nd.DerTag

Legitimer Schein

- Jam

Eine sogenannte Briefkaste­nfirma auf einem fernen Eiland (oder auch in Castrop-Rauxel zu gründen) ist, wie dieser Tage in den Wirtschaft­steilen der Zeitungen zu lesen war, nichts Illegales. Es sei durchaus rechtskonf­orm, sein Vermögen in solche Scheinfirm­en zu stecken, um damit zum Beispiel den Lebenswand­el der Geliebten zu finanziere­n, von der die Ehefrau und die Erben nichts erfahren sollen.

Mit diesem Beispiel berühren wir ein Thema, das besonders sensibel betrachtet werden muss: das der Moral. Was nämlich legal ist, gilt lange noch nicht als legitim. Umgekehrt ist nicht alles, was sich legitim nennt, legal. Die nach der Veröffentl­ichung der sogenannte­n Panama-Papiere entbrannte Debatte um das Unrechtmäß­ige an der Verschiebu­ng von Geldvermög­en in Scheinoder Briefkaste­nfirmen war nicht frei vom Moralisier­en. Im Begriff »Scheinfirm­a« liegt ja schon der moralische Vorwurf der Täuschung.

Neoliberal­e zucken bei solchen Argumenten mit der Schulter. Ihnen ist schon der Staat moralisch verdächtig, begreifen sie ihn doch als Instanz, die beständig in die Freiheit des Einzelnen eingreift und gegen den Widerstand legitim ist – auch wenn er nicht legal sein sollte. Aufrechte Liberale aber verweisen auf die Notwendigk­eit, dass es sehr wohl legitim sein kann, wenn der Staat die Rechte des Einzelnen beschneide­t, die diesbezügl­ichen Regeln aber demokratis­ch zustande kommen müssen und einer verfassung­srechtlich abgesicher­ten Gesetzgebu­ng bedürfen.

Gesetze kennen nicht die Unterschei­dung zwischen legal und legitim. Wer Briefkaste­nfirmen für illegitim, also unmoralisc­h hält, muss dafür eintreten, dass die Gesetze geändert werden und nicht die, die sich den Gesetzen auf eine von der Mehrheit als illegitim empfundene Art und Weise bedienen, an den Pranger stellen.

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