Soll Athen die Rolle Ankaras übernehmen?
Abschottung: In der EU wird über Alternativen zu Türkei-Deal nachgedacht / Erdogan ist »überdrüssig«
Was, wenn der umstrittene Deal mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage scheitert? In der EU wird offenbar schon über Alternativen diskutiert. Angesichts des Gebaren der Regierung in Ankara steht der Deal mit der Türkei zur Abschottung Europas vor einem Scheitern. Für diesen Fall wird unter Regierungschefs einiger EU-Staaten bereits über Alternativen diskutiert. Ein entsprechender Bericht der »Bild« wurde in Berlin zwar als Spekulation hingestellt, an der man sich nicht beteilige. Auch das Innenministerium erklärte diplomatisch, es gebe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Umsetzung der Vereinbarung mit Ankara »weiter voranschreitet«.
Doch seit der autoritär regierende Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen Premier Ahmet Davutoglu zum Rücktritt gedrängt und sich von einem wichtigen Teil des von Davutoglu verhandelten Abkommens mit der EU – die geforderte Änderung der Terrorgesetze – distanziert hat, ist eine Suche nach denkbaren Alternativen nicht überraschend.
Teil dieser Überlegungen, so »Bild« unter Berufung auf damit vertraute Personen, sei es, griechische Inseln zu zentralen Aufnahmestellen für Geflüchtete zu machen, falls die Regierung in Ankara die Grenzen für Asylsuchende Richtung EU wieder öffnet. Die Geflüchteten sollten dann auf den Inseln registriert werden, zugleich solle der Fährverkehr zum griechischen Festland gestoppt werden – die Menschen würden dann praktisch festgesetzt, die Abschiebung könne direkt von den Inseln geschehen, so ein namentlich ungenannter Minister eines EU-Landes zu dem Blatt. Zudem könnten die Milliardenzahlungen an Ankara gestoppt werden und stattdessen Griechenland zugute kommen.
Eine Reaktion aus Ankara kam prompt von höchster Stelle. Erdogan erklärte mit Blick auf die von der Türkei angestrebte Visafreiheit und den EU-Beitrittsprozess, man wolle weiter mit der Europäischen Union zusammenarbeiten. Zugleich verhehlte der Staatschef seine Verärgerung nicht: Die EU lasse sein Land seit über 50 Jahren warten, was zu »Überdruss« geführt habe.
Erdogan führt in seinem Land Krieg gegen die Kurden und tritt die Pressefreiheit mit Füßen. Auch deshalb gibt es seit Wochen heftige Kritik an der Kooperation mit Ankara. »Nur Wahnsinnige konnten diesen Deal überhaupt abschließen«, sagte etwa die Linkspartei-Abgeordnete Sevim Dagdelen. Der Bericht über Vorbereitungen für eine »griechische Lösung« zeigen nun freilich auch, dass die Forderung nach einem Stopp der Vereinbarung Folgen haben könnten: Die Abschottungsmaßnahmen würde die EU dann wohl der SYRIZA-geführten Regierung in Griechenland auferlegen wollen.
Eine Sprecherin der Europäischen Kommission sagte zu möglichen Alternativen zum TürkeiDeal, man kommentiere keine Presseberichte. Stattdessen wurde eine Äußerung von Kommissionschef Jean-Claude Juncker in Erinnerung gerufen: »Wir haben das Wort der türkischen Regierung und wir werden weiterhin mit der türkischen Regierung zusammenarbeiten.« Der Chef dieser Regierung heißt Davutoglu – und ist auf dem Rückzug.
»Wir werden weiterhin mit der türkischen Regierung zusammenarbeiten.« Jean-Claude Juncker