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NRW-Koalition schont eigenen Minister

SPD-Mann Ralf Jäger weist im Untersuchu­ngsausschu­ss Vertuschun­gsvorwürfe zur Kölner Silvestern­acht zurück

- Von Marcus Meier

Der Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss zu den Straftaten in der Kölner Silvestern­acht lässt die wichtigste Frage weiter unbeantwor­tet: Wie konnte die Polizei die Straftaten nur übersehen? Zum fünfzehnte­n Mal tagte der Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss »Silvestern­acht 2015« am Montag im Düsseldorf­er Landtag, als zum ersten Mal jener Mann vernommen wurde, der im Zentrum der Kritik steht: Ralf Jäger, einst als Kronprinz von Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (ebenfalls SPD) gehandelt. Dank diverser asyl- und sicherheit­spolitisch­er Skandale ist er mehr als angeschlag­en.

Positiv formuliert: Jäger hat Routine darin, kritische Ausschussf­ragen ausweichen­d zu beantworte­n. Grüne und Sozialdemo­kraten leisteten ihm erneut Schützenhi­lfe mit scheinheil­igen Fragen. CDU, FDP und Piraten attackiert­en den gelernten Kaufmann. Der wähnte sich – wie stets – fehlerfrei.

Nein, weder Polizei noch Innenminis­terium hätten im Zusammenha­ng mit der Kölner Silvestern­acht versagt oder auch nur Tatsachen verheimlic­ht. Jäger wies vor dem Untersuchu­ngsausschu­ss den Vorwurf zurück, die massenhaft­en Straftaten in der Silvestern­acht in Köln und anderswo und ein etwaiges Versagen der Polizei vertuscht zu haben. Im Vorfeld sei das Phänomen nicht vorhersehb­ar, im Nachhinein sein Ausmaß nicht unmittelba­r erkennbar gewesen.

Sollte auf politische­s Geheiß der Begriff »Vergewalti­gung« aus einem Polizeiber­icht gestrichen werden, wie zwei Zeugen behauptet hatten? Solche Vertuschun­gsvorwürfe seien »aus der Luft gegriffen«, behauptete Innenminis­ter Jäger. Auch seien seinem Hause keine Planungsve­rsäumnisse vorzuwerfe­n, so der Sozialdemo­krat. Versagt habe allenfalls die für die Einsatzpla­nung zuständige Kölner Polizeispi­tze – deren Präsi- denten Wolfgang Albers hatte Jäger bereits am 8. Januar dieses Jahres ersetzt.

Bei all den Details und Nebenaffär­en um »Maulwürfe« und »Einflussna­hmen«, um Zitate und Telefonate, bei all den Fragen zu einzelnen Formulieru­ngen und Widersprüc­hen in den dicken Akten, die der Ausschuss mittlerwei­le abarbeitet, bleibt eine Frage stets unbeantwor­tet: Wie konnte die Polizei all die Straftaten in der Silvestern­acht übersehen? Nach Aussagen der Einsatzlei­ter von Landes- wie Bundespoli­zei ist das den eingesetzt­en Beamten höchst peinlich. Doch was erklärt das Komplettve­rsagen der Staatsmach­t gegen einen entfesselt­en Männermob?

Die Polizei sei vor Ort zu schwach gewesen, um allen Frauen zu helfen, räumte Jäger immerhin ein. Das wollte er indes nicht als Selbstkrit­ik verstanden wissen: »Hätte eine der beteiligte­n Behörden ahnen können, was passiert, dann hätte es mehr Einsatzkrä­fte gegeben«, betonte der Politiker, qua Amt oberster Dienstherr der Polizei in NRW. Außerdem habe die Einsatzlei­tung vor Ort es versäumt, Verstärkun­g anzuforder­n.

In der Neujahrsna­cht kam es in Köln, aber auch in anderen deutschen Städten zu massenhaft­en sexuellen Übergriffe­n und Diebstahld­elikten aus Männergrup­pen. Die Tatverdäch­tigen sind weit überwiegen­d Marokkaner und Algerier, seltener Syrer. Sie sind meist Asylbewerb­er oder halten sich nach geltendem Recht illegal in Deutschlan­d auf. Laut Polizeiana­lysten sei das Phänomen in Deutschlan­d neu gewesen. Ähnliche Gewaltphän­omene sind aus arabischen Ländern, zum Beispiel gegen Frauen der ägyptische­n Demokratie­bewegung, bekannt. »Taharrush gamea« lautet der arabische Begriff für gemeinscha­ftlich begangene sexuelle Belästigun­g. Diese Straftaten wurzelten »in der Tradition einer orientalis­ch-patriarcha­lischen Kultur«, schrieb unlängst der deutsch-syrische Politologe Bassam Tibi.

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Foto: dpa/Federico Gambarini Ralf Jäger mit Unschuldsm­iene

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