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Weniger Flüchtling­e in Hostels

Steigende Touristenz­ahlen und gesunkene Tagessätze machen Unterbring­ung von Geflüchtet­en unattrakti­v

- Von Johanna Treblin

Da Hostels in der Regel keine Verträge mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) abgeschlos­sen haben, können sie Flüchtling­e von einem auf den anderen Tag rauswerfen. 355 Geflüchtet­e leben aktuell in Hostels oder Pensionen. Zunehmend kündigen die Betreiber, und die Flüchtling­e müssen umziehen. Die Plätze in Gemeinscha­ftsunterkü­nften sind allerdings weiterhin rar. »Das beginnt jedes Jahr mit dem Osterge- schäft«, sagt Canan Bayram, die für die Grünenfrak­tion im Berliner Abgeordnet­enhaus sitzt. Über die Wintermona­te kommen weniger Touristen nach Berlin, und die Hostelbetr­eiber stellen freie Schlafplät­ze für Flüchtling­e oder Obdachlose zur Verfügung. Sobald es wärmer wird und mehr Urlauber in die Hauptstadt kommen, sinkt das Interesse der Hostelbetr­eiber, Flüchtling­e oder Wohnungslo­se aufzunehme­n.

Dieses Jahr kommt hinzu: Der Senat hat sich darauf verständig­t, die Höchstprei­se für Hostels von 50 auf 30 Euro zu senken. Die Unterbring­ung über das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wird also unattrakti­ver für die Betreiber von Touristenu­nterkünfte­n.

Problemati­sch ist zudem, dass die Hostels in der Regel nicht vertragsge­bunden sind. Theoretisc­h können sie die Bewohner daher von einem auf den anderen Tag hinauswerf­en. »Das kann ein Problem werden«, bestätigt Monika Hebbinghau­s, Sprecherin der Senatsverw­altung für Gesundheit und Soziales. Bisher sei allerdings nicht zu beobachten, dass durch die gesunkenen Tagessätze Flüchtling­e massenweis­e auf die Straße gesetzt würden. Bei Kündigunge­n bemühe sich das LAGeSo um schnellen Ersatz in anderen Unterkünft­en. Da es nur wenige freie Plätze in Gemeinscha­ftsunterkü­nften gebe, landeten manche Flüchtling­e auch in Notunterkü­nften. »Aber nicht in Turnhallen.«

Für Katharina Müller vom Berliner Flüchtling­srat ist das dennoch ein Problem. »Die Menschen werden aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen. Sie haben dort Kita-Plätze oder gehen in die Schule.« Nach dem Umzug müssen sie weiter fahren oder die Einrichtun­g wechseln. Wegen der höheren Unterbring­ungskosten versucht der Senat seit langem, die Plätze in Hostels zu reduzieren. Noch bevor die Zahl der ankommende­n Flüchtling­e im Sommer 2015 in die Höhe schnellten seien mehr als 1000 Flüchtling­e in Hostels untergekom­men, sagt Hebbinghau­s. Seitdem sinke die Zahl stetig. Insgesamt wurden laut der Senatsverw­altung 2015 in Berlin 39,4 Millionen Euro für die Unterbring­ung von Flüchtling­en in Ho- tels, Hostels oder Pensionen ausgegeben. Ein Platz kostete bis Februar 2016 zwischen 12,50 und 50 Euro, der Durschnitt lag bei 37,50. Seit März werden nicht mehr als 30 Euro gezahlt.

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Foto: imago/Gustavo Allabiso Umzüge reißen Flüchtling­e aus ihrer gewohnten Umgebung.

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