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24 Stunden Ausnahmezu­stand

Die Klinik am Flughafen Frankfurt am Main versorgt pro Jahr zwischen 30 000 und 50 000 Patienten

- Von Sandra Trauner, Frankfurt/Main dpa/nd

Die Flughafenk­linik am Airport Frankfurt/Main ist laut Fraport die größte ihrer Art. Kranke aus aller Welt landen hier, Passagiere brauchen Hilfe vor dem Abflug. Auch auf große Notfälle ist man vorbereite­t. Nicht immer sind es die großen Katastroph­en, die die Mitarbeite­r der Flughafenk­linik auf Trab halten. SARS, Ebola, Vogelgripp­e – bei solchen Epidemien rückt die Notfallamb­ulanz an Deutschlan­ds größtem Flughafen in den Fokus der öffentlich­en Aufmerksam­keit. Im Routinebet­rieb ist der medizinisc­he Alltag hier weniger spektakulä­r – aber spektakulä­r vielfältig.

Eine Frau etwa, die am Gepäckband ihr Kind zur Welt bringt. Verletzte Skifahrer, die auf einer Trage liegend auf ihren Weiterflug warten. Ein Passagier mit Flugangst, der seine Beruhigung­smittel zu früh nimmt, den Flug verpasst und statt am Urlaubsort am nächsten Tag in der Klinik aufwacht. Langweilig werde es hier nie, sagt Michael Sroka, Chef der Notfallamb­ulanz.

»Der Herzinfark­t ist der gleiche, aber das Setting ist ein anderes«, erklärt Sroka: Etwa wenn der Patient in einem Flugzeug sitzt, wenn er nur Chinesisch spricht, wenn sich dadurch der Flieger verspätet und alle anderen Passagiere stundenlan­g festsitzen. Der Arzt Sroka (44) liebt die Abwechslun­g – und er liebt Flugzeuge. Auf 150 000 Flugmeilen kommt er im Jahr, drei Weltreisen hat er schon gemacht. Laut Fraport ist die Frankfurte­r Flughafenk­linik die größte der Welt. Zwischen 30 000 und 50 000 Patienten zählt das Team pro Jahr: Fluggäste, Besucher, Flughafenm­itarbeiter und bisweilen auch die Opfer eines Verkehrsun­fall am benachbart­en Autobahnkr­euz.

Sanitäter bringen eine 82-Jährige mit gebrochene­m Arm. »Wir wollten nach Mallorca«, erzählt die alte Dame. Im Mannheimer Bahnhof sei sie rückwärts die Rolltreppe hinabgestü­rzt, im Zug wurden die Schmerzen schlimmer, statt zum Check-in brachte ihr Mann sie in die Ambulanz. Sie bekam einen Gips und den Rat, ins Krankenhau­s zu fahren. Länger bleiben darf hier ohnehin niemand. »Wir haben ja immer das Damoklessc­hwert Notfall über uns schweben«, sagt Sroka.

In einem der Behandlung­sräume wird einer Frau aus Ulm gerade der blutende Finger verbunden. Petra B. und ihr Mann haben die Tochter zum Flughafen gebracht. Im Auto hat sich die Mutter in den Finger geschnit- ten. Die Airport-Apotheke hat sie in die Klinik geschickt. »Ich will nur, dass jemand draufschau­t, bevor wir zurückfahr­en.« Draufschau­en müssen die Mitarbeite­r auch, wenn die Fluggesell­schaft Zweifel hat, ob der Passagier flugtaugli­ch ist oder zu krank; ob das Fieber, das die Mitreisend­en ängstigt, von Grippe herrührt oder von einer hochgefähr­lichen Infektions­krankheit.

Anabella (21) aus Gießen kommt gerade aus Brasilien. Sieben Monate hat sie dort studiert, am Tag vor dem Rückflug bekam sie Bauchschme­rzen. Jetzt steht die Studentin mit Riesenkoff­er und Travelruck­sack vor der Anmeldung und wartet auf ihre Untersuchu­ng. Auch nebenan sitzt ein Student: Tim (24) aus Darmstadt will nach Kolumbien fliegen und muss gegen Gelbfieber geimpft werden. Das ginge auch woanders, »aber hier kann man ohne Termin kommen«.

Geöffnet ist die Flughafenk­linik sieben Tage die Woche, 24 Stunden lang. Neben der Notfallamb­ulanz und den Notarztein­sätzen, die von hier aus gesteuert werden, hat die Flughafenk­linik noch eine dritte wichtige Aufgabe: Katastroph­enschutz. Das könnte ein Flugzeugab­sturz sein oder ein gefährlich­er Erreger, der über den Flughafen eingeschle­ppt wird. Einsatzplä­ne für ein »Desasterma­nagement« liegen in der Schublade.

In mannshohen Schränken liegen »Bio-Notfallset­s« für eine »Infektions­lage« bereit: Schutzanzü­ge, Brillen, Filtermask­en, Handschuhe, Schuhüberz­ieher. Im Routinebet­rieb liegen in den Isolierräu­me Patienten mit Magen-Darm-Infekt oder Masern, damit sie weder das Personal noch andere Patienten in der Klinik anstecken.

Was die Ärzte am Fraport sich wünschen: »Die Passagiere sollten vernünftig­er sein«, sagt Sroka. Nicht jeder alte Mensch sei in der Lage, einen Langstreck­enflug gut zu überstehen. Und wer schon beim Einsteigen kaum noch geradeaus gehen könne, sollte besser nicht im Flieger weitertrin­ken.

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Foto: dpa/Frank Rumpenhors­t Liebt die Abwechselu­ng: Michael Sroka, Leiter der Notfallamb­ulanz am Fraport

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