Tatmotiv bleibt nebulös
Halle (Saale) rätselt über vermutlich rechtsextremen Angriff auf Wohngemeinschaft
In der vergangenen Woche wurde in Halle eine Wohngemeinschaft brutal überfallen. Zum Tatmotiv äußert sich die Polizei bisher nicht. Im Falle der angegriffenen Wohngemeinschaft in Halle (Saale), die vor einer Woche Opfer eines vermutlich rechtsmotivierten Überfalls wurde und über die auch das »nd« berichtete, kommt nur langsam Licht ins Dunkel: So soll es sich laut der Rechtsextremismus-Expertin der LINKEN in Sachsen-Anhalt, Henriette Quade, um zehn Angreifer gehandelt haben, die fünf WG-Insassen – drei Männer und zwei Frauen – attackierten. Die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd bestätigte diese Aussage.
Ob es sich bei dem Überfall um eine politisch motivierte Straftat handelte, ist aber nach wie vor nicht sicher. Noch am vergangenen Wochenende hatte die »Mitteldeutsche Zeitung« berichtet, die Polizei gehe »von einem rechtsextremen Hintergrund aus, da die drei jungen Männer in der linken Szene aktiv sind«. Quade sprach von einer »neuen Dimension rechtsextremer Gewalt in Halle«.
Bestätigen wollen die Behörden die politische Motivation aber bis heute nicht. »Der Staatsschutz ermittelt«, sagte ein Polizeisprecher und wollte sich »aus ermittlungstaktischen Gründen« nicht weiter äußern. Wobei die Vermutung zunächst nahe lag: Nach Aussage von Quade »bezeichnen sich die angegriffenen Personen selbst als Punker« und wurden von den Angreifern »immer wieder als ›dumme Zecken‹ beschimpft«.
Für die örtliche Antifa-Szene war die Sache jedenfalls zunächst klar. Am Tag nach der Tat organisierte sie spontan eine Demonstration gegen rechte Gewalt. Bei Regen und Kälte fanden sich 60 bis 80 Personen zusammen und skandierten »Nazis von der Straße fegen!« und »Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!«. Die Proteste richteten sich nicht nur gegen den vermutlich rechten Angriff auf die WG, sondern auch gegen zwei weitere Attacken: Auf dem Marktplatz wurde ein Mann zusammengeschlagen, nachdem dieser dazwischen gegangen war, als ein Unbekannter einen Afrikaner beleidigt und den Hitlergruß gezeigt hatte. Zudem wurde in der Südstadt ein syrisches Mädchen von einem Unbekannten mit einer Bierflasche geschlagen. Und die Vorfälle gehen weiter: In der Nacht zu Sonnabend wurde nach Informationen der »Mitteldeutschen Zeitung« ein Somalier von einem Mann mit kurzen blonden Haaren angegriffen und getreten.
Ähnliches Gewaltpotenzial hatte auch der Überfall auf die WG – mit schwerwiegenden Folgen. Die zehn Täter, die nach Polizeiangaben gegen 0.50 Uhr die Tür zu der Wohnung ein- traten, schlugen minutenlang auf die noch Schlafenden ein. Anschließend verwüsteten sie die Wohnung und flüchteten. Einer der Bewohner musste ambulant behandelt werden, ein anderer wurde ins Krankenhaus gebracht. »Alle fünf Personen waren nicht in der Lage, Widerstand zu leisten«, sagte Quade und fügte an: »Die Angriffe richteten sich gezielt gegen einen der Männer, er musste auf Grund seiner Verletzungen mehrere Tage im Krankenhaus bleiben.«
Ob es sich bei den Überfallenen um organisierte Linke handelt, ist jedoch unklar und – wie mittlerweile aus antifaschistischen Kreisen zu hören – eher unwahrscheinlich. Ein Aktivist sagte sogar, er habe die Angegriffenen zuletzt auf der Montagsdemonstration, die von der QuerfrontBewegung organisiert wird, gesehen. Andere Aktivisten rätselten tagelang, wer die Betroffenen seien – dabei kennt in Halle fast jeder jeden.
Auch ist fraglich, woher die Täter stammen. Zwar hat Halle hat eine organisierte Neonaziszene – eindeutig zuzuordnen ist der Überfall nicht.
»Neue Dimension rechtsextremer Gewalt in Halle.« Henriette Quade, Die Linke, Sachen-Anhalt