(Ohne) Rückgrat
Margrethe Vestager gilt als mutige Kämpferin gegen die großen Konzerne, doch im »LuxLeaks«-Prozess hat die EU-Wettbewerbskommissarin gekniffen: Beim Verhandlungstermin am Freitag sagte sie – angeblich aus Zeitmangel – nicht aus; die Verteidigung der angeklagten Whistleblower, die dubiose Deals zwischen den luxemburgischen Steuerbehörden und einzelnen Unternehmen enthüllt hatten, setzte auf die Aussage der dänischen Politikerin.
Dabei hat die heute 48-Jährige in ihrer Karriere schon öfter Rückgrat gezeigt. Etwa als es im Jahr 2000 eine Kampagne gegen sie als für die Kirchen zuständige Ministerin gab, da sie ihre drei Töchter nicht hatte taufen lassen: Sie blieb bei ihrer Haltung, dass ihre Kinder später selbst entscheiden sollten, ob sie getauft werden wollten.
Die Ökonomin war nach dem Studium in Kopenhagen und einigen Berufsjahren in Finanzbehörden früh in die Politik gewechselt. In zwei Mitte-Links-Regierungen leitete sie verschiedene Ressorts. Von 2007 an war sie auch Chefin der sozialliberalen Partei Det Radikale Venstre – bis sie sich 2014 aus der dänischen Politik zurückzog und nach Brüssel wechselte.
Als Wettbewerbskommissarin blieb sie ihrer Gesinnung treu. Sie scheute nicht den Konflikt mit Kommissionskollegen Günther Oettinger, als der sich für Fusionen von Telekomriesen aussprach, um auf dem entstehenden Digitalen Binnenmarkt starke EU-Player zu schaffen. Gerade erst warf sie Google wegen des mobilen Betriebssystems Android Missbrauch einer marktbeherrschenden Position vor und eröffnete eine Untersuchung, die für den US-Internetkonzern teuer werden könnte.
Aber auch gegen dubiose Steuerdeals geht Vestager vor. Gegen sieben Länder, darunter Luxemburg, laufen Verfahren. Unternehmen wie FiatChrysler und Starbucks mussten bereits hohe Nachzahlungen leisten. Umso enttäuschender ist für viele das Verhalten beim Prozess gegen die »LuxLeaks«-Whistleblower, denn Vestagers Beihilfeverfahren beruhen auch auf deren Enthüllungen. Ob sie den Konflikt mit ihrem Chef, Luxemburgs Ex-Premier JeanClaude Juncker, scheute?