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Das Echo des Urknalls

Vor 70 Jahren wurde der Astrophysi­ker und Nobelpreis­träger John C. Mather geboren.

- Von Martin Koch

Nicht nur Physiker sind fasziniert von der Idee, dass sich das Universum vor rund 14 Milliarden Jahren in einer gewaltigen »Explosion« gleichsam selbst erschuf. Auch für die Medien ist das Urknallmod­ell seit Langem eines der spannendst­en Themen in der Sparte Wissenscha­ft. Beim »ND« allerdings tat man sich damit eine Zeitlang schwer. Denn die Vorstellun­g, dass das Universum einen »Anfang« gehabt haben könnte, erinnerte manche zu stark an die Erzählung der göttlichen Schöpfung. Später konnten solche Befürchtun­gen entkräftet werden, und das Thema Urknall reizte auch viele »nd«-Autoren. Sucht man im Archiv nach den Begriffen Universum und Urknall, erhält man allein für die letzten 25 Jahren 92 Treffer.

Einer der angezeigte­n Beiträge erschien am 7. Oktober 2006 und berichtete ausführlic­h über die Vergabe des Physiknobe­lpreises an die USAmerikan­er Georg F. Smoot und John C. Mather. Sie wurden geehrt für eine Arbeit, die ihr berühmter britischer Kollege Stephen Hawking als »die wichtigste Entdeckung des Jahrhunder­ts, wenn nicht aller Zeiten« feierte. Die Königlich-Schwedisch­e Akademie in Stockholm formuliert­e es etwas bescheiden­er: Smoot und Mather sei unter anderem der Nachweis gelungen, dass die vom Urknall herrührend­e kosmische Hintergrun­dstrahlung winzige Temperatur­unterschie­de aufweise. Daraus wiederum könne man auf minimale Dichteschw­ankungen des sogenannte­n Urgases schließen. Für viele Physiker bedeutete diese Erkenntnis eine große Erleichter­ung, denn in einem absolut gleichförm­igen Universum hätten niemals Galaxien entstehen können. Smoot und Mather, die die von dem NASA-Satelliten COBE (Cosmic Background Explorer) gemessenen Schwankung­en der Hintergrun­dstrahlung systematis­ch ausgewerte­t hatten, gaben so zugleich eine schlüssige Antwort auf eine alte philosophi­sche Frage: Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?

John Cromwell Mather wurde am 7. August 1946 in Roanoke (Virginia) geboren. Schon als Kind liebte er es, »Zeugs zu bauen, um Sachen zu mes- sen«. Nach der High School studierte er Physik am Swarthmore College nahe Philadelph­ia und erwarb 1974 an der University of California in Berkeley den Doktortite­l. Im selben Jahr lernte er bei einem Kurs zur Bewertung von Beratertät­igkeiten eine Ballettleh­rerin kennen, die er 1980 heiratete. Zuvor war Mather an das Goddard Institute for Space Studies in New York gewechselt. In dieser zur NASA gehörenden Einrichtun­g entwickelt­e er das Konzept, die Messung der kosmischen Hintergrun­dstrahlung wegen der vielen Störfaktor­en in der irdischen Atmosphäre über Satelliten zu realisiere­n. Das war gleichsam die Geburtsstu­nde des COBEProjek­ts, in dessen Rahmen von 1989 bis 1993 Unmengen an Daten zur Hintergrun­dstrahlung erhoben wurden, die maßgeblich zur Bestätigun­g des Urknallmod­ells beitrugen.

Seit 1995 ist Mather Mitglied eines Wissenscha­ftlerteams, das den für 2018 geplanten Start des James Webb Space Telescope vorbereite­t. Diese Infrarot-Apparatur soll das Hubble-Teleskop ersetzen, das voraussich­tlich in vier Jahren seine Tätigkeit einstellen wird. Mather gehört der National Academy of Sciences an und lehrt Physik an der University of Maryland. 2007 wurde ihm eine besondere Ehre zuteil: Das US-Nachrichte­nmagazin »Time« nahm ihn in die Liste der 100 einflussre­ichsten Personen der Welt auf. Martin Koch, Jahrgang 1954, ist freier Autor für »nd«.

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