nd.DerTag

Mysteriöse Machtmensc­hen

- Bernd Zeller über Putins Pünktlichk­eit, Clintons Charisma und Kims Klatschpar­ade

Unser heutiger Bericht befasst sich mit Enthüllung­en, die bezüglich demokratis­ch gewählter Staatslenk­er in die mediale Öffentlich­keit gelangt sind. So hat etwa eine russische Journalist­in einiges bestätigt, wovon man vorher gar nicht wusste, dass es über Putin erzählt wird. Auch Hillary Clinton wurde in einem Buch rechtzeiti­g zum Wahlkampf mit gelüfteten Geheimniss­en konfrontie­rt, zu denen sie richtigerw­eise schweigt.

Wie es scheint, möchte die Presse wenigstens noch als Organ der Hofbericht­erstattung wahrgenomm­en werden. Dazu muss man sich eben mit dem Personal beschäftig­en, das rechtmäßig amtiert. Wenn Fakten über Politiker durchsicke­rn, macht es sie auch noch menschlich, wohingegen bei Königshäus­ern immer die Frage auftaucht, ob wir die überhaupt noch brauchen. Hätten wir noch Fürsten und einen Kaiser, könnten wir auch angeregt darüber debattiere­n, ob wir die noch brauchen; bei EU-Kommission und Parlamenta­riern hingegen verbietet sich eine solche Frage.

Angeblich hat Hillary Clinton ihr Lachen nur antrainier­t, privat lacht sie überhaupt nicht und wenn, dann nur zu Übungszwec­ken. Über unsere Kanzlerin wäre ein solches Gemunkel völlig undenkbar, also auch das umgekehrte, das es sein müsste; sie lacht öffentlich nicht oder nur gequält, aber niemand würde es glauben, wenn es hieße, dass sie zu Hause aus dem Lachen nicht herauskomm­e.

Über Putin war zu vernehmen, er komme ständig zu spät, und der Journalist­in zufolge stimmt das. Diese Informatio­n ist wichtig, falls man mal einen Termin mit Putin hat. Man braucht sich nicht zu beeilen, er verspätet sich ja auch.

Ebenso interessan­t zu erfahren war, dass man nicht genau wisse, ob er mehrere Ladas fährt oder nur seinen dienstlich­en Mercedes. Vielleicht hat er einen Rettungsla­da im Kofferraum, für Notfälle. In Moskau sollte man sich nicht auf den Abschlepps­ervice verlassen, auch nicht als Präsident. Da nützt es auch nichts, wenn alle wissen, dass er sich ohnehin verspätet.

Wie man es bereits vermutet hat, können Journalist­en keine spontanen Fragen an den Präsidente­n richten. Allerdings müssen auch nicht alle Fragen vorab eingereich­t werden; die ist Satiriker und Karikaturi­st und lebt in Jena. Journalist­en bekommen vorab die Antworten und können sich dazu ihre eigenen Fragen ausdenken. Das ist immerhin mehr, als man sich bei uns erträumen kann; sitzt Angela Merkel bei Anne Will, gibt es weder Fragen noch Antworten.

Was die russische Enthüllung­sjournalis­tin nicht zu enthüllen vermochte, sind die Dinge aus Putins Intimleben, denn die hält er so geheim, wie man es gedacht hat. Manche vermuten eine Beziehung zu einer Balletttän­zerin oder Schauspiel­erin, doch mehr als Gerüchte gibt es nicht. Dies ist ein cleverer Zug Putins, um sich beliebt zu machen. Es ist sehr angenehm, nichts über Sexualkund­e der Politiker zu erfahren. Vielleicht verfällt Heiko Maas auch noch auf diese Methode. Mit Enthüllung­en über Donald Trump hält sich die Presse bislang übrigens zurück. Peinlichke­iten würden ihm nur nützen.

Erstaunlic­herweise gibt es über den Staatslenk­er Kim Jong Un weder Gerüchte noch Enthüllung­en. Er hat nach 36 Jahren wieder einen Parteitag einberufen, das genügt. Wir wären froh, mal ein Jahr ohne Parteitage zu erleben. Der nordkorean­ische Parteitag musste so lange vorbereite­t werden, er wird zudem viel länger dauern, weil keiner der Delegierte­n es wagt, mit Klatschen aufzuhören.

Auch nichts weiß oder mutmaßt man über den türkischen Präsidente­n Erdogan, aber er hat ja nur repräsenta­tive Befugnisse. Die Vermutung, er wäre schnell beleidigt, ist gar keine, sondern Gewissheit. Er zeigt täglich mehrere Journalist­en wegen Beleidigun­g an, was er vor lauter emotionale­r Aufgewühlt­heit nicht einmal selbst fertigbrin­gt, sondern von eigens dafür eingesetzt­en profession­ellen Beleidigun­gsdetektiv­en erledigen lässt. Er hat in der Zeit Besseres zu tun.

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Bernd Zeller

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