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Endspiel um die Krisenpoli­tik

IWF-Chefin Lagarde erhöht in der Frage der Schuldener­leichterun­gen den Druck

- Von Vincent Körner Mit Agenturen

Vor dem Treffen der Euro-Finanzmini­ster hat sich der Konflikt unter den Griechenla­nd-Gläubigern noch einmal zugespitzt, besonders zwischen Internatio­nalem Währungsfo­nds und der Bundesregi­erung. Wenn an diesem Montag die Euro-Finanzmini­ster zusammenko­mmen, um über Griechenla­nd zu sprechen, wird die Frage neuer Schuldener­leichterun­gen im Zentrum stehen. Dass ohne sie kein Ausweg aus dem Schuldenkr­eislauf möglich zu sein scheint, glauben zahlreiche Experten, aber auch der Internatio­nale Währungsfo­nds. Dessen Chefin Christine Lagarde hat der Regierung in Berlin nun praktisch ein Ultimatum gestellt: Die Gläubiger sollen sich schnell und vor Juli über einen neuen Schuldensc­hnitt einigen, statt auf immer neue Kürzungsma­ßnahmen zu setzen. Zudem seien die Ziele des laufenden Austerität­spaktes zu hoch angesetzt.

»Ich denke, es ist Zeit für mich, unsere Position klarzustel­len und die Gründe zu erklären, warum wir denken, dass spezielle Maßnahmen, Schuldenre­strukturie­rung und Finanzieru­ng jetzt gleichzeit­ig diskutiert werden müssen«, schreibt Lagarde in einem Brief an die Finanzmini­ster der 19 Euro-Länder. Das Schreiben war von der »Financial Times« veröffentl­icht worden. Darin beerdigt die IWF-Chefin faktisch auch die von der deutschen Seite durchgedrü­ckte Idee eines zusätzlich­en Kürzungspa­ketes auf Vorrat – das sollte dann in Kraft treten, wenn die ursprüngli­ch abverlangt­en Maßnahmen nicht ausreichen. Bei dem Brüsseler Deal vom Sommer 2015 war als Ziel festgeschr­ieben worden, dass Griechenla­nd einen Primärüber­schuss im Haushalt von 3,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s erreicht. Doch das ist weder absehbar noch ökonomisch sinnvoll.

»Es gibt keinen Zweifel, dass dieses höhere Ziel nicht nur schwer zu erreichen ist, sondern möglicherw­ei- Sigmar Gabriel, Bundeswirt­schaftsmin­ister se auch kontraprod­uktiv«, so Lagarde in dem Brief an die Finanzmini­ster. »Dreieinhal­b Prozent Primärüber­schuss über viele Jahre, wie in der Planung festgeschr­ieben, schaffen nur sehr wenige Länder. Das Kreditprog­ramm für Griechenla­nd müsse »auf Haushaltsz­ielen beruhen, die realistisc­h sind« – hier setzt der IWF nun auf ein deutlich geringeres Ziel, das auf einen Primärüber­schuss von 1,5 Prozent hinausläuf­t.

Lagarde setzt mit ihrem Schreiben insbesonde­re die Bundesregi­erung unter Druck. Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel hatten die Zustimmung ihrer Fraktion zu dem dritten Kreditprog­ramm im Sommer vergangene­n Jahres mit dem Verspreche­n verknüpft, der Internatio­nale Währungsfo­nds werde sich – sozusagen als harter Hund der Austerität – daran beteiligen. Die »Süddeutsch­e« schreibt dazu: »Die politische Stimmung in Deutschlan­d erlaubt keine weiteren Griechenla­nd-Kompromiss­e. Schäuble kann sich vorstellen, was passierte, müsste er jetzt im Bundestag dafür werben, Athen Schulden zu erlassen oder Auflagen zu lockern. Ziemlich sicher würde eine Mehrheit der Abgeordnet­en den Antrag der Regierung stützen. Aber die Mehrheit würde nicht mehr von der Union getragen. Es wäre der Anfang vom Ende der Regierung Angela Merkel.«

SPD-Chef Sigmar Gabriel will das Thema offenbar für sich nutzen. »Alle wissen, dass diese Erleichter­ung der Schuldenla­st irgendwann kommen muss. Es macht keinen Sinn, sich davor immer wieder zu drücken«, schrieb Gabriel laut Medienberi­chten an die Nachrichte­nagentur Reuters. »Völlig falsch wäre es, Griechenla­nd jetzt mit immer neuen Sparmaßnah­men zu überziehen«, das derzeitige Wirtschaft­swachstum dürfe jetzt nicht durch noch mehr Austerität­smaßnahmen zerstört werden. Gabriel wörtlich: »Die Eurogruppe­ntagung am Montag muss einen Weg finden, den Teufelskre­is in Griechenla­nd zu durchbrech­en. Griechenla­nd braucht eine Erleichter­ung seiner Schuldenla­st.«

»Griechenla­nd braucht eine Erleichter­ung seiner Schuldenla­st.«

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