Sieben Tage, sieben Nächte
Als höchstes Kompliment für ein leckeres Essen galt früher, in meiner WG, der Vorschlag, davon »ein Pröbchen ins All« zu schicken. Bedauerlicherweise wurden niemals Anstrengungen in diese Richtung unternommen. Und das, obwohl offensichtlich die Weitsicht und das Bewusstsein vorhanden waren, dass nicht nur der mickrigen menschlichen Erdbevölkerung überaus interessante und höchst schmackhafte Zeugnisse der Kochkunst verloren gehen könnten, da diese nicht einmal notdürftig verschriftlicht wurden. Auch die in ihren Ausmaßen und in ihrer Bedeutung beachtliche Gesamtwelt würde auf alle Ewigkeiten ohne sie auskommen müssen. Und das ist nun wirklich ein Jammer.
Die Botschaften und Informationen, die an Bord der Sonden Voyager 1 und 2 seit 1977 in die Weiten des Alls unterwegs sind, bedürfen zweifelsohne der Ergänzung, hat doch die Menschheit durchaus einiges Wichtiges, Schönes und Leckeres hervorgebracht, das der Konservierung wert wäre.
Man muss sich einmal klar machen: Wenn morgen ein großer Meteorit mit ordentlich Schmackes angeflogen kommt und mit der Erde zusammenkracht, bleiben nur noch Gesteinsbröckchen übrig. Außer den Goldenen Schallplatten und ein bisschen Weltraumschrott ist dann alles hin, was an unsere Spezies erinnert. Schluss mit Pyramiden, Nanotechnik und Highland Single Malt. Keine »Odyssee« mehr, keine Bachsche Fuge, kein »Guernica« und keine HBO-Serie.
Sogar ohne Meteoriten ist es angesagt, dass wir uns rechtzeitig Gedanken machen, wie wir unsere hochgeschätzten Kulturerzeugnisse an die Außerirdischen kriegen, bevor es zu spät ist. Hier nämlich dürften in – kosmisch betrachtet – gar nicht allzu ferner Zukunft die Lampen ausgehen. Schon in fünf, sechs Milliarden Jahren wird sich die Sonne zum Roten Riesen mausern und das Dasein auf der Erde ziemlich ungemütlich machen. Dann ist guter Rat teuer.
Allein dass es ein Kunstwerk wie Homers »Odyssee« bis in die Gegenwart geschafft hat, muss als außerordentlicher Zufall und noch viel größeres Glück betrachtet werden; schließlich gibt sich die Menschheit größte Mühe, Kulturerzeugnisse, vorzugsweise die des jeweiligen Feindes, kaputtzumachen. Man muss der grausigen Tatsache ins Auge blicken, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte viel mehr Kunst und Kultur zerstört als erhalten wurde. Ja, dass es sich vielleicht bei »Odyssee«, »Göttlicher Komödie« und »Don Quijote« quasi nur um die BWare unter den literarischen Meisterwerken handeln könnte, während die wahrhaft größten zerstört wurden, Feuersbrünsten zum Opfer fielen oder in Schubladen vergessen wurden – und es eben versäumt wurde, zu gegebener Zeit wenigstens ein Pröbchen ins All zu schicken.
Aber noch ist was zu retten. Also ran an die Arbeit.