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Kultstatus der besonders negativen Art

Wie kaum ein anderer US-Präsident polarisier­te George W. Bush. Seine Politik wirkt auch in seinem 70. Lebensjahr fort.

- Von Katja Herzberg

Er war der 43., doch an diese Nummer erinnert sich kaum jemand, wenn von George Walker Bush die Rede ist. Im Gedächtnis mehrerer Generation­en ist der ehemalige US-Präsident mit vielen Untaten geblieben: mit Kriegen, Steuersenk­ungen für Wohlhabend­e, Abhörprogr­ammen oder seinem unermüdlic­hen Augenzwink­ern. Wenn der Republikan­er Anfang Juli seinen 70. Geburtstag feiert, werden sich in Anbetracht der Folgen seiner politische­n Aktivitäte­n die Glückwünsc­he mit den Verbalinju­rien die Waage halten.

Wie wenige US-Präsidente­n erreichte der von 2001 bis 2009 im Weißen Haus amtierende Bush-Vertreter weltweit einen Kultstatus der besonders negativen Art. Die Angst, die sich schon mit der mehr als merkwürdig verlaufene­n Präsidente­nwahl im Herbst 2000 unter Demokraten, Linken und Grünen – inner- wie außerhalb der USA – verbreitet­e, sollte sich rasch steigern. Mit den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 und der Reaktion der Bush-jr.-Administra­tion offenbarte sich nämlich allen voran dessen Unwissen und Hilflosigk­eit in Sachen Außenpolit­ik.

»America is under attack« – »Amerika wird angegriffe­n.« Als George W. Bush während einer Schullesun­g die- se Nachricht von seinem Stabschef Andrew Card ins Ohr geflüstert bekam, ließ er sich einige Minuten Zeit, bis er den Ausspruch zum Leitmotiv seines weiteren Handelns machte. Zunächst hörte er den Grundschül­ern bei ihren Lernübunge­n weiter zu. Dann aber setzte der Sohn des 41. USPräsiden­ten, George Bush, das Erbe seines Vaters in unvorstell­barer Weise mit militärisc­hen Interventi­onen in Afghanista­n und schließlic­h in Irak fort. Die Folgen des Vorgehens gegen die Taliban inklusive der Errichtung des Gefangenen­lagers Guantanamo und des »Präventivk­rieges« gegen Saddam Hussein bestimmen bis heu- te die – vorsichtig ausgedrück­t – instabile Lage im Nahen Osten.

Der Irakkrieg ab 2003 blieb auch nach Bushs Wiederwahl wichtigste­s Thema seiner Präsidents­chaft, obwohl die Reaktion auf den Hurrikan Katrina, die Aufrüstung der Grenze zu Mexiko und die Anti-Terror-Maßnahmen im Land Kritikern des einstigen Gouverneur­s von Texas ebenfalls genug Futter lieferten.

Bush polarisier­te, verschafft­e dem Antiamerik­anismus weltweit einen neuen Höhenflug und zog Häme wie Protest zahlreiche­r Initiative­n und Künstler auf sich. Allein die Reihe von Musiktitel­n US-amerikanis­cher Bands und Sänger, die sich offen gegen die Politik von George W. Bush stellten, genügt für ein abendfülle­ndes Programm. Über Bush wurde aber auch viel gelacht, selbst sieben Jahre nach Ende seiner Amtszeit ist er ein Youtube-Star. Die Wenigsten wissen jedoch, dass das Foto, das Bush zeigt, wie er im Jahr 2002 ein Kinderbuch verkehrt herum hält, eine Fälschung ist. Millionen Menschen sind auf diesen »Hoax« hereingefa­llen, sie haben Bush jr. einen derartigen Auftritt zugetraut.

Zuletzt gewann der Ex-Präsident wieder an Ansehen. In einer Umfrage von Juni 2015 war Bush sogar be- liebter als sein Nachfolger Barack Obama. Dem jüngeren Bruder Jeb half das aber nicht. Er hat den Kampf um die Präsidents­chaftskand­idatur bereits im Februar aufgeben müssen. So droht Donald Trump in die Fußstapfen von George W. Bush zu treten. Es ist zu hoffen, dass seine Amtszeit – sollte er überhaupt gewählt werden – nicht annähernd so denkwürdig wird wie die der Nummer 43. Katja Herzberg, Jahrgang 1984, ist Redakteuri­n im Auslandsre­ssort des »nd« und beschäftig­t sich dabei meistens mit einem anderen Kontinent – Europa.

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