Politrabauke oder Findelkind?
Bei den Präsidentschaftswahlen auf den Philippinen haben Rodrigo Duterte und Grace Poe die besten Chancen
An diesem Montag wird auf den Philippinen gewählt. Drei Männer und zwei Frauen kämpfen darum, die Nachfolge von Präsident Benigno Aquino anzutreten. Es ist eine Richtungsentscheidung. Die Metropole Manila ist genau genommen nicht eine Stadt, sondern setzt sich aus 17 selbstständigen Städten zusammen. Eine davon ist Makati, wo »das große Geld« zu Hause ist, der Geschäftsdistrikt mit seiner sich weithin abhebenden Hochhauskulisse. Während in den blitzsauberen Straßenzügen im Kern von Makati der Wahlkampf optisch kaum wahrnehmbar ist, ist er es in Tondo, rund fünf Kilometer entfernt, desto mehr. Tondo, zum eigentlichen Manila gehörig, ist wiederum das größte Armenviertel.
In den Straßen von Tondo überspannen ganze Ketten von Wahlkampfplakaten die Fahrbahn, andere kleben an Säulen und Hauswänden – oder werden an Fahrrad- und Motorradrikschas durch die Gegend gefahren. Dabei handelt es sich um eine Vielzahl von Köpfen mit Kurzbotschaften, meist nur der Name mit dem Wahlaufruf. Das ist verständlich, denn bei dem Urnengang geht es nicht nur darum, wer nach Benigno »Noynoy« Aquino in den Präsidentenpalast einzieht. Gewählt werden ebenso ein Vizepräsident, zudem mit Senatoren und Kongressabgeordneten die Mitglieder beider Parlamentskammern sowie Bürgermeister, Gouverneure und Kommunalräte.
In Tondo herrscht ein kaum überschaubares Kandidatenwirrwarr: Ein neuer Bewerber will es erstmals in den Stadtrat schaffen, nebenan wirbt ein ebenfalls jüngeres Gesicht um Stimmen für den Senat. Dann ist da Joseph »Erap« Estrada (79), der von 1998 bis 2001 schon einmal Staatschef war, 2010 als Zweitplatzierter dem heutigen Amtsinhaber unterlag und nun darauf hofft, als Manilas Bürgermeister wiedergewählt zu werden. Dazwischen das lächelnde Gesicht von Grace Poe und das eher angespannt und entschlossen wirkende von Rodrigo Duterte – beides Präsidentschaftskandidaten. Die beiden gelten als Favoriten, zwischen ihnen wird an diesem Montag die Entscheidung fallen.
Neben Poe und Duterte gibt es aber noch drei weitere Bewerber. Doch der jetzige Vizepräsident Jejomar Binay, der wiederum längere Zeit Bürgermeister von Makati war und deshalb gute Kontakte in die Wirtschaftswelt unterhält, blieb in den Umfragen bisher ebenso bei der 20-Prozent-Marke hängen wie Mar Roxas. Den schickt die Liberale Partei des scheidenden Staatschefs Aquino ins Rennen, die landesweit eigentlich am besten organisierte politische Kraft. Roxas gilt allerdings als wenig charismatisch.
Und dann ist da noch Miriam Defensor Santiago, die Politveteranin, die bereits 1992 und 1998 erfolglose Anläufe auf das Präsidentenamt unternommen hat. Jetzt will es die 70jährige Juristin noch einmal wissen. Vielfältige Erfahrung bringt sie mit: Zuletzt saß sie das dritte Mal im Senat, wurde 2012 als erste Vertreterin des Globalen Südens Richterin am Internationalen Gerichtshof und hat unter Aquinos Mutter Corazón ab 1988 auch schon als Ministerin am Kabinettstisch gesessen.
Defensor Santiago ist eine echte Kämpfernatur. 1991 überlebte sie einen Attentatsversuch, kürzlich musste sie wegen Lungenkrebsbehandlungen eine Auszeit nehmen. Dass sich die Vorkämpferin gegen Korruption aber ausgerechnet Ferdinand »Bongbong« Marcos Junior als Vizepräsidentschaftsanwärter an die Seite geholt hat, also den Sohn des früheren Diktators, dessen Familie damals die Staatskasse geplündert hat, entbehrt nicht gewisser Ironie. Die Marcos-Diktatur währte bis 1986.
Viel spricht für ein Duell Poe gegen Duterte. Letzterer ist seit über 22 Jahren Bürgermeister von Davao. Aus der Großstadt auf der südlichen Insel Mindanao, früher als Kriminalitätshochburg verschrien, hat er eine sichere Metropole gemacht – allerdings mit harter Hand, offenbar nicht immer mit legalen Mitteln, womöglich sogar mit Auftragsmorden. Da verwundert es nicht, wenn er nun auch im Präsidentschaftswahlkampf offen davon spricht, Zehntausende Kriminelle umbringen und ihre Leichen ins Meer werfen zu wollen. Sein Image, es in der Tat mit Unterwelt und Korruption aufnehmen zu können, beschert ihm aber ungeachtet verbaler Entgleisungen jede Menge Zulauf. Wohlweislich aus allen Schichten. Leute aus der bürgerlichen Mitte finden gut, dass er mit korrupten Netzwerken aufräumen will, und selbst in Tondo gibt es unter den Armen etliche, denen einfach gefällt, dass einer das ungeliebte politische Establishment aufzumischen trachtet.
Derzeit führt Duterte in den Umfragen mit über 30 Prozent, ein beachtlicher Abstand selbst zu Grace Poe, der jüngsten Kandidatin. Die linksliberale Senatorin tritt als Unabhängige an, stellt als einzige die Unterprivilegierten in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes und hat sich auch bisher schon gerade für Frauenund Kinderrechte eingesetzt. Zuletzt bei Popularitätswerten um die 24 Prozent liegend, müsste sie im Endspurt aber noch deutlich zulegen. Die fortgesetzte Debatte um die Rechtmäßigkeit ihrer Kandidatur – Grace Poe ist Findelkind und hatte ihre philippinische Staatsangehörigkeit zeitweise gegen die US-amerikanische eingetauscht – macht ihr aber zu schaffen.
Gerade in den vergangenen zwei bis drei Wochen lief der Wahlkampf immer öfter auf die Formel »Alle gegen Duterte« hinaus. Sollte der Mann mit dem Spitznamen »Dirty Harry« nächster Präsident und noch dazu womöglich Bongbong Marcos sein Vize werden, so fürchten viele im Land, könnte es zu einem echten Angriff auf die philippinische Demokratie, zur Aushöhlung von Recht und Freiheiten kommen.