Rechte konnten marschieren
10000 Gegendemonstranten zeigten Gesicht, konnten den Zug aber nicht aufhalten
Am Samstag konnten Anhänger der Demo »Merkel muss weg« ungehindert durch Berlin marschieren. Gegendemonstranten wurden von der Polizei massiv an Protesten gehindert. Weitgehend ungehindert konnten die Anhänger der Miniparteien Pro Deutschland und Pro Berlin am Sonnabend vom Hauptbahnhof durch von der Polizei fast menschenleer geräumte Straßen zur Friedrichstraße marschieren. Unter dem Motto »Merkel muss weg« hatten sich neben den beiden Parteien rechtsextreme Gruppierungen wie die Identitären, der III. Weg sowie Heimatschutz- und andere Kleingruppen vor dem Hauptbahnhof angeschlossen. AfD und Pegida hatten nicht mobilisiert. Familien und »freiheitliche Bürger« waren laut Demoaufruf eingeladen um ein »friedliches Zeichen zu setzen«, doch das Kalkül von Anmelder Enrico Stubbe, seine Demonstrationen weiter in die Bevölkerung zu tragen, und mehr Rechte anzulocken als bei der gleichnamigen Demo im März, ging nicht auf. An Tattoos, T-Shirt-Aufdrucken und Bannern war deutlich rechtsextremes Gedankengut zu erkennen. Außerdem kamen viel weniger Teilnehmer auf den Bahnhofsvorplatz als gedacht: 5000 Personen waren angekündigt, doch es kamen zunächst nur gut 1000. Die Polizei zählte zum Demoende an der Friedrichstraße rund 1800 Teilnehmer.
Ganz anders auf der anderen Seite der umfangreichen polizeilichen Ab- sperrungen, die sich fast durch den gesamten Bezirk Mitte ziehen. Über 10 000 Teilnehmer aus Gewerkschaften, Kirchen, Antifa und Parteien demonstrieren friedlich gegen den rechten Mob. Die Polizei zählte insgesamt 8000 Gegendemonstranten. Musiker, wie der Rapper PTK, spielen auf einem eigenen Rave-Wagen. Eine kirchliche Demo und eine des Bündnisses »Berlin Nazifrei« waren getrennt geplant worden, doch viele Kirchendemonstranten liefen nicht mit zum Gendarmenmarkt, sondern schlossen sich auf ihrem Weg Richtung Bundeskanzleramt der »Berlin Nazifrei« Demo an.
So wie Dorothea Trunz, die weder kirchlich noch politisch gebunden ist, aber für ein weltoffenes Berlin eintreten wolle. Die Seniorin betont: »Wir haben die Erde nur geborgt und sie ist für alle da.« Sie habe Angst, dass die Rechten überhand gewinnen könnten. »Ich habe zu Hause beschlossen zur kirchlichen Demo zu gehen, dann habe ich mich spontan der Antifa angeschlossen«, sagt sie und lacht.
Während Tausende Demonstrierende hinter den Absperrungen am Bundeskanzleramt stehen, ist die Demoroute der Rechten so massiv abgesperrt, dass fast kein Durchkommen ist. Nur Einzelpersonen und einige Grüppchen von Antifaschisten können den Bahnhofsvorplatz oder die Route der Rechten erreichen, werden aber schnell von der Polizei abgedrängt. Die große Masse der Gegendemonstranten kommt nicht mal in Rufweite der Merkel-muss-wegDemo. Mehrere Protestierer versu- chen schließlich, die Absperrungen am Bundeskanzleramt zu überwinden, werden aber durch die Polizei mit Hilfe von Pfefferspray zurückgehalten. Es gibt mehrere Festnahmen.
Um 17.30 Uhr erreicht die Merkelmuss-weg-Demo unter Parolen wie »Abschieben! Abschieben!«, »Wir sind das Volk!« und »Lügenpresse« den Bahnhof Friedrichstraße für eine Abschlusskundgebung. Um 18 Uhr beenden die Veranstalter die Demonstration. Es kommt zu einzelnen Rangeleien, als die Rechten in S-Bahnen steigen wollen.
Das Bündnis »Berlin Nazifrei« korrigiert am Abend seine Presseerklärung vom Nachmittag und kritisiert das brutale Vorgehen der Polizei. Der Sprecher von »Berlin Nazifrei«, Steffen Schmidt, sagt, »der massive Einsatz von Pfefferspray und Schlagstö- cken ist durch nichts zu rechtfertigen. Wieder einmal zeigt sich, dass Henkels Sicherheitskonzept darauf ausgelegt ist, antifaschistischen Protest gewaltsam zu unterbinden«. Sogar der Lautsprecherschutz der Demonstration sei festgenommen worden, so Schmidt. Skurril in diesem Zusammenhang, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) den Gegendemonstranten dankte, dass sie »ein sichtbares Zeichen gegen Intoleranz und Ausgrenzung« gesetzt hätten.
Insgesamt meldete die Polizei 40 Festnahmen, unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands, Vermummung und versuchter Gefangenenbefreiung. Von den 1800 eingesetzten Polizisten aus mehreren Bundesländern wurden nach Behördenangaben 25 verletzt.