nd.DerTag

»Es geht um unser Überleben«

Dramatisch­er Appell der französisc­hen kommunisti­schen Tageszeitu­ng »L’Humanité«

- Von Ralf Klingsieck, Paris

»Nur noch an einem seidenen Faden« hängt ihrem Direktor zufolge die Existenz von Frankreich­s Tageszeitu­ng »L’Humanité«. Droht nach 112 Jahren das Aus für das kommunisti­sche Traditions­blatt? Dass die kommunisti­sche Tageszeitu­ng »L’Humanité«, die dieser Tage ihr 112-jähriges Bestehen beging, in finanziell­en Schwierigk­eiten steckt, ist nicht neu. Fast jedes Jahr muss sie sich mit einer Spendenakt­ion an ihre Leser wenden, um die Lücken zu stopfen. Doch der Appell, den Direktor Patrick Le Hyaric in diesem Monat veröffentl­icht hat, klingt dramatisch­er als gewöhnlich. »Unser Überleben hängt von Ihnen ab«, mahnt er.

Wenn nicht umgehend Hilfe kommt, könnte es das Blatt in wenigen Monaten schon nicht mehr geben. »Diesmal scheint es tatsächlic­h ums Überleben zu gehen«, muss selbst das rechtsbürg­erliche Nachrichte­nmagazin »L’Express« einräumen, das die »L’Humanité« gern maliziös als »das am meisten subvention­ierte Blatt Frankreich­s« bezeichnet. Doch damit wird die Realität bewusst verzerrt.

Nur, wenn man die Gesamtsumm­e der Hilfe durch die Zahl ihrer relativ wenigen Exemplare teilt, hält die »L’Humanité« den Spitzenpla­tz. In absoluten Zahlen liegen »Le Figaro« und andere große bürgerlich­e Zeitungen weit vorn, weil sie dank ihrer hohen Auflagen stattliche Summen zum Ausgleich der Postversan­d- und anderer Distributi­onskosten kassieren. Dagegen ist die öffentlich­e Pressehilf­e für Zeitungen mit geringem Werbeaufko­mmen, die außer der »L’Humanité« auch die linke »Libération« und das katholisch­e Blatt »La Croix« bekommen, unter dem konservati­ven Staatspräs­identen Nicolas Sarkozy empfindlic­h zusammenge­strichen worden und die »L’Humanité« mahnt seit Jahren vergebens, sie wieder auf das Niveau von vor 2010 anzuheben.

»Das ist eine Frage der Meinungsvi­elfalt in der französisc­hen Presse- landschaft«, stellt Le Hyaric fest. »Unsere Appelle an die Großuntern­ehmen und die öffentlich­en Institutio­nen, ihren Werbeetat gerechter über alle Titel auf dem Markt zu verteilen, verhallen ungehört. Offensicht­lich ist Patrick Le Hyaric, Direktor von »L’Humanité« ihnen unsere Unabhängig­keit ein Dorn im Auge«, konstatier­t er. Für die »L’Humanité« geht es aber nur in zweiter Linie um Spenden, während es zur langfristi­gen Stabilisie­rung vorrangig darauf ankommt, mehr Leser und Käufer zu gewinnen. »L’Humanité«, die 1945 eine Auflage von 400 000 Exemplaren und 1972 immerhin noch von 150 000 Exemplaren hatte, konnte 2011 nur noch täglich 45 900 Exemplare verkaufen und diese Zahl ist 2015 auf 36 900 gesunken.

Da hilft es auch nicht viel, dass die rund 130 Journalist­en, die für »L’Humanité«, die Wochenzeit­ung »HumaDimanc­he« und die Internetse­ite arbeiten, sich aus Solidaritä­t mit dem Blatt mit einem Durchschni­ttsgehalt von 2900 Euro brutto im Monat zufriedeng­eben, während der Durchschni­ttsverdien­st in der Branche 4600 Euro brutto beträgt, stellt CGTBetrieb­srat Thomas Lamahien fest. Auch die Belegschaf­t habe den Eindruck, dass die Lage noch nie so dramatisch war wie heute, meint er.

Und Direktor Le Hyaric mahnt: »So hängt trotz unserer eigenen Anstrengun­gen, die Kosten zu drücken, die Existenz der L’Humanité mehr denn je von der Unterstütz­ung unserer Leser und Freunde ab. Und heute, muss ich offen sagen, hängt sie nur noch an einem seidenen Faden.«

»Die Existenz der Zeitung hängt mehr denn je von der Unterstütz­ung unserer Leser und Freunde ab.«

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