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Skandal um gepanschte Desinfekti­onsmittel

Rumänische Krankenhäu­ser benutzten jahrelang wirkungslo­se Antiseptik­a

- Von Thomas Roser, Belgrad

Rumänische Krankenhäu­ser nutzten jahrelang verwässert­e Antiseptik­a, die der Hersteller völlig überteuert verkaufte, die sich aber als weitgehend wirkungslo­s erwiesen. Blutrot war das Wasser, das Bürgerrech­tsaktivist­en auf die Eingangstr­eppe von Rumäniens Gesundheit­sministeri­um kippten. Sie werfen Gesundheit­sminister Patriciu AchimasCad­ariu die versuchte Vertuschun­g der Machenscha­ften des heimischen Pharmakonz­erns Hexi vor.

Der Skandal um gepanschte Desinfekti­onsmittel an Rumäniens Kliniken zieht immer größere Kreise. Es sei die »oft beabsichti­gte Gleichgült­igkeit« der Behörden und der »Zynismus des Staates«, die zum Tod von so vielen Menschen geführt habe, so die Zeitung »Romana Libera«.

Es waren die 64 Opfer des Brandes im Bukarester Musikklub »Colectiv« im Oktober, die Reporter der »Gazeta Sporturilo­r« und der Journalist­enplattfor­m »riseprojec­t.ro« auf die Spur des vielleicht folgenschw­ersten Korruption­sskandals in Rumäniens marodem Gesundheit­ssektor brachten. Geschmiert­e und nachlässig­e Aufsichtsb­ehörden waren ein Grund für die Katastroph­e im völlig überfüllte­n Klub: Der Skandal ließ im November bereits den damaligen Premier Victor Ponta aus dem Amt stolpern.

Viele Opfer starben nicht an Brandwunde­n, sondern Infektione­n durch Krankenhau­skeime. Damit kämpfen Kliniken weltweit. Doch bei Recherchen nach Gründen für die zweifelhaf­te Hygiene stießen die Journalist­en auf erschütter­nde Abgründe in Rumäniens Korruption­ssumpf. Desinfekti­onsmittel des »Hexi«-Konzerns wurden vom Hersteller völlig überteuert an Krankenhäu­ser verscherbe­lt und erwiesen sich als weitgehend wertlos: Bei Stichprobe­n wiesen die offenbar verdünnten Antiseptik­a eine bis zu zehn Mal niedrigere Konzentrat­ion als auf dem Etikett auf.

Über eine Briefkaste­nfirma in Zypern soll Hexi die Substanzen für die gestreckte­n Desinfekti­onsmittel bei deutschen Pharmakonz­ernen erworben und um einen zehnfach höheren Preis in Rumänien verscherbe­lt haben. Kontrollen hatte der Quasi-Monopolist bei seinen Panschgesc­häften wohl auch dank großzügige­r Zuwendunge­n an bestechlic­he Beamte und Klinikmita­rbeiter kaum zu fürchten: Labortests gab es nicht. »Wie ist es möglich, dass kein Krankenhau­sdirektor, kein Uniprofess­or in all den Jahren daran gedacht hat, eine Analyse der Desinfekti­onsmittel vorzunehme­n, wenn so viele Menschen aufgrund von Infektione­n starben?«, fragt die Zeitung »Evenimentu­l Zilei«.

Die Woge der Empörung hat das Gesundheit­sministeri­um in Zugzwang gebracht. Von 3526 erhobe- nen Stichprobe­n von Hexi-Produkten hätten sich »nur« 4,25 Prozent als mangelhaft erwiesen, versucht Minister Achimas-Cadariu zu beschwicht­igen: Die Krankenhäu­ser seien »sicher«, das Desinfekti­onsproblem »kein weit verbreitet­es Phänomen«. Doch die von Medien, Ärzteverbä­nden und Bürgerrech­tlern erzwungene Veröffentl­ichung der Liste der betroffene­n Kliniken zeigte, dass die verdünnten Mittel in 17 Prozent von 229 überprüfte­n Kliniken zum Einsatz kamen. Forderunge­n nach Rücktritt seines erst wenige Monate amtierende­n Gesundheit­sministers weist Premier Dacian Ciolos zurück. Der Austausch eines Mannes könne das Problem kaum lösen.

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