Skandal um gepanschte Desinfektionsmittel
Rumänische Krankenhäuser benutzten jahrelang wirkungslose Antiseptika
Rumänische Krankenhäuser nutzten jahrelang verwässerte Antiseptika, die der Hersteller völlig überteuert verkaufte, die sich aber als weitgehend wirkungslos erwiesen. Blutrot war das Wasser, das Bürgerrechtsaktivisten auf die Eingangstreppe von Rumäniens Gesundheitsministerium kippten. Sie werfen Gesundheitsminister Patriciu AchimasCadariu die versuchte Vertuschung der Machenschaften des heimischen Pharmakonzerns Hexi vor.
Der Skandal um gepanschte Desinfektionsmittel an Rumäniens Kliniken zieht immer größere Kreise. Es sei die »oft beabsichtigte Gleichgültigkeit« der Behörden und der »Zynismus des Staates«, die zum Tod von so vielen Menschen geführt habe, so die Zeitung »Romana Libera«.
Es waren die 64 Opfer des Brandes im Bukarester Musikklub »Colectiv« im Oktober, die Reporter der »Gazeta Sporturilor« und der Journalistenplattform »riseproject.ro« auf die Spur des vielleicht folgenschwersten Korruptionsskandals in Rumäniens marodem Gesundheitssektor brachten. Geschmierte und nachlässige Aufsichtsbehörden waren ein Grund für die Katastrophe im völlig überfüllten Klub: Der Skandal ließ im November bereits den damaligen Premier Victor Ponta aus dem Amt stolpern.
Viele Opfer starben nicht an Brandwunden, sondern Infektionen durch Krankenhauskeime. Damit kämpfen Kliniken weltweit. Doch bei Recherchen nach Gründen für die zweifelhafte Hygiene stießen die Journalisten auf erschütternde Abgründe in Rumäniens Korruptionssumpf. Desinfektionsmittel des »Hexi«-Konzerns wurden vom Hersteller völlig überteuert an Krankenhäuser verscherbelt und erwiesen sich als weitgehend wertlos: Bei Stichproben wiesen die offenbar verdünnten Antiseptika eine bis zu zehn Mal niedrigere Konzentration als auf dem Etikett auf.
Über eine Briefkastenfirma in Zypern soll Hexi die Substanzen für die gestreckten Desinfektionsmittel bei deutschen Pharmakonzernen erworben und um einen zehnfach höheren Preis in Rumänien verscherbelt haben. Kontrollen hatte der Quasi-Monopolist bei seinen Panschgeschäften wohl auch dank großzügiger Zuwendungen an bestechliche Beamte und Klinikmitarbeiter kaum zu fürchten: Labortests gab es nicht. »Wie ist es möglich, dass kein Krankenhausdirektor, kein Uniprofessor in all den Jahren daran gedacht hat, eine Analyse der Desinfektionsmittel vorzunehmen, wenn so viele Menschen aufgrund von Infektionen starben?«, fragt die Zeitung »Evenimentul Zilei«.
Die Woge der Empörung hat das Gesundheitsministerium in Zugzwang gebracht. Von 3526 erhobe- nen Stichproben von Hexi-Produkten hätten sich »nur« 4,25 Prozent als mangelhaft erwiesen, versucht Minister Achimas-Cadariu zu beschwichtigen: Die Krankenhäuser seien »sicher«, das Desinfektionsproblem »kein weit verbreitetes Phänomen«. Doch die von Medien, Ärzteverbänden und Bürgerrechtlern erzwungene Veröffentlichung der Liste der betroffenen Kliniken zeigte, dass die verdünnten Mittel in 17 Prozent von 229 überprüften Kliniken zum Einsatz kamen. Forderungen nach Rücktritt seines erst wenige Monate amtierenden Gesundheitsministers weist Premier Dacian Ciolos zurück. Der Austausch eines Mannes könne das Problem kaum lösen.