eines Berichts. Demnach würden tausende Migranten willkürlich unter beklagenswerten Umständen in den Lagern festgehalten. Nicht nur seien die Lager völlig überfüllt, die Menschen haben auch »nahezu keinen Zugang zu Rechtshilfe, nur begrenzten Zugang zu Leistungen und Unterstützung und kaum Informationen über ihren aktuellen Status oder ihr mögliches Schicksal«, kritisierte van Gulik.