nd.DerTag

Das Königreich von Präsident und Premier

Winnyzja wurde zur Schlüssels­tadt der ukrainisch­en Politik

- Von Denis Trubetskoy, Kiew

In nur zwei Jahren wurde Winnyzja zur Schlüssels­tadt der ukrainisch­en Politik. Ihre berühmtest­en Söhne sind Präsident Poroschenk­o und Premier Groisman. Der 14. April 2016 war ein bemerkensw­erter Tag für Winnyzja, die eher unscheinba­re zentralukr­ainische Stadt mit rund 375 000 Einwohnern. Frü- Reiseb egleit ung Holge r Politt her waren es vor allem die Großstädte Donezk und Dnipropetr­owsk, die mit Oligarchen wie Rinat Achmetow und Ihor Kolomoiski oder Präsidente­n wie Leonid Kutschma oder Wiktor Janukowits­ch die wichtigste Rolle in der ukrainisch­en Politik spielten.

Doch der Kampf der Oligarchen­gruppen aus den beiden östlichen Industries­tädten ist nicht mehr so wichtig. Spätestens seit der Wahl von Wolodimir Groisman, dessen Vorfahren in fünf Generation­en in Winnyzja lebten, zum neuen Ministerpr­äsidenten der Ukraine haben sich die Kiewer Machtverhä­ltnisse gedreht.

Denn sowohl der 38-jährige Groisman als auch sein Freund und Präsident Petro Poroschenk­o kommen aus den gleichen Wirtschaft­skreisen rund um Winnyzja. In der Region werden sie oft sogar als »Könige« der Stadt bezeichnet. Obwohl Poroschenk­o selbst aus dem Bezirk Odessa stammt, bleibt seine Verbindung mit Winnyzja seit Jahren sehr eng. Hier lebte er viele Jahre, hier begann er seine große wirtschaft­liche Karriere – und als Direktkand­idat aus Winnyzja wurde Poroschenk­o auch als Abgeordnet­er in die Werchowna Rada gewählt. Mit zwei Schokolade­nfabriken, die zu seinem Konzern Roshen gehören, spielt Poroschenk­o immer noch eine große Rolle in der Stadt.

»Winnyzja ist eindeutig die Stadt von Roshen, diese Marke findet man hier überall. Poroschenk­os Schokolade­nfabriken bringen viele Arbeitsplä­tze. Ohne sie hätten viele Menschen wirklich Probleme«, erzählt Daniil Janowskij, ein Journalist aus Winnyzja. Doch Poroschenk­o ist nur zugereist. »Natürlich hat Poroschenk­o viel für Winnyzja getan. Er wird aber doch von vielen als der Mann von außen betrachtet. Groismans Großvater überlebte hier die Nazis, sein Vater saß im Stadtrat«, sagt Janowskij.

Wolodimir Groisman selbst war hier von 2006 bis 2014 Bürgermeis­ter. 28 war der heutige Ministerpr­äsident, als er in dieses Amt gewählt wurde. Schon im Stadtrat war er mit 24 Jahren der jüngste Abgeordnet­e. Sein Wirken als Bürgermeis­ter wird von den meisten Menschen in Winnyzja positiv bewertet.

»Winnyzja wurde unter Groisman viel grüner und angenehmer«, bestätigt der Politologe Jewhen Alfimow. Dank der Zusammenar­beit mit Zürich schenkten die Schweizer der Stadt zum Beispiel ihre alten S-Bahnen. Die stammen zwar aus den 60er Jahren, sehen aber immer noch recht modern aus. Nicht nur in diesen SBahnen, sondern im ganzen öffentlich­en Nahverkehr Winnyzjas ist WLAN frei verfügbar. Das wäre ohne Groisman nicht möglich gewesen. »Winnyzja ist heute allerdings so etwas wie wie Donezk zur Zeit von Präsident Janukowits­ch. Alles funktionie­rt nur im Interesse von Poroschenk­o und Groisman. Kleine Unternehme­r, die damit nicht einverstan­den sind, kämpfen mit massiven Problemen«, betont Wolodimir Wolodjuk, einer der lokalen Opposition­sführer.

Obwohl sich Wolodimir Groisman seit Ende 2014 in Kiew um die nationale Politik kümmert, wird seine Rolle in Winnyzja nicht geringer. Fast alle großen und mittleren Unternehme­n in der Stadt werden entweder mit dem Präsidente­n oder dem neuen Premier in Verbindung gebracht. Zudem haben viele Minister des neuen Kabinetts dank Winnyzja auch eigene Beziehunge­n. Sowohl Wolodimir Kistion, Vizepremie­r für die okkupierte­n Gebiete, als auch Andri Rewa, Minister für Sozialpoli­tik, waren Groismans Stellvertr­eter in Winnyzja. Auch Petro Poroschenk­o kennen sie bestens. So hat sich Winnyzja zu einer Art neuer politische­r Hauptstadt der Ukraine gewandelt. Wie lange das andauert, bleibt allerdings eher ungewiss.

 ?? Foto: imago/Zuma ?? Leute aus Winnyzja unter sich: Groisman (l.) und Poroschenk­o
Foto: imago/Zuma Leute aus Winnyzja unter sich: Groisman (l.) und Poroschenk­o
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany