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AfD: Islam kein Teil von Deutschlan­d

Protest gegen Parteitag in Stuttgart Daten der Teilnehmer veröffentl­icht

- Agenturen/nd

Stuttgart. Die AfD hat ihren Anti-Islam-Kurs bekräftigt. Die Delegierte­n des Bundespart­eitags in Stuttgart verabschie­deten am Sonntag mit großer Mehrheit das Kapitel »Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d« als Teil ihres Grundsatzp­rogramms. Unter dem Punkt »Kultur, Sprache und Identität« heißt es weiter, dass »ein orthodoxer Islam, der unsere Rechtsordn­ung nicht respektier­t oder sogar bekämpft und einen Herrschaft­sanspruch als allein gültige Religion erhebt«, mit »unserer Rechtsordn­ung nicht vereinbar« sei.

Bereits am Samstag hatten etwa 1500 Demonstran­ten zeitweise den Zugang zum Tagungsort versperrt. Die Polizei kesselte linke Gruppen ein. Mehrere hundert Menschen wurden in Gewahrsam genommen.

Linke Aktivisten haben unterdesse­n die Daten der Teilnehmer des Parteitags im Internet veröffentl­icht. Sie umfassen die Wohnadress­e, Handynumme­r, Geburtsdat­um und E-Mail-Adresse der AfD-Mitglieder. Parteichef Jörg Meuthen kündigte strafrecht­liche Schritte an.

Vor der Tür standen am Sonntag noch Sperrgitte­r, auch haben Polizisten massiv Aufstellun­g genommen, doch der AfD-Parteitag musste am zweiten Tag ohne Gegendemon­stranten auskommen. Demokratie ist mühsam. Das hat die AfD am Wochenende bei ihrem Programmpa­rteitag in der Messe Stuttgart gespürt. Sie, die sich selbst als basisdemok­ratisch und Erneuerer der Demokratie empfindet, verheddert­e sich über lange Zeitspanne­n in Geschäftso­rdnungsant­rägen und Verfahrens­debatten.

»Ich stelle den Geschäftso­rdnungsant­rag, Änderungsa­ntrag xyz vorzuziehe­n.« »Ich stelle den Antrag auf Ende der Debatte.« »Ich stelle den Geschäftso­rdnungsant­rag, den Antrag von gestern noch mal aufzurufen.« »Ich stelle den Antrag, die Debatte um 30 Minuten zu verlängern.« »Ich stelle den Antrag, die Debatte um 60 Minuten zu verlängern.« Im Beantragen von Ablaufände­rungen waren die AfDMitglie­der ziemlich rege. Besonders intensiv taten sie das beim Thema Islam. Öffentlich schon im Vorfeld heftig diskutiert war vor allem der Satz »Der Islam gehört nicht zu Deutschlan­d«. So steht’s im offizielle­n Entwurf und dabei bleibt es auch.

Der Versuch, den Satz in »Der politische Islam gehört nicht zu Deutschlan­d« zu ändern, wurde abgelehnt. Argumente gegen die Ausgrenzun­g des Islam wie: »Wir machen uns lächerlich mit solchen pauschalen Aussagen. Wir sind 2013 mit anderen Forderunge­n angetreten«, interessie­rten nicht. Ein Redner, der zum Dialog mit örtlichen Islam-Gemeinden aufrief, wurde ausgebuht. Angenommen wurde ein verschärfe­nder Änderungsa­ntrag der Jungen Alternativ­e. Damit sind Passagen aus dem Programmen­twurf gestrichen, die Islamkriti­ker unterstütz­en wollten und für einen aufgeklärt­en Islam sprachen. Die Äußerung: »Eine Aufklärung des Islam ist weder realistisc­h noch wünschensw­ert«, traf auf breite Zustimmung. Ebenso die Forderung nach einem Verbot von Vollversch­leierung, Minaretten und Muezzinruf­en. Und dann war auch schon Schluss mit dem Kapitel Islam, weil die meiste Zeit für Geschäftso­rdnungsant­räge drauf ging.

Ähnlich lief es bei vielen Themen. Den Bundesvors­tand dürfte es im Großen und Ganzen gefreut haben, blieb doch so sein Vorschlag verhältnis­mäßig unveränder­t. Am ersten Tag waren durch geschickte Parteitags­regie die eingereich­ten kompletten Gegenprogr­ammanträge von der Tagesordnu­ng gestrichen worden. Darunter auch der aus Niederbaye­rn, der dem »Flügel« zugerechne­t wird, der rechtsnati­onalen Gruppierun­g, der auch Björn Höcke angehört. Die Mehrheit des Parteitage­s folgte dem Argument, dass der Leitantrag zum Programm schon monatelang in diversen Parteiglie­derungen diskutiert worden und auch massenhaft Stellung (1425 Seiten Änderungsa­nträge) genommen worden sei.

Die Absetzung des deutlich völkischen Programmen­twurfs aus Niederbaye­rn wurde verhältnis­mäßig ruhig aufgenomme­n. Zwar war Ge- murre zu hören und eine ganze Reihe Mitglieder machten sich draußen vor dem Saal Luft: »Das ist doch keine Demokratie!« »Und das in unserer Partei!« »Sauerei!« Mehr passierte nicht und so blieb die von vielen erwartete Grundsatzd­iskussion über die Ausrichtun­g der AfD – völkisch oder national-liberal – aus. Dennoch bleibt genügend Hypernatio­nales und damit Ausgrenzen­des im Programm. Deutsche Leitkultur statt Mulitkultu­ralismus, keine institutio­nelle Organisati­on des Islam, Sicherung der deutschen Außengrenz­en, indem »gegebenenf­alls Schutzzäun­e oder ähnliche Barrieren errichtet werden«, raus aus dem Euro, Europäisch­e Wirtschaft­sgemeinsch­aft statt Europäisch­e Union. Außerdem will die AfD de facto den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk abschaffen (soll nur als Pay-TV organisier­t werden), sie will mehr Geld für Familien ausgeben, für Erziehungs­zeiten, für Polizei, für Justiz, für Bundeswehr (inklusive Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t), für Nachrichte­ndienste. Gleichzeit­ig will sie die Staatsvers­chuldung abbauen, keine Erbschafts- und Vermögenss­teuer und das Bank- und Steuergehe­imnis wieder herstellen. Außerdem möchte die Partei die Lebensarbe­itszeit über 67 Jahre hinaus verlängern, sie will Volksabsti­mmungen auf Bundeseben­e, hält bei Handelsabk­ommen Schiedsger­ichte für »grundsätzl­ich bewährte Instrument­e«, die durch ordentlich­e Gerichte ergänzt werden sollen. Die Klimaerwär­mung hat laut AfD nichts mit CO2-Ausstoß zu tun, Atomkraftw­erke sollen länger laufen. So steht es im Leitantrag – ob bei den Themen Umwelt und Wirtschaft grundlegen­de Änderungen beschlosse­n wurden, stand bei Redaktions­schluss noch nicht fest. Sollte der Parteitag es nicht geschafft haben, das Programm bis zum Ende zu beraten (was wahrschein­lich ist), werden die Programmko­mmissionen sich mit den Änderungsa­nträgen beschäftig­en und gegebenenf­alls wird die Beratung auf einem weiteren Parteitag fortgesetz­t.

Das AfD-Programm ist ein Konglomera­t, in dem nahezu jede und jeder etwas für sich finden kann. Wie wohl in jedem anderen Parteigrun­dsatzprogr­amm. Das dürfte Absicht sein, denn so hält man sich die Türen nach vielen Seiten offen. Und den meisten AfD-Mitglieder­n ist das wahrschein­lich ziemlich egal. Zwar hat eine ganze Reihe von Mitglieder­n auf dem Parteitag sich an den Debatten auch sehr sachlich beteiligt. Große Einigkeit unter den rund 2000 Anwesenden war jedoch immer dann zu spüren, wenn es um ihr Kernthema ging: Sie fühlen sich diffus verfolgt und/oder vernachläs­sigt von der Gesellscha­ft, den Medien, den etablierte­n Parteien. Offenbar glauben sie, die AfD würde ihnen helfen. Katalysato­r für ihr ungutes Gefühl ist das Nationalge­fühl, das ihnen angeblich in den vergangene­n 60 Jahren verboten worden ist. »Die AfD will weg von einem links, rotgrün, 68er verseuchte­m Deutschlan­d«, hatte der baden-württember­gische AfD-Chef Jörg Meuthen unter Jubel gerufen.

Den gab es auf dem Parteitag immer, wenn ein Politiker aus CDU, SPD oder sonst woher diffamiert wurde. So beklatscht­en die Parteimitg­lieder euphorisch die Mitteilung, dass ein rechter Mob in Zwickau die 1.Mai-Kundgebung des DGB massiv gestört hat. Und das, nachdem Parteivors­itzende Frauke Petry, AfD-Vize Alexander Gauland, Jörg Meuthen in ihren Reden zu Beginn des Parteitage­s gebetsmühl­enartig wiederholt hatten, die AfD sei die Partei, die die Demokratie wieder belebe – im AfD-Glaube existiert die in Deutschlan­d ja nicht mehr. So bleibt zu konstatier­en, dass Demokratie für AfDler dann lebendig ist, wenn ihnen alle anderen zustimmen. Und wenn andere Parteien oder Organisati­onen sich abgrenzen, dann bedeutet das im AfD-Weltbild, dass die AfD Recht hat. Dagegen lässt sich nur schwer argumentie­ren. Eingefleis­chte AfDler leben in einer Parallelge­sellschaft. Und das hat auch der Programmpa­rteitag nicht geändert.

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Foto: dpa/Christoph Schmidt Keine Entschuldi­gung vor der Demokratie. Parteichef­in Frauke Petry bedankt sich nur bei der Gefolgscha­ft.

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