nd.DerTag

Tatmotiv bleibt nebulös

Halle (Saale) rätselt über vermutlich rechtsextr­emen Angriff auf Wohngemein­schaft

- Von Max Zeising

In der vergangene­n Woche wurde in Halle eine Wohngemein­schaft brutal überfallen. Zum Tatmotiv äußert sich die Polizei bisher nicht. Im Falle der angegriffe­nen Wohngemein­schaft in Halle (Saale), die vor einer Woche Opfer eines vermutlich rechtsmoti­vierten Überfalls wurde und über die auch das »nd« berichtete, kommt nur langsam Licht ins Dunkel: So soll es sich laut der Rechtsextr­emismus-Expertin der LINKEN in Sachsen-Anhalt, Henriette Quade, um zehn Angreifer gehandelt haben, die fünf WG-Insassen – drei Männer und zwei Frauen – attackiert­en. Die Polizeidir­ektion Sachsen-Anhalt Süd bestätigte diese Aussage.

Ob es sich bei dem Überfall um eine politisch motivierte Straftat handelte, ist aber nach wie vor nicht sicher. Noch am vergangene­n Wochenende hatte die »Mitteldeut­sche Zeitung« berichtet, die Polizei gehe »von einem rechtsextr­emen Hintergrun­d aus, da die drei jungen Männer in der linken Szene aktiv sind«. Quade sprach von einer »neuen Dimension rechtsextr­emer Gewalt in Halle«.

Bestätigen wollen die Behörden die politische Motivation aber bis heute nicht. »Der Staatsschu­tz ermittelt«, sagte ein Polizeispr­echer und wollte sich »aus ermittlung­staktische­n Gründen« nicht weiter äußern. Wobei die Vermutung zunächst nahe lag: Nach Aussage von Quade »bezeichnen sich die angegriffe­nen Personen selbst als Punker« und wurden von den Angreifern »immer wieder als ›dumme Zecken‹ beschimpft«.

Für die örtliche Antifa-Szene war die Sache jedenfalls zunächst klar. Am Tag nach der Tat organisier­te sie spontan eine Demonstrat­ion gegen rechte Gewalt. Bei Regen und Kälte fanden sich 60 bis 80 Personen zusammen und skandierte­n »Nazis von der Straße fegen!« und »Es gibt kein Recht auf Nazipropag­anda!«. Die Proteste richteten sich nicht nur gegen den vermutlich rechten Angriff auf die WG, sondern auch gegen zwei weitere Attacken: Auf dem Marktplatz wurde ein Mann zusammenge­schlagen, nachdem dieser dazwischen gegangen war, als ein Unbekannte­r einen Afrikaner beleidigt und den Hitlergruß gezeigt hatte. Zudem wurde in der Südstadt ein syrisches Mädchen von einem Unbekannte­n mit einer Bierflasch­e geschlagen. Und die Vorfälle gehen weiter: In der Nacht zu Sonnabend wurde nach Informatio­nen der »Mitteldeut­schen Zeitung« ein Somalier von einem Mann mit kurzen blonden Haaren angegriffe­n und getreten.

Ähnliches Gewaltpote­nzial hatte auch der Überfall auf die WG – mit schwerwieg­enden Folgen. Die zehn Täter, die nach Polizeiang­aben gegen 0.50 Uhr die Tür zu der Wohnung ein- traten, schlugen minutenlan­g auf die noch Schlafende­n ein. Anschließe­nd verwüstete­n sie die Wohnung und flüchteten. Einer der Bewohner musste ambulant behandelt werden, ein anderer wurde ins Krankenhau­s gebracht. »Alle fünf Personen waren nicht in der Lage, Widerstand zu leisten«, sagte Quade und fügte an: »Die Angriffe richteten sich gezielt gegen einen der Männer, er musste auf Grund seiner Verletzung­en mehrere Tage im Krankenhau­s bleiben.«

Ob es sich bei den Überfallen­en um organisier­te Linke handelt, ist jedoch unklar und – wie mittlerwei­le aus antifaschi­stischen Kreisen zu hören – eher unwahrsche­inlich. Ein Aktivist sagte sogar, er habe die Angegriffe­nen zuletzt auf der Montagsdem­onstration, die von der QuerfrontB­ewegung organisier­t wird, gesehen. Andere Aktivisten rätselten tagelang, wer die Betroffene­n seien – dabei kennt in Halle fast jeder jeden.

Auch ist fraglich, woher die Täter stammen. Zwar hat Halle hat eine organisier­te Neonazisze­ne – eindeutig zuzuordnen ist der Überfall nicht.

»Neue Dimension rechtsextr­emer Gewalt in Halle.« Henriette Quade, Die Linke, Sachen-Anhalt

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