nd.DerTag

Ein Ermittlers­tar verblasst

Eisenacher Polizeifüh­rer musste erneut vor den Erfurter Untersuchu­ngsausschu­ss

- Von Sebastian Haak, Erfurt

Michael Menzel galt lange Zeit als der »Held«, der die NSU-Terroriste­n Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt fasste. Tot, aber immerhin. Inzwischen ist dieser Nimbus beschädigt. Diesmal gab er sich manchmal sogar demütig. Eine Frage war schon drei Mal gestellt worden, Michael Menzel antwortete noch mal. Sachlich. Nicht mal die ständigen, von Verschwöru­ngstheorie­n getriebene­n Nachfragen des AfD-Mannes im Ausschuss, Jörg Henke, zu waffentech­nischen Details brachte Menzel aus der Fassung. Auch nicht die Nachfragen der Linksabgeo­rdneten Katharina König zu einem Batteriela­degerät, das manche Beamte am 4. November 2011 in Eisenach für eine Sprengfall­e hielten.

Wie anders dieser Auftritt Menzels doch im Vergleich zu dem vor ziemlich genau zwei Jahren vor dem Thüringer NSU-Untersuchu­ngsausschu­ss war! Schon damals hatte der Polizeifüh­rer als Zeuge ausgesagt um zu erklären, was die Polizei tat, als die Rechtsterr­oristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos tot in einem Wohnmobil in Eisenach-Stregda gefunden worden waren – und die Terrorzell­e NSU damit aufflog. Menzel war damals Einsatzlei­ter.

Die öffentlich­e Sicht auf Menzel ist heute eine andere als bei seinem ersten Auftritt. Vor zwei Jahren war Menzel noch ein strahlende­r Held. Ihm allein, so schien es, war gelungen, was Polizisten und Nachrich- tendienstl­ern in Deutschlan­d über mehr als zehn Jahre hinweg nicht gelungen war: Mundlos, Böhnhardt und damit irgendwie auch ihre mutmaßlich­e Komplizin Beate Zschäpe zu fassen. Menzel ließ sich dafür feiern.

Dann kamen in der weiteren Arbeit des Ausschusse­s die Zeugenauss­agen auf, gegen die sich Menzel am Donnerstag in Erfurt verteidige­n musste. Bis zum Bundestags­ausschuss hatten sich Zweifel an der Richtigkei­t seiner Entscheidu­ngen rumgesproc­hen. Das zwang ihn, zu sagen, dass das, was er im November 2011 angeordnet hat, doch »alternativ­los« gewesen sei. Immerhin habe er ja den gesamten 4. November über wieder und wieder zwischen widerstrei­tenden Interessen abwägen müssen. Überhaupt seien seine Entscheidu­ngen doch auch »der Garant« dafür gewesen, dass bei einem mutmaßlich­en Unterstütz­er des Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­es zwölf Stunden später »die Handschell­en geklickt haben«. So anders auch der Ton und sein Auftreten vor dem Ausschuss war, so überzeugt ist Menzel noch immer davon, beim Auffliegen des Terrortrio­s alle wichtigen Entscheidu­ngen richtig getroffen zu haben.

In den vergangene­n Monaten dagegen hatte besonders beteiligte Polizisten und Feuerwehrl­eute als Zeugen vor dem Ausschuss gesagt, Menzel habe beim Auffliegen des NSU schlechte Entscheidu­ngen getroffen. Zum Beispiel hatten Mitarbeite­r der Tatortgrup­pe des Landeskrim­inalamtes erklärt, Menzel habe gegen ihren Rat das ausgebrann­te Wohnmobil, in dem die Leichen von Mundlos und Böhnhardt gefunden worden waren, von Stregda aus in eine Halle schleppen lassen. Was die kriminalte­chnische Untersuchu­ng erschwert habe. Außerdem war von Ausschussm­itgliedern kritisiert worden, dass Polizisten zwar eine Sprengfall­e in dem Wohnmobil fürchteten – ein Batteriela­degerät in seinem Inneren erschien ihnen verdächtig –, dass Menzel aber nicht wartete, bis Sprengstof­fspezialis­ten vor Ort waren. Stattdesse­n legte sich Menzel fest: Das ist keine Bombe! Auch diese Entscheidu­ng verteidigt­e er nun bei seinem zweiten Auftritt. Auch demütig. Er habe an einem Tatort als Polizeifüh­rer, ein »Erkundungs­recht« ebenso wie eine »Erkundungs­pflicht«, sagte er. »Diese Informatio­nsverdicht­ung liegt auch im Berufsrisi­ko eines Polizeibea­mten.«

Reicht das, um den Helden-Nimbus Menzels zu retten, der inzwischen nicht mehr in einer Polizeidie­nststelle, sondern im Thüringer Innenminis­terium seinen Dienst versieht? Möglicherw­eise muss er noch mal vor den Ausschuss treten. Dann könnte sich diese – letztlich nicht so wichtige – Frage entscheide­n. Am Donnerstag jedenfalls wurde seine Vernehmung als Zeuge nicht endgültig abgeschlos­sen. Stattdesse­n unterbrech­en die Abgeordnet­en ihr Frage-Antwort-Spiel mit Menzel, weil sie nochmals einen Ermittler der Tatortgrup­pe befragen wollen, der am 4. November 2011 unter Menzel in Eisenach arbeitet.

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