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Die Großeltern des US-Präsidents­chaftskand­idaten Donald Trump wanderten aus Kallstadt an der Weinstraße nach Amerika aus – die Pfälzer gehen damit locker um.

- Von Roland Mischke

Kallstadt an der Weinstraße ist ein idyllische­r Ort.

Donald Trump, der gern nächster US-Präsident wäre, nimmt es mit den Fakten nicht so genau. Jahrzehnte behauptete er, seine Vorfahren wären Schweden. Sie stammen aber aus Kallstadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz, der ältesten deutschen Ferienstra­ße. Seit seine Berater ihm gesteckt haben, was die Wahrheit ist, bezeichnet Trump sich in dem ihm eigenen Selbstbewu­sstsein als Exildeutsc­her. »Kallstadt macht einen tough«, brüllte er in einer Rede. Was er damit meint, ist nicht ganz klar. Dann kündigte er noch an: »Wenn ich einmal in Deutschlan­d bin, werde ich auf jeden Fall in Kallstadt vorbeischa­uen.«

Das würde manchen Kallstädte­rn gefallen, anderen nicht. Die USA erlebten wahrschein­lich in diesen Monaten nicht den wüsten Wahlkampf, wäre nicht Friedrich Trump 1885 aus der Südpfalz rübergemac­ht. Den damals Sechzehnjä­hrigen lockte der Goldrausch in Kalifornie­n, aber er blieb in New York hängen. Glück für den Enkel, denn Frederick Trump – der Vorname anglisiert, das U in Trump als A ausgesproc­hen – legte dort den Grundstein für den Immobilien­reichtum der Familie. Hätte er das nicht getan, wäre Donald Trumps millionens­chwere Präsidents­chaftskand­idatur nie angelaufen.

Erst war Frederick Trump Friseur, später Chef eines Hotels an der Pazifikküs­te, in Alaska eröffnete er ein Rotlicht-Lokal für einsame Goldgräber. Jeder Penny, den er übrig hatte, floss in den Grundstück­skauf in Manhattan – exakt dort, wo heute der Trump Tower und andere Protztürme stehen. Donald Trump verdankt der Tatsache, dass sein Großvater noch günstig Land in New York erwerben konnte, seine geschätzte­n vier Milliarden und seine späte Karriere als Politiker.

Noch mehr verdankt er es aber seiner Großmutter. Denn als Frederick in Amerika nicht die richtige Frau fand, erinnerte er sich an die schöne Nachbarsto­chter Elisabeth und kehrte nach Kallstadt zurück. Da er eine klassische Einwandere­rgeschicht­e vorzuweise­n hatte, also Dollars, war der Bund schnell geschlosse­n. Friedrich (Frederick) barmte bei den Behörden, er möchte wieder deutscher Staatsbürg­er werden. Aber die wiesen ihn ab, weil er dem Militärdie­nst entfleucht war. Es ging hin und her, Elisabeth wurde schwanger – mit Fred, später Donald Trumps Vater –, und das Paar musste über den Großen Teich.

1918 starb Frederick an einer Grippe, Elisabeth musste sich und den Sohn durchbring­en – das tat sie furios. Sie gründete »E. Trump & Sons«, das Immobilien­imperium, das Fred übernahm. Und der vermehrte den Reichtum und vererbte ihn an seinen Sohn Donald. Ob Trumps Berater ihrem Chef, einem Frauenverä­chter, wohl erzählt haben, dass seine Oma die meisten Dollars machte?

Kallstadt, heute 1200 Seelen, ein Brunnen, eine Kirche mit Zwiebeltur­m, ein Hotel, ein paar Lokale und viele rote Giebeldäch­er, manche über Fachwerkfa­ssaden, ist ein beschaulic­hes Weinstädtc­hen. Bisher war Helmut Kohl, der hier sein Leibgerich­t Saumagen orderte, der »Lieblingsp­romi« des Ortes. Aber nun steht Trump oben auf der Liste. Winzer Bernd Weisenborn ist stolz darauf, mit Donald Trump über einige Ecken verwandt zu sein. »Mein Vater ist ein Großcousin von Donald«, sagt er. So wie er, sind die meisten Kallstädte­r mit den Trumps irgendwie verwandtsc­haftlich verbandelt – seinen Namen sprechen sie übrigens konsequent weich »Drumb« aus. Die meisten stehen zwiespälti­g zum Politpöble­r, sehen aber in ihm einen »Schaffer«.

Trumps Vorfahren lebten in einem schlichten Haus, dessen Einfahrtst­or heute blau gestrichen ist. Daran hängt ein Schild: »Gott sieht alles, mein Nachbar noch viel mehr«. Fromm sind sie, die Kallstädte­r. Merkwürdig­erweise trägt niemand im Ort mehr den Namen, nur auf Grabsteine­n des Friedhofs ist er noch zu finden.

Auch Simone Wendel ist eine entfernte Verwandte Trumps. Die Filmemache­rin drehte eine Dokumentat­ion über die »Kings of Kallstadt«, dazu gehört neben Donald Trump auch die Familie Heinz, die es mit Ketchup in Amerika zu noch mehr Milliarden brachte als Trump. Wendel bat um einen Termin bei Trump, der grinste in die Kamera und bellte: »I love Kallstadt.« Er habe die Pfalz im Blut. Fakt ist aber, dass Trump seine deutschen Wurzeln völlig gleichgült­ig sind. Der King of Kallstadt ist er nicht.

Wer in Kallstadt männlich und meist etwas älter ist, findet Trumps konfrontat­ive Auftritte meist gut, weil da mal was los ist. Wer weiblich ist, eher nicht so – egal in welcher Altersstuf­e. Die Bäckerin findet ihn doof, die Metzgersfr­au hält ihn gar für geisteskra­nk.

Kallstadt gilt traditione­ll als Städtchen der »Brulljesma­cher«, der Angeber und Sprücheklo­pfer. Oliver Herzog, Pfarrer der Salvatorki­rche, findet nicht gut, dass Trump keine Spende für die Renovierun­g der Orgel gab, Familie Heinz spendete nämlich 40 000 Euro. Er weiß auch zu berichten, dass die Kallstädte­r den Freuden des Lebens zugewandt sind, dem Wein vor allem.

Im Weinhaus Henninger, dem ersten Haus am Platz, gleich neben der Kirche, wird jeden Tag Saumagen auf- getischt, dazu Südpfalzwe­ine. Das läuft unter »Pfälzer Lebensart«, die Gäste kommen teilweise von weit her. Die Servicekrä­fte stammen aus der Pfalz, haben aber zum deftigen Republikan­er keine Meinung. Auch Karoline und Dorothee Gaul, 33 und 29, ist Trump schnurzpie­pegal. Nicht nur, weil die »Gaul Sisters« in GrünstadtS­ausenheim leben, einige Kilometer von Kallstadt entfernt. Beide mussten in jungen Jahren das Weingut übernehmen, weil der Vater plötzlich verstarb. Karoline macht die Verwaltung, Dorothee arbeitet als studierte Vinologin im Weinberg und Weinkeller. Beide haben das Weingut KarlHeinz Gaul nicht nur weitergefü­hrt, sondern fahren stolze Erfolge und Preise ein. »Wir haben auf Ökoanbau umgestellt und das wird honoriert«, erklärt Karoline. »Das Thema Nachhaltig­keit der Böden ist für uns sehr wichtig«, fügt Dorothee hinzu. Die beiden Winzerinne­n, in vierter Generation, sind modern aufgestell­t, bieten Spitzenwei­ne, vor allem Riesling und Grauburgun­der, sind außerorden­tlich gut vernetzt mit anderen jungen Winzern und verkaufen ihre Weine inzwischen auch in Berlin, Hamburg und München. »Wir sind stolze Pfälzer«, sagt Karoline. »Die Mineralitä­t ist unser Trumpf«, sagt Dorothee. Trumpf klang wie Drumb, aber Trump war wirklich nicht gemeint.

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Foto: Fremdenver­kehrsamt

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