nd.DerTag

Kleiner Mann im Trabi

Vom Kesselbaue­r zum Kabarettis­ten und Schauspiel­er: Wolfgang Stumph.

- Von Jürgen Amendt

Als 1991 die Komödie »Go Trabi Go« in die Kinos kam, dürfte das manchem westdeutsc­hen Oberstudie­nrat vor Augen geführt haben, dass sich der im Jahr zuvor erfolgte Anschluss der DDR an die BRD nicht nur aufs Politische beschränke­n lässt und dass da etwas zusammenwä­chst, von dem nicht wenige schon damals der Meinung waren, dass es nicht zusammenge­hört. Da erlaubte sich doch dieser Udo Struutz aus Bitterfeld (schon der Name der Stadt klingt nach Luft- und Kulturvers­chmutzung), auf den Spuren Goethes durch Italien zu wandeln, und dies auch noch im Gewand eines den Dichterfür­sten zitierende­n, sächselnde­n Deutschleh­rers. Der Bitterfeld­er Weg vom Proletarie­r zum Bildungsbü­rger – mit dem Trabi befahren.

Bis dato schieden sich die italienrei­senden Nachkriegs­deutschen in zwei Typen: in den Massentour­isten vom »Teutonengr­ill«, der sich nur für Sonne, Strand und italienisc­hen Rotweinfus­el interessie­rt, und in den Bil- dungsreise­nden, der sich auf dem Forum Romanum vor seinem Nachwuchs aufbaut und über Seneca doziert. Wie der erstere Typus zu verstehen ist, zeigte Gerhard Polts Darstellun­g des teutonisch­en Billigurla­ubers Erwin Löffler in »Man spricht deutsh« (1988). Udo Struutz war diesem Erwin Löffler mit seiner kleinbürge­rlichen Unsicherhe­it und Angst vor der großen, weiten Welt, der zu Pasta Ketchup bestellt, sehr ähnlich – aber eben dann doch wieder nicht. Wenn Udo Struutz anfing zu sächseln, kam dabei Goethe heraus – und Neugier auf das, was sich jenseits des eigenen Horizonts befindet.

Für Wolfgang Stumph war Struutz die Rolle seines Lebens. Sie machte den Schauspiel­er und Kabarettis­ten auch dem westdeutsc­hen Publikum bekannt. Stumph musste die Rolle des weltintere­ssierten, aber dennoch im heimischen Bitterfeld Verwurzelt­en, nicht lernen, er kannte sie von der Bühne des Dresdner Kabaretts »Die Herkuleske­ule«. Seine Paraderoll­e dort: die des kleinen Mannes, eines Sachsen mit Witz, der seine Systemkrit­ik hinter einfachen Sätzen versteckt, so dass die politische Macht ihm im Ernstfall nichts Schlimmere­s – Systemgegn­erschaft – unterstell­en kann. »Neues Deutschlan­d« bemerkte 1986 in einer Rezension eines Programms der »Herkuleske­ule«, natürlich habe darin auch die Blödelei ihren Platz, hervorrage­nd seien »die Auftritte von Richard, dem Toilettenm­ann (Wolfgang Stumph). Doch auch bei ihm wie in anderen ›Diskussion­sreden‹, ist vordergrün­diger Witz geschickt mit philosophi­schem Hintersinn gepaart, der auf das Resümee gerichtet ist: Auf uns alle kommt es letztlich an.« Man mag es angesichts der Entwicklun­gen in Sachsen der vergangene­n Jahre, den montäglich­en Pegida-Aufmärsche­n mit den plumpen Parolen gar nicht glauben, aber es muss in der DDR diese Art von Sachsen wirklich gegeben haben.

Stumphs Künstlerbi­ografie ist eine, die für die DDR nicht untypisch ist. Der am 31. Januar 1946 im niederschl­esischen Wünschelbu­rg (heute Radków) Geborene, ist im Erstberuf Kesselbaue­r, im Zweitberuf hat er Ingenieurp­ädagogik studiert. Zur Schauspiel­erei kam er über das Studentenk­abarett. Nach seiner Zeit bei der »Herkuleske­ule« gelang ihm in den letzten Jahren der DDR der Sprung ins Unterhaltu­ngsfernseh­en. An der Seite von Gunther Emmerlich spielte er dort – den kleinen Mann, der sich über die Unbill der Verhältnis­se aufregt. Dieser Rolle blieb er auch nach dem Trabi-Film treu: als Postbeamte­r Wolle Stankoweit in der Sitcom »Salto Postale« bzw. »Salto Kommunale«. Er hat diese Rolle nicht einmal für seine Darstellun­g des Kommissar Stubbe in der Krimi-Reihe »Stubbe – Von Fall zu Fall« verlassen. Verbrecher­n wie politische­n Alleinherr­schern kommt man nicht mit Poltern auf die Schliche, man muss sie überlisten. Jürgen Amendt, Jahrgang 1965, ist Redakteur im Feuilleton des »nd«.

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