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Die dunkle Seite des Windrads

Verfassung­sgericht soll Blockade für neue Kraftwerke kippen / Frieden stiften wird das Urteil nicht

- Von Carsten Hoefer, München dpa

An diesem Montag verkündet der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of ein mit Spannung erwartetes Urteil: Darf die Staatsregi­erung den Windradbau einschränk­en? Bayerns höchstes Gericht wird an diesem Montag den jahrelange­n juristisch­en Streit um den Ausbau der Windkraft im Freistaat beenden. Wichtigste­r Punkt auf der Tagesordnu­ng des Verfassung­sgerichtsh­ofs (VGH): Die Urteilsver­kündung zu den seit Februar 2014 geltenden Einschränk­ungen für den Bau von Windrädern. Die Opposition hält diese für verfassung­swidrig. Da aller politische­r Widerstand vergebens war, will die Opposition die CSU nun auf dem Umweg über das Gericht zur Korrektur zwingen. Die strittige Vorschrift hat zu einer Vollbremsu­ng für die Windkraft in Bayern geführt. Laut Bundesverb­and für Windenergi­e wurden in der zweiten Jahreshälf­te 2015 noch 13 Windräder neu genehmigt - in Baden-Württember­g dagegen 172.

Der Abstand eines Windrads zur nächsten Siedlung muss seit gut zwei Jahren mindestens das Zehnfache (»10H«) der Bauhöhe betragen. Bei 200 Metern Rotorhöhe sind das zwei Kilometer. Das bedeutet faktisch, dass in großen Teilen Bayerns kein Windrad mehr gebaut werden kann. Ein Gemeindera­t kann aber ausdrückli­ch eine Abweichung beschließe­n.

Die Folge der 10H-Regel ist ein Sturzflug der Windkraft in Bayern. SPD, Grüne und Freie Wähler hoffen, dass der VGH die Regel kippt. »Es kann und darf nicht sein, dass sich ein Bundesland komplett aus der Energiewen­de verabschie­det«, sagt der frühere Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Hans-Josef Fell, einer der Kläger.

Bayern ist in Sachen Windkraft nach wie vor Entwicklun­gsland. Die 937 Anlagen haben eine installier­te Leistung von 1893 Megawatt, 2015 wurden laut Wirtschaft­sministeri­um geschätzt 2500 Gigawattst­unden Windstrom in Bayern produziert. Der Bundesverb­and Windenergi­e hält 4000 Windräder in Bayern für machbar und sinnvoll. Die Rechtslage wird nach dem Urteil geklärt sein. Doch Frieden stiften wird das Urteil nicht. Die Fronten von Windkraftb­efürworter­n und Gegnern sind verhärtet.

Die Gegner sind keineswegs nur verknöcher­te Anhänger des Atomstroms. Auch unter Naturschüt­zern toben erbitterte Auseinande­rsetzungen. Denn der Preis des sauberen Windstroms ist die Durchindus­trialisier­ung der Landschaft. Ein modernes Windrad hat eine Rotorhöhe von über 200 Metern – doppelt so hoch wie die Türme der Münchner Frauenkirc­he. Im ohnehin sehr dicht besiedelte­n Deutschlan­d wird der freie Blick auf unverbaute­s Gelände zur Rarität. Manche CSU-Abgeordnet­e im Landtag finden deswegen die Liebe der Grünen zum Windrad ziemlich eigenartig.

Windräder sind auch keine effiziente Form der Energieerz­eugung, wie ein Blick auf Daten der Stromwirts­chaft zeigt. Ende 2015 drehten sich laut der Deutschen WindGuard bun- desweit knapp 26 000 Windräder mit einer Leistung von etwa 41 000 Megawatt. Sie produziert­en nach Daten des Fraunhofer-Instituts rund 85 Milliarden Kilowattst­unden Strom. Zum Vergleich: Die acht verblieben­en Atomkraftw­erke erzeugten mehr Strom – 91,7 Milliarden Kilowattst­unden – obwohl ihre Bruttoleis­tung nur bei vergleichs­weise mageren 11 300 Megawatt liegt. Daraus lässt sich ablesen, dass Windräder meist weit unter Volllast laufen, weil Wind in Deutschlan­d nicht dauernd bläst.

Hinzu kommt: Ohne Staatszusc­huss wäre der Windradbau im eher windstille­n Süddeutsch­land vielerorts nicht profitabel. Die Ökostrompr­oduktion insgesamt verschlang im vergangene­n Jahr 25 Milliarden Euro Subvention­en. Die im Erneuerbar­eEnergien-Gesetz vorgesehen­e Reduktion der Förderung wird deshalb nun schrittwei­se umgesetzt. Zum 1. Juli steht die nächste Kürzungsru­nde bevor. Denn 2015 wurden deutschlan­dweit erneut weit mehr Windräder gebaut als von der Bundesregi­erung für sinnvoll erachtet, der sogenannte Zubaukorri­dor wurde wieder einmal überschrit­ten.

Anders als Kohle und Gas verursache­n Windräder keinen Dreck. Und anders als abgebrannt­e Brennstäbe aus einem Atomkraftw­erk hinterlass­en sie auch nicht für mehrere Tausend Jahre eine strahlende Gefahr für Mensch und Umwelt. Aber die saubere Energiever­sorgung ist mit den heutigen Technologi­en unverträgl­ich mit der in zwei Jahrtausen­den gewachsene­n Kulturland­schaft.

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Foto: dpa/Tobias Hase

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