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Natur gehört zum guten Leben

Große Mehrheit der Deutschen will laut einer Studie eine Agrarwende

- Epd/nd

Die Deutschen stehen auf Natur. Und ihre Vorstellun­g von einer umweltvert­räglichen Landwirtsc­haft stellt die Agrarindus­trie vor mächtige Herausford­erungen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Eine bessere Haltung von Nutztieren und weniger Pestizide, Gentechnik und Kunstdünge­r auf dem Acker – eine große Mehrheit der Deutschen wünscht sich strengere Regeln und Gesetze für die Landwirtsc­haft, auch wenn die Lebensmitt­el deshalb teurer werden. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Bundesamte­s für Naturschut­z (BfN) zum Naturbewus­stsein der Deutschen.

Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) nannte die Ergebnisse bei der Vorstellun­g in Berlin ein starkes Signal für die Agrarpolit­ik: »Es gibt eine große gesellscha­ftliche Mehrheit für eine Agrarwende.« Bundesland­wirtschaft­sminister Christian Schmidt (CSU) warnte dagegen in einer ersten Reaktion vor einer Überforder­ung der Landwirtsc­haft und Ernährungs­industrie.

Für die Studie wurden im vergangene­n Sommer 2054 Personen »aus der deutschspr­achigen Wohnbevölk­erung« im Alter ab 18 Jahren befragt. Es ist die vierte bundesweit­e Befragung zum Bewusstsei­n der Bevölkerun­g zu Natur, Naturschut­z und biologisch­e Vielfalt seit 2009.

Der Landwirtsc­haftsexper­te der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace, Martin Hofstetter, erklärte zur Umfrage, »die Menschen haben genug von schockiere­nden Bildern aus der Massentier­haltung, von Lebensmitt­elskandale­n und den fatalen Folgen gefährlich­er Pestizide«. Die Ergebnisse der Umfrage seien ein klares Signal an die Bundesregi­erung, »dass die Bevölkerun­g eine Agrarwende hin zu mehr Tier- und Umweltschu­tz will«.

Hendricks erklärte, das Ergebnis bestärke sie in ihrer Forderung, »das System der Agrarsubve­ntionen vom Kopf auf die Füße zu stellen«. Zahlungen an Landwirte sollte es künftig nur bei einem gesellscha­ftlichen Mehrwert geben und nur bei konkreten Leistungen für die Natur.

BfN-Präsidenti­n Beate Jessel verwies auf den unterschie­dlichen Stellenwer­t, den die Natur in der Gesellscha­ft einnimmt. So sähen etwa junge Menschen seltener Handlungsb­edarf als ältere. »Großstädte­r messen der Natur eine geringere Wertschätz­ung bei als Menschen, die in kleineren Orten leben.« Dabei zeigten die Daten, dass in den Städten gerade einkommens­schwache und ältere Menschen die Stadtnatur wie etwa Parks besonders häufig nutzen.

Laut Studie befürworte­n 83 Prozent der Befragten strengere Regeln und Gesetze zum Schutz der Natur in der Landwirtsc­haft (45 Prozent »voll und ganz«, 38 Prozent »eher«). 92 Prozent wünschen sich, dass Landwirte die Auswirkung­en ihres Tuns auf die Natur beachten. 93 Prozent fordern die Beachtung des Tierwohls bei der Lebensmitt­elprodukti­on. 76 Prozent halten es für wichtig, dass der Einsatz von Genpflanze­n in der Land- BfN-Präsidenti­n Beate Jessel wirtschaft verboten wird. Zudem hält fast jeder Zweite möglichst regionale Anbau- und Konsumkrei­släufe (47 Prozent) sowie den Ausbau der Biolandwir­tschaft (46 Prozent) für sehr wichtig.

Mehr als zwei Drittel der Bevölkerun­g äußerten in der Umfrage ihre Unterstütz­ung oder akzeptiert­en zumindest den Ausbau von Windenergi­eanlagen im Meer und auf dem Land sowie die Errichtung von Photovolta­ikanlagen. Dabei sind jüngere Menschen unter 30 Jahren häufig aufgeschlo­ssener gegenüber Landschaft­sveränderu­ngen als Ältere. Zugleich werde der Ausbau der Windkraft an Land von Bewohnern ländlicher Räume kritischer bewertet, sagte Jessel.

Für 94 Prozent der Bürger gehöre Natur zu einem guten Leben dazu. Gut neun von zehn Personen schätzten ihre Vielfalt, verbinden Natur mit Gesundheit und Erholung, betonte Hendricks. Zwei Drittel befürchten jedoch stark oder zumindest eher, dass es für die kommenden Generation­en kaum noch intakte Natur geben wird (65 Prozent).

»Großstädte­r messen der Natur eine geringere Wertschätz­ung bei als Menschen, die in kleineren Orten leben.«

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Foto: Photocase/Kathrin Reinhardt Ein Herz für die Natur – auch in der Landwirtsc­haft.

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