Manfred Stolpe in seinem zweiten Leben
Der ehemalige Ministerpräsident wird in wenigen Tagen 80 Jahre alt
Am 16. Mai wird Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) 80 Jahre alt. Regierungschef war er von 1990 bis 2002. Aus Anlass des runden Geburtstags sendet der rbb am 11. Mai ein Interview mit Stolpe. Am Ende war schon auffällig, wie oft er betonte, dass man in Wirklichkeit immer nur sich selbst trauen könne. Alt-Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) wird dieser Tage 80 Jahre alt. »Man kann sich am ehesten auf das verlassen, was man selbst erledigt«, steht auf dem Deckblatt eines neuen, biografisch angelegten Buches, dem Stolpe den Titel gab: »Von Pommern nach Potsdam.«
Man habe ihm 2004 allenfalls noch drei Lebensjahre gegeben, sagte Stolpe in der vergangenen Woche bei einer Vorabvorführung eines Interviews, das der Fernsehsender rbb mit dem Alt-Ministerpräsidenten führte und aufzeichnete, und das am 11. Mai um 22.15 Uhr ausgestrahlt werden soll.
»Ich bin in meinem zweiten Leben«, meinte Stolpe. Dass er jetzt hier in recht guter Verfassung sitzen könne – »wenn ich auch krächze wie ein alter Kolkrabe« – belege die großen Fortschritte, welche die Medizin in den vergangenen Jahrzehnten gemacht habe. Eindringlich warb Stolpe bei dieser Gelegenheit für die Krebsvorsorge. Er selbst habe das nicht so wichtig genommen, sei erst auf dringendes Anraten seiner Frau Ingrid und ohne Beschwerden zum Arzt gegangen. Das habe ihm das Leben gerettet und um die Erfahrung bereichert: »Die Leber wächst nach.«
Stolpe war 25 Jahre alt, als die Berliner Mauer gebaut wurde, er war 53, als sie fiel. Auf die Frage des Fernsehmoderators, ob er den 8. Mai 1945 als Befreiung vom Faschismus oder Kapitulation empfunden habe, sagte er, dies seien Begriffe gewesen, die erst später das Denken bestimmten. Vor allem habe von diesem Tage an Frieden geherrscht. »Es wurde nicht mehr geschossen.« Das sei das Wichtigste gewesen. Das Kriegsende habe er in Greifswald erlebt. Die Stadt sei durch die Vernunft des Kommandanten – das war der Wehrmachtsoffizier Rudolf Petershagen – unversehrt den Sowjets übergeben worden. Nach dem Krieg sei er auch in die FDP eingetreten, bekannte Stolpe. Eine große Bedeutung habe dieser Schritt für ihn nicht besessen, vielmehr habe er nicht als Außenseiter gelten wollen. Er sprach vom Schrecken des 17. Juni, als »überall die sowjetischen Panzer den Frieden wiederherstellten«.
Für ihn selbst habe nie die Frage gestanden, in den Westen zu gehen. Seine Frau, die Ärztin, habe mit einem solchen Schritt geliebäugelt, weil ihr München so gefallen habe, doch »der Mauerbau beendete die Diskussion zu meinen Gunsten«. Im Pflegen von Kontakten zu ganz verschiedenen Stellen habe man ihm als Kirchenjuristen eine »gewisse Hybris« nachgesagt. Wenn es aber um persönliche Freiheit und andere entscheidende Fragen ging, dann sei nun einmal das DDR-Ministerium für Staatssicherheit die richtige Instanz gewesen, mit der man auch reden musste. »Das war mit der Gestapo nicht anders.«
Stolpe bekannte, dass 1999 der Streit mit seiner Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) wegen seiner Entscheidung für eine Koalition mit der CDU viel tiefer ging, als es äußerlich den Anschein hatte. Ihre Aversion gegen die CDU sei sehr entschieden gewesen, schon zu DDRZeiten habe sie die »für schlimmer als die SED« gehalten. Als er sich dann aber auf die CDU als Koalitionspartner festgelegt habe, sei man auseinander gegangen, ohne sich die Hand zu geben. Hildebrandt wollte damals lieber eine Koalition mit der PDS. Sie schied aus der Landesregierung aus, als es dazu nicht kam. »Ich war in Sor- ge, dass sie mir das niemals verzeihen würde«, sagte Stolpe nun. Es sei für ihn eine Erleichterung gewesen, als er auf Vorschlag der Familie Hildebrandt den nach Regine benannten Preis bekommen habe.
Rückblickend sei er immer zu gutgläubig gewesen, resümierte Stolpe. Das habe zu Enttäuschungen geführt, er wäre besser misstrauischer gewesen, »wenn einer freundlich guckt und sagt, so und so ist das«. Bezogen auf das Fernsehinterview, das der rbb mit ihm vor seinem 80. Ge- burtstag geführt hatte, sagte Stolpe: »Das waren Journalisten, keine Staatsanwälte.« Befragt, ob er sich vom rbb immer angemessen behandelt gefühlt habe, äußerte Stolpe: »Man muss sich nicht über alles freuen. Am Ende war es sachlich und gerecht.«
Die ganz große Ausnahme sei seine Ehefrau Ingrid gewesen, die für ihn stets ein zuverlässiges Echo der Gesellschaft gewesen sei, unterstrich Stolpe. »Ehrlicher kam kaum jemand auf mich zu.«