Legende aus Planitz
Jürgen Croy wird in diesem Jahr 70. Nicht wenige halten ihn für den besten Torwart, den es in Deutschland je gab.
Die Frage, wer der größte Fußballer war, der je im Trikot der DDR-Nationalmannschaft auflief, lässt sich ziemlich einvernehmlich beantworten, lässt man das Gewese um Jürgen Sparwassers 1:0 gegen die BRD 1974 und die 23 Länderspiele des Dynamo-Dresden-Stürmers Matthias Sammer mal außen vor.
Es ist Torwart Jürgen Croy von der BSG Sachsenring Zwickau, Olympiasieger 1976, 94-maliger Nationalspieler, wie auch die Leser der »fuwo« (»Die neue Fußball-Woche«) im Mai 1989 befinden, als sie ihn zum besten Fußballer in 40 Jahren DDR bestimmen. Es wird eine Wahl für die Ewigkeit – weder die Republik noch ihre Fußballer werden dieser Kür noch Großes folgen lassen.
Bis heute ist Croy unumstritten einer der besten deutschen Torhüter überhaupt: Sein Abwurf leitete bei der WM 1974 den unvergessenen 1:0-Sieg gegen Franz Beckenbauer, Sepp Maier und Co ein. Bayern-Trainer Udo Lattek schwärmte später: »Croy war eine Granate!« und DDR-Trainer Georg Buschner behauptete steif und fest: »Wäre Jürgen in München aufgewachsen, hätte Sepp Maier nur die zweite Geige gespielt.«
Selbst wer erst in den 80er Jahren in der DDR fußballerisch sozialisiert wurde, kam an »Croyer« nicht vorbei: Er war nicht nur von 1982 bis 1988 der Trainer der BSG Sachsenring Zwickau, sondern eine Legende – der Teufelskerl mit den riesigen Koteletten, der beim Elfmeterschießen im FDGB-Pokalfinale 1975 den entscheidenden Elfmeter selbst versenkte und diese Tat auch im darauf folgenden Europapokal der Pokalsieger beim Achtelfinale gegen den AC Florenz wiederholte. Danach wurde Celtic Glasgow bezwungen, ehe im Halbfinale gegen den RSC Anderlecht Schluss war. Eine BSG aus Zwickau im Halbfinale des Europacups: 7, 8, 9, 10 – Klasse!
Das erste Mal taucht der Name Jürgen Croy im April 1965 im »ND« auf. »Talentschau der Fußballjugend« heißt der Vorbericht vor dem jährlichen Juniorenturnier des europäischen Fußballverbandes namens »UEFA-Pokal«, an dem auch die DDRMannschaft teilnimmt. Zehn Tage später folgt schon der erste Jubelarti- kel: Der 18-jährige Croy und seine Kollegen haben das Finale gegen England in Essen gewonnen: 3:2 vor 23 000 begeisterten Zuschauern im Gruga-Stadion.
Im selben Jahr noch steht Croy im Oberligateam seiner BSG Sachsenring Zwickau erstmals zwischen den Pfosten und wird diesen Platz bis 1981 nur bei wenigen Gelegenheiten einem anderen überlassen. 372 Mal hütete er für die Westsachsen das Tor.
Zwickau war für den Ostfußball ein mythenumrankter Ort: Die dortige SG Planitz war 1948 erster Meister der Sowjetischen Besatzungszone und der Sachsenring-Vorläufer ZSG Horch Zwickau 1950 erster DDR-Meister. Croy ist 1946 im Stadtteil Planitz geboren, seine Treue zur Sachsenringelf legendär: Unzählige Male hat der Nationaltorwart (94 Einsätze, ohne die schwere Verletzung am Ende seiner Karriere wäre er international der erste Torwart mit 100 Länderspielen gewesen) nach der Wende die Geschichte erzählen müssen, wie man ihn aus dem Georgi-Dimitroff-Stadion wegzulotsen versuchte. Seine schlotternden Knie beim Gespräch mit den Funktionären, die Solidarität der Sachsenringwerker, die mit Streik gedroht haben sollen, falls er zu einem der Fußballklubs »delegiert« werde.
Dreimal bekommt Croy den Silbernen Fußballschuh als Fußballer des Jahres: 1972, 1976, 1978. Croy wurde schon nach dem Olympiasieg 1976 Ehrenbürger der Stadt Zwickau, wo er bis heute lebt.