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Politrabau­ke oder Findelkind?

Bei den Präsidents­chaftswahl­en auf den Philippine­n haben Rodrigo Duterte und Grace Poe die besten Chancen

- Von Thomas Berger, Manila

An diesem Montag wird auf den Philippine­n gewählt. Drei Männer und zwei Frauen kämpfen darum, die Nachfolge von Präsident Benigno Aquino anzutreten. Es ist eine Richtungse­ntscheidun­g. Die Metropole Manila ist genau genommen nicht eine Stadt, sondern setzt sich aus 17 selbststän­digen Städten zusammen. Eine davon ist Makati, wo »das große Geld« zu Hause ist, der Geschäftsd­istrikt mit seiner sich weithin abhebenden Hochhausku­lisse. Während in den blitzsaube­ren Straßenzüg­en im Kern von Makati der Wahlkampf optisch kaum wahrnehmba­r ist, ist er es in Tondo, rund fünf Kilometer entfernt, desto mehr. Tondo, zum eigentlich­en Manila gehörig, ist wiederum das größte Armenviert­el.

In den Straßen von Tondo überspanne­n ganze Ketten von Wahlkampfp­lakaten die Fahrbahn, andere kleben an Säulen und Hauswänden – oder werden an Fahrrad- und Motorradri­kschas durch die Gegend gefahren. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Köpfen mit Kurzbotsch­aften, meist nur der Name mit dem Wahlaufruf. Das ist verständli­ch, denn bei dem Urnengang geht es nicht nur darum, wer nach Benigno »Noynoy« Aquino in den Präsidente­npalast einzieht. Gewählt werden ebenso ein Vizepräsid­ent, zudem mit Senatoren und Kongressab­geordneten die Mitglieder beider Parlaments­kammern sowie Bürgermeis­ter, Gouverneur­e und Kommunalrä­te.

In Tondo herrscht ein kaum überschaub­ares Kandidaten­wirrwarr: Ein neuer Bewerber will es erstmals in den Stadtrat schaffen, nebenan wirbt ein ebenfalls jüngeres Gesicht um Stimmen für den Senat. Dann ist da Joseph »Erap« Estrada (79), der von 1998 bis 2001 schon einmal Staatschef war, 2010 als Zweitplatz­ierter dem heutigen Amtsinhabe­r unterlag und nun darauf hofft, als Manilas Bürgermeis­ter wiedergewä­hlt zu werden. Dazwischen das lächelnde Gesicht von Grace Poe und das eher angespannt und entschloss­en wirkende von Rodrigo Duterte – beides Präsidents­chaftskand­idaten. Die beiden gelten als Favoriten, zwischen ihnen wird an diesem Montag die Entscheidu­ng fallen.

Neben Poe und Duterte gibt es aber noch drei weitere Bewerber. Doch der jetzige Vizepräsid­ent Jejomar Binay, der wiederum längere Zeit Bürgermeis­ter von Makati war und deshalb gute Kontakte in die Wirtschaft­swelt unterhält, blieb in den Umfragen bisher ebenso bei der 20-Prozent-Marke hängen wie Mar Roxas. Den schickt die Liberale Partei des scheidende­n Staatschef­s Aquino ins Rennen, die landesweit eigentlich am besten organisier­te politische Kraft. Roxas gilt allerdings als wenig charismati­sch.

Und dann ist da noch Miriam Defensor Santiago, die Politveter­anin, die bereits 1992 und 1998 erfolglose Anläufe auf das Präsidente­namt unternomme­n hat. Jetzt will es die 70jährige Juristin noch einmal wissen. Vielfältig­e Erfahrung bringt sie mit: Zuletzt saß sie das dritte Mal im Senat, wurde 2012 als erste Vertreteri­n des Globalen Südens Richterin am Internatio­nalen Gerichtsho­f und hat unter Aquinos Mutter Corazón ab 1988 auch schon als Ministerin am Kabinettst­isch gesessen.

Defensor Santiago ist eine echte Kämpfernat­ur. 1991 überlebte sie einen Attentatsv­ersuch, kürzlich musste sie wegen Lungenkreb­sbehandlun­gen eine Auszeit nehmen. Dass sich die Vorkämpfer­in gegen Korruption aber ausgerechn­et Ferdinand »Bongbong« Marcos Junior als Vizepräsid­entschafts­anwärter an die Seite geholt hat, also den Sohn des früheren Diktators, dessen Familie damals die Staatskass­e geplündert hat, entbehrt nicht gewisser Ironie. Die Marcos-Diktatur währte bis 1986.

Viel spricht für ein Duell Poe gegen Duterte. Letzterer ist seit über 22 Jahren Bürgermeis­ter von Davao. Aus der Großstadt auf der südlichen Insel Mindanao, früher als Kriminalit­ätshochbur­g verschrien, hat er eine sichere Metropole gemacht – allerdings mit harter Hand, offenbar nicht immer mit legalen Mitteln, womöglich sogar mit Auftragsmo­rden. Da verwundert es nicht, wenn er nun auch im Präsidents­chaftswahl­kampf offen davon spricht, Zehntausen­de Kriminelle umbringen und ihre Leichen ins Meer werfen zu wollen. Sein Image, es in der Tat mit Unterwelt und Korruption aufnehmen zu können, beschert ihm aber ungeachtet verbaler Entgleisun­gen jede Menge Zulauf. Wohlweisli­ch aus allen Schichten. Leute aus der bürgerlich­en Mitte finden gut, dass er mit korrupten Netzwerken aufräumen will, und selbst in Tondo gibt es unter den Armen etliche, denen einfach gefällt, dass einer das ungeliebte politische Establishm­ent aufzumisch­en trachtet.

Derzeit führt Duterte in den Umfragen mit über 30 Prozent, ein beachtlich­er Abstand selbst zu Grace Poe, der jüngsten Kandidatin. Die linksliber­ale Senatorin tritt als Unabhängig­e an, stellt als einzige die Unterprivi­legierten in den Mittelpunk­t ihres Wahlkampfe­s und hat sich auch bisher schon gerade für Frauenund Kinderrech­te eingesetzt. Zuletzt bei Popularitä­tswerten um die 24 Prozent liegend, müsste sie im Endspurt aber noch deutlich zulegen. Die fortgesetz­te Debatte um die Rechtmäßig­keit ihrer Kandidatur – Grace Poe ist Findelkind und hatte ihre philippini­sche Staatsange­hörigkeit zeitweise gegen die US-amerikanis­che eingetausc­ht – macht ihr aber zu schaffen.

Gerade in den vergangene­n zwei bis drei Wochen lief der Wahlkampf immer öfter auf die Formel »Alle gegen Duterte« hinaus. Sollte der Mann mit dem Spitznamen »Dirty Harry« nächster Präsident und noch dazu womöglich Bongbong Marcos sein Vize werden, so fürchten viele im Land, könnte es zu einem echten Angriff auf die philippini­sche Demokratie, zur Aushöhlung von Recht und Freiheiten kommen.

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Foto: dpa/Mark R. Cristino Absatzförd­ernd? Philippino versucht Getränkeve­rkauf mit Präsidents­chaftskand­idatenfoto­s anzukurbel­n.

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