Kein Schwein interessiert sich für mich
Forschungsprogramme zu hässlichen Tieren bekommen in Australien schwerer Finanzierungszusagen.
Im Wissenschafts- und Forschungsministerium in Canberra werden täglich Entscheidungen über die Vergabe von Mitteln zur Erforschung der australischen Tierwelt getroffen. Beamte wühlen sich durch Antragsformulare und Dokumente. Spätestens aber bei der fotografischen Darstellung des Forschungsobjekts verliert oft auch der fachkundigste Sachbearbeiter den objektiven Blick. Pazifische Ratte – iiiiih widerlich; Fledermaus – hässlich wie Dracula. Der Koala hingegen ist sooo süß und das Schnabeltier (Platypus) herrlich skurril und sowieso einzigartig. Die Koala- und Platypusforscher können loslegen. Ratten- und Fledermausexperten schauen in die Röhre.
Nur elf Prozent aller seit 1901 durchgeführten Studien zu australischen Tieren haben sich mit Fledermäusen und Nagetieren beschäftigt, obwohl diese Spezies 45 Prozent aller australischen Tierarten ausmachen. Das haben Trish Fleming von der Murdoch Universität und Bill Bateman von der Curtin Universität herausgefunden. Für ihre im Fachblatt »Mammal Review« (DOI: 10.1111/ mam.12066) veröffentlichte Studie »Die Guten, die Bösen und die Hässlichen: Welche australischen Landsäugetiere sind für die Forschung am attraktivsten?« haben die beiden Wissenschaftler 14 248 Studien über 331 an Land lebende Säugetiere ausgewertet.
77 Prozent der Studien befassten sich mit Australiens »guter« Tierwelt. Das sind jene putzigen, ikonenhaften, populären Spezies wie Koalas, Kängurus oder jene, die auf den unschön klingenden Namen Kloakentiere hört. Das sind die vier Arten der Ameisenigel sowie die Schnabeltiere. Was die im Fachjargon auch Monotrematen genannten Tiere von allen anderen Säugetieren unterscheidet: Sie bringen keinen lebenden Nachwuchs zur Welt, sondern legen Eier. Bei den »guten« Tieren steht oft die taxonomische Forschung im Vordergrund, haben Jenkins und ihre Kollegen festgestellt. Die ökologische Rolle von Koalas und Wallabys findet weniger Beachtung.
Bei den »bösen«, aus Europa eingeschleppten Arten hingegen steht deren ökologische Funktion im Vor- dergrund, auch weil einige der Tierarten immense ökonomische Schäden verursachen. Kaninchen fressen als Nahrungsmittelkonkurrenten den einheimischen Tieren das Futter weg; im Magen von Katzen und Füchsen ist schon so manche Tierart für immer verendet; mangels natürlicher Feinde vermehren sich die europäischen Einwanderer explosionsartig. Ziel der Forschung: durch genaueste Kenntnisse der Lebensweisen die »Bösen« so effizient wie irgend möglich zu bekämpfen oder, besser noch, auszurotten. In manchen australischen Regionen ist die »Biomasse« der invasiven Tiere bereits größer als die der einheimischen. Der Schaden für die australische Wirtschaft durch die von europäischen Siedlern einstmals ein- geschleppten Tiere beläuft sich auf satte 181 Millionen Euro – jährlich.
Die hässlichen Tiere bleiben auf Strecke. Nicht zuletzt auch, weil »hässlich« synonym zu sein scheint mit ökologisch und kommerziell »nutzlos«. »Bei der Mehrheit dieser Spezies konnten die Forscher kaum mehr tun, als deren Existenz zu katalogisieren«, klagt Jenkins. Die Biologin verlangt: »Wir müssen die Ernährungsgewohnheiten, ihre Wahl des Lebensraums, ihre Nutzung des Lebensraums und ihr Fortpflanzungsverhalten dokumentieren, um Gefährdungen und Managementoptionen zu identifizieren.« Dass vor allem einheimische Nager Opfer der hungrigen »bösen« Tiere werden, stört kaum jemanden. »Australische Nagetiere (und Beuteltiere) haben eine höhere Ausrottungsrate als andere Säugetiergruppen«, heißt es in der Studie.
Die Ignoranz gegenüber den »hässlichen Tieren« ist aber nicht nur ein Phänomen der australischen Forschungsförderung. Auch global stehe nicht genug Geld für die präzise Erforschung als hässlich angesehener und nutzlos empfundener Tiere zur Verfügung, klagt Jenkins. Fast noch entmutigender für Wissenschaftler, so Jenkins weiter, sei die bestenfalls schwache Aussicht auf Veröffentlichung von Studien über hässliche Tiere in international renommierten Fachmedien. Diese würden von den Redakteuren der Fachblätter oft abgelehnt. Grund: »Kleinkariert und von begrenztem Interesse.«