Amtsziel: Eine Million Asylanträge
Der neue BAMF-Behördenchef Weise löst die Asylfrage auf die Kommastelle genau
Ein neuer Wind weht, seit FrankJürgen Weise vor sieben Monaten das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übernahm. Nun läuft es, lautete die Botschaft des Amtschefs am Mittwoch in Nürnberg. Frank-Jürgen Weise ist auf seinen Ruf bedacht. Nachdem er im letzten September vom Bundesinnenminister zum neuen Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) berufen wurde, geht es ihm durchaus auch um den Nachweis, dass er es kann. Amtsvorgänger Manfred Schmidt war zurückgetreten, als die Flüchtlingszahlen emporschnellten – aus persönlichen Gründen. Wegen wachsender Berge von Asylanträgen, derer die Behörde nicht Herr zu werden schien, war das Amt über Jahre hinweg immer wieder als behäbig und den Anforderungen nicht gewachsen gescholten worden. Weise, der als Chef des Bundesamts für Arbeit bereits einer Mammutbehörde vorstand und nun beide leitet, präsentiert am Mittwoch vor der Presse die nunmehrige Lösung des Asylproblems – in Form von Zahlen. Das Schicksal der Flüchtlinge kommt auch einmal vor: »Das lange Warten ist für die Menschen, die geflüchtet sind, sehr schwer«, sagt Weise da.
Doch vor allem heißt es jetzt: Fälle abarbeiten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll nach Ankündigung Weises noch in diesem Jahr über eine Million Asylanträge entscheiden. Man könne 300 000 bis 400 000 alte Asylanträge abarbeiten, dazu die Anträge neu ankommender Flüchtlinge und habe dann noch Kapazitäten, so Weise im Brustton der Überzeugung. Anhängige Verfahren in das kommende Jahr zu schleppen, das möchte er gar nicht erst einreißen lassen. Lange Bearbeitungszeiten würden dazu führen, dass die Kritik an der Arbeit der Behörde wieder stärker würde. Das weiß Weise. Die Bevölkerung bekomme dann den Eindruck, »das Amt hat das nicht im Griff«.
Das Bundesamt will in Zukunft über den Antrag eines Asylbewerbers, der in einem der neuen Ankunftszentren ankommt, binnen einer Woche entscheiden, wie die stellvertretende Leiterin des operativen Bereichs, Andrea Demler, erklärt. Derzeit könnten manche Anträge, wie die von Flüchtlingen aus Eritrea, bereits in zwei Tagen abgeschlossen werden. Bei Eritreern liegen die Anerkennungszahlen vergleichsweise hoch. Menschen aus »komplexeren Ländern«, in denen die Fluchtgründe nicht so offensichtlich seien, würden in durchschnittlich drei Monaten ihren Bescheid in Händen halten, erklärt der stellvertretende Amtsleiter Michael Riesbeck.
Sevim Dagdelen ist das zu viel Tonnenideologie. »Sorgfalt geht vor Schnelligkeit«, moniert die Beauftragte für Migration und Integration der Linksfraktion im Bundestag am Mittwoch in einer Erklärung. »Flüchtlinge brauchen faire Verfahren und keine Blitzentscheidungen zur Schönung der Bilanz. Sicher ist das lange Warten für die Menschen, die nach Deutschland geflüchtet sind, sehr schwer, eine schnelle Abschiebung in unsichere Herkunftsländer aber ohne Zweifel die schlechtere Alternative.
Und noch mehr Zahlen von Weise gibt es am Mittwoch: Im Bundesamt arbeiten jetzt 6700 Beschäftigte, davon 5000 Festangestellte. Versprochen seien von der Bundesregierung 7300 Mitarbeiter. Die neuen Beschäftigten absolvierten in der Regel eine achtwöchige Ausbildung, wie Riesbeck mitteilt. Klagen aus Verwaltungsgerichten, neue Entscheider würden nicht sorgfältig genug Entscheidungen fällen, seien ihm nicht bekannt, sagt der Beamte. Er hob dagegen einen neuen digitalen automatisierten Aktenaustausch mit den Gerichten hervor. Auch im digitalen Datenaustausch mit den Ausländerbehörden der Kommunen sei man in den vergangenen Monaten vorangekommen, so die BAMF-Vertreter.
Frank-Jürgen Weise verfügt über das nötige Selbstvertrauen. Scheitert er als Behördenchef des BAMF, gerät auch seine Position als Chef der Bundesanstalt für Arbeit ins Wanken. Inzwischen teile sich seine Arbeitszeit zur Hälfte auf beide Aufgabengebiete auf, sagt er. Denken in Zahlen und Fakten. Von den Asylbewerbern, die in den vergangenen drei Jahren ins Land gekommen seien, seien 460 000 erwerbsfähig. Die Hälfte von ihnen seien unter 25 Jahre alt. Nachdem die Infrastruktur des Bundesamts verbessert worden sei, sagt Weise als »Amtsleiter zwei« (BAMF) komme »die Integration immer mehr in den Blick«. Das fordert Weise als »Amtsleiter eins«. Die Bundesagentur für Arbeit müsse die Sprachkurse organisieren; die Arbeit für die Jobcenter wachse »zu einem großen Aufgabenfeld heran«.
Wer es ganz genau wissen will, erfährt am Mittwoch weitere Fakten: Im April sind beim Bundesamt für Asyl und Migration knapp 61 000 Anträge auf Asyl gestellt worden. Die meisten davon seien von Syrern gestellt worden (25 791), gefolgt von Irakern (9505), Afghanen (8458) und Iranern (1981).