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Gefährlich­e Rabatte

Datenschüt­zer warnen vor Gesundheit­s-Apps und fordern gesetzlich­e Regelungen

- Von Ulrike Henning

Viele Smartphone­nutzer nutzen Programme, die bei gesunder Lebensweis­e helfen sollen. Datenschüt­zer sehen jedoch Probleme. Schon knapp ein Drittel der Bevölkerun­g ab 14 Jahren nutzt Gesundheit­sApps und sogenannte Fitness-Tracker. Ob auf dem Smartphone oder über uhrenähnli­che Zusatzgerä­te, es werden jede Menge Daten erhoben. Die kleinen Programme sind oft kostenlos, die Nutzer zahlen dennoch bereitwill­ig und unbesorgt – mit ihren Daten. Die sollen in Zukunft effektiver geschützt werden, fordern Datenschüt­zer von Bund und Ländern.

Dazu sollten Weitergabe von Gesundheit­s- und Verhaltens­daten an Dritte gesetzlich geregelt werden oder erst nach einer wirksamen Zustimmung erfolgen. So jedenfalls die Forderung auf der Frühjahrsk­onferenz der Datenschüt­zer am Donnerstag in Schwerin. Verlangt wurden auch datenschut­zfreundlic­he Technik und Voreinstel­lungen. Personenbe­zogene Informatio­nen sollten möglichst vermieden und Daten am besten anonymisie­rt verarbeite­t werden.

Die Gesundheit­sdaten gehen bisher über das Internet an die Anbieter und weitere Unternehme­n im Hintergrun­d. Von den Nutzern selbst darf man vermutlich in der Datenschut­zfrage am wenigsten erwarten: Die Aufzeichnu­ngen dienen ja der Gesundheit, das kann nicht schlecht sein, argumentie­ren viele. Einen bewusstere­n Umgang mit Daten fordern die Bundesbürg­er dagegen dann, wenn es um persönlich­e Gesundheit­sdaten geht, die in Arztpraxen und Kliniken erfasst wurden. Hier wünschen sich laut einer Umfrage 87 Prozent einen direkten Zugang.

Die interessie­rten Unternehme­n lassen nicht nur Algorithme­n in ihre Programme integriere­n, die komplette Persönlich­keitsprofi­le erstellen. Sie erfassen aus der Masse der Daten auch Nutzertype­n und Muster, die sich für abgeleitet­e Produkte verwenden lassen. Versichere­r gieren geradezu nach umfassende­n Informatio­nen über das Kundenverh­alten. Schon Unfälle mit dem Auto führen in der Regel zur Verteuerun­g entspreche­nder Versicheru­ngen, das Prinzip kann auch im Gesundheit­sbereich angewendet werden. Der private Versichere­r Generali will noch 2016 einen »Vitality«-Tarif starten – bei dem es Beitragsra­batte für gesunden Lebensstil geben soll.

Erste Modelle sind bereits auf dem Markt, eines bietet sogar die gesetzlich­e Krankenkas­se AOK Nordost an. Hier wird gesundes Verhalten – ein bestimmtes gemeldetes Fitnesspen­sum – mit einem Bonus belohnt, auch in bar einzulösen. Das Solidarpri­nzip der gesetzlich­en Krankenver­sicherung ist damit vielleicht noch nicht ausgehebel­t, aber zumindest in Frage gestellt. Genau vor solchen Vorteilsve­rsprechen warnten die Datenschüt­zer in Schwerin.

Die Nutzung der erhobenen Daten ist dabei nur ein Teil dessen, was die App-Anbieter interessie­rt. Der Zugriff auf weitere Angaben zum Nutzer eines Smartphone­s ist oft schon integriert, ohne dass es bemerkt wird. Neben diesem Datenhunge­r sind auch andere Probleme bei Gesundheit­sApps aufgefalle­n: Es fehlen häufig An- gaben dazu, wie fachlich fundiert die Aussagen sind und welche Quellen verwendet wurden. Viele der kostenlose­n Apps bieten Zusatzmodu­le oder Bücher an, die dann zu bezahlen sind. Wirtschaft­liche Motive der Anbieter bleiben ansonsten in der Regel verborgen. Auch das für gewerblich­e Anbieter verpflicht­ende Impressum fehlt häufig, so die unabhängig­e Testplattf­orm HealthOn aus Freiburg.

Dennoch sehen Mediziner und Kassen auch Vorteile in den kleinen Gesundheit­sprogramme­n: Sie könnten den Ärzten genauere Daten liefern und bessere Entscheidu­ngen begründen. Zumindest technikaff­ine Anwender wären über ihren Gesundheit­szustand besser informiert und womöglich aktiver. Unter dem Strich könnten Einsparung­en für die Kassen stehen.

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