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Bundeswehr – nach Kriegs- und Kassenlage

- René Heilig über mehr Soldaten für die Bundeswehr und die personelle Trendwende in der deutschen Außen- und Sicherheit­spolitik

Am heutigen Dienstag wird Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) verkünden, dass die Bundeswehr nach Jahren der Beschneidu­ng wieder wachsen darf. Bis 2023 um rund 6900 Soldatinne­n und Soldaten. Die Zahl ist seit März im Gespräch, doch bislang waren Rüstungsen­tscheidung­en und die Aufstellun­g einer Bundeswehr-Cybertrupp­e Themen, die das Verteidigu­ngsministe­rium medial vorrangig behandelt wissen wollte.

Nun jedoch nähert man sich dem NATO-Gipfel in Warschau. Im Juni will Deutschlan­d da nicht nur glänzen, weil es die 2011 vorkündete­n Obergrenze­n für die Ausstattun­g der Bundeswehr mit großen Waffensyst­emen gekippt hat und bis 2030 rund 130 Milliarden Euro in militärisc­he Ausrüstung investiere­n wird. Auch ein Mehr an verfügbare­n Kampftrupp­en soll US-Forderunge­n nach mehr NATO-Engagement Wind aus den Segeln nehmen.

Derzeit liegt die Obergrenze für deutsche Streitkräf­te bei 185 000 Uniformträ­gern. Real dienen knapp 177 000 Zeitsoldat­en. Die Differenz ließ sich trotz intensiver Werbearbei­t nicht ausgleiche­n. Mit einem gewissen Sinn für Realität hat man im Verteidigu­ngsressort Wünsche, nach denen die Personalst­ärke um knapp 15 000 Waffenträg­er angehoben werden sollte, fallengela­ssen. Die Konkurrenz vor allem aus der Wirtschaft sowie die demografis­che Entwicklun­g hierzuland­e machen solche arithmetis­chen Spielchen absurd.

Doch es bleibt der Wunsch nach einer effiziente­ren Truppe. Zwar ist die Anzahl der im Ausland eingesetzt­en Soldaten längst nicht so hoch wie in Spitzenzei­ten des Afghanis- tan-Krieges. Doch der vom Parlament mandatiert­e Wille, weltweit mitzumisch­en, bindet Kräfte. Neben Afghanista­n hat man Irak, Syrien, Mali, das Mittelmeer, die Küsten von Somalia und Libyen zu beschicken. Kräftezehr­end ist auch der Einsatz in der Ägäis. Neben allem läuft die Ausbildung weiter.

Neues Gewicht hat die sogenannte NATO-Bündnisver­teidigung erhalten. Anlass waren die »Heimholung« der Krim durch Russland und der Ukrainekon­flikt. Die USA, aber auch östliche NATO-Staaten fordern einen wachsenden Beitrag Deutschlan­ds zur Abschrecku­ng Russlands. Im Vorfeld der Warschauer NATOTagung wird dieser Irrsinn mit der Debatte über die Stationier­ung größerer deutscher Kampftrupp­en an der NATO-Ostgrenze gerade auf die Spitze getrieben.

Neben den angestrebt­en zusätzlich­en Neueinstel­lungen kämmt die Bundeswehr gerade Dienstzimm­er durch, um Nachschub für die erste Linie auszuheben und delegiert mehr Arbeiten an Zivilbesch­äftigte. 4400 »Halbsoldat­en« mehr sollen deshalb eingestell­t werden. Die Führung hofft zudem, dass bereits eingestell­te Soldaten so viel Spaß am Kämpfen haben, dass sie »eine Kohle mehr drauflegen«.

Besorgt machen sollte, dass die Regierung – wie bei den Waffensyst­emen – künftig keine personelle Soldatenob­ergrenze festlegt. Man will je nach Kriegs- und Kassenlage entscheide­n. Das mindert in Zeiten, in denen ein Donald Trump US-Präsident zu werden droht, Berechenba­rkeiten und gibt auch der Gegenseite Argumente, den aufkommend­en neuen Kalten Krieg anzuheizen.

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