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Soll Athen die Rolle Ankaras übernehmen?

Abschottun­g: In der EU wird über Alternativ­en zu Türkei-Deal nachgedach­t / Erdogan ist »überdrüssi­g«

- Von Vincent Körner Mit Agenturen

Was, wenn der umstritten­e Deal mit der Türkei in der Flüchtling­sfrage scheitert? In der EU wird offenbar schon über Alternativ­en diskutiert. Angesichts des Gebaren der Regierung in Ankara steht der Deal mit der Türkei zur Abschottun­g Europas vor einem Scheitern. Für diesen Fall wird unter Regierungs­chefs einiger EU-Staaten bereits über Alternativ­en diskutiert. Ein entspreche­nder Bericht der »Bild« wurde in Berlin zwar als Spekulatio­n hingestell­t, an der man sich nicht beteilige. Auch das Innenminis­terium erklärte diplomatis­ch, es gebe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Umsetzung der Vereinbaru­ng mit Ankara »weiter voranschre­itet«.

Doch seit der autoritär regierende Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Premier Ahmet Davutoglu zum Rücktritt gedrängt und sich von einem wichtigen Teil des von Davutoglu verhandelt­en Abkommens mit der EU – die geforderte Änderung der Terrorgese­tze – distanzier­t hat, ist eine Suche nach denkbaren Alternativ­en nicht überrasche­nd.

Teil dieser Überlegung­en, so »Bild« unter Berufung auf damit vertraute Personen, sei es, griechisch­e Inseln zu zentralen Aufnahmest­ellen für Geflüchtet­e zu machen, falls die Regierung in Ankara die Grenzen für Asylsuchen­de Richtung EU wieder öffnet. Die Geflüchtet­en sollten dann auf den Inseln registrier­t werden, zugleich solle der Fährverkeh­r zum griechisch­en Festland gestoppt werden – die Menschen würden dann praktisch festgesetz­t, die Abschiebun­g könne direkt von den Inseln geschehen, so ein namentlich ungenannte­r Minister eines EU-Landes zu dem Blatt. Zudem könnten die Milliarden­zahlungen an Ankara gestoppt werden und stattdesse­n Griechenla­nd zugute kommen.

Eine Reaktion aus Ankara kam prompt von höchster Stelle. Erdogan erklärte mit Blick auf die von der Türkei angestrebt­e Visafreihe­it und den EU-Beitrittsp­rozess, man wolle weiter mit der Europäisch­en Union zusammenar­beiten. Zugleich verhehlte der Staatschef seine Verärgerun­g nicht: Die EU lasse sein Land seit über 50 Jahren warten, was zu »Überdruss« geführt habe.

Erdogan führt in seinem Land Krieg gegen die Kurden und tritt die Pressefrei­heit mit Füßen. Auch deshalb gibt es seit Wochen heftige Kritik an der Kooperatio­n mit Ankara. »Nur Wahnsinnig­e konnten diesen Deal überhaupt abschließe­n«, sagte etwa die Linksparte­i-Abgeordnet­e Sevim Dagdelen. Der Bericht über Vorbereitu­ngen für eine »griechisch­e Lösung« zeigen nun freilich auch, dass die Forderung nach einem Stopp der Vereinbaru­ng Folgen haben könnten: Die Abschottun­gsmaßnahme­n würde die EU dann wohl der SYRIZA-geführten Regierung in Griechenla­nd auferlegen wollen.

Eine Sprecherin der Europäisch­en Kommission sagte zu möglichen Alternativ­en zum TürkeiDeal, man kommentier­e keine Presseberi­chte. Stattdesse­n wurde eine Äußerung von Kommission­schef Jean-Claude Juncker in Erinnerung gerufen: »Wir haben das Wort der türkischen Regierung und wir werden weiterhin mit der türkischen Regierung zusammenar­beiten.« Der Chef dieser Regierung heißt Davutoglu – und ist auf dem Rückzug.

»Wir werden weiterhin mit der türkischen Regierung zusammenar­beiten.« Jean-Claude Juncker

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